Rechte Populisten auf dem Vormarsch? Ignorieren, widersprechen, sich empören? Wenige Tage vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg ging es am 28. August 2019 beim Mediensalon in der Berliner taz-Kantine um die Frage, wie Journalist*innen mit Rechtspopulist*innen und ihren Provokationen umgehen sollten – und welche Rolle dabei ihre persönliche Einstellung spielt.
Soll man mit Rechtspopulist*innen reden oder nicht? Zumindest für diesen Abend hatte man eine eindeutige Antwort gefunden: „Wir sprechen nicht mit Funktionsträgern der AfD, weil das keinen Erkenntnisgewinn bringt. Das haben wir so beschlossen und darum laden wir sie nicht ein“, sagte Tina Groll, Bundesvorsitzende der dju in ver.di. Sie moderierte die Diskussionsrunde zum Thema „Hass im Netz und an der Wahlurne – wie gehen Medien mit einer sich verändernden Gesellschaft um?“. Vorausgegangen war die Frage aus dem Publikum, warum auf dem Podium kein Vertreter oder keine Vertreterin der AfD sitze.
Für Medienwissenschaftler Bernd Gäbler ist die Sache klar: Natürlich sollte man mit der AfD sprechen. Dialog und Konfrontation gehören für ihn zusammen: In Deutschland könnten die Menschen ihre Meinung frei äußern, aber dann müssten sie eben auch damit rechnen, dass ihnen „scharf widersprochen“ werde, sagte Gäbler, ehemaliger Geschäftsführer des Adolf-Grimme-Instituts und Autor der Studie „AfD und Medien. Erfahrungen und Lehren für die Praxis“ der Otto-Brenner-Stiftung. Solche „Foren des Widerspruchs“ zu schaffen, sei auch Aufgabe von Journalist*innen.
Mit Wissen dagegenhalten
Gäbler mahnte jedoch an, nicht nur reflexartig empört zu reagieren, sondern sich auf einer argumentativen Ebene faktenbasiert mit den Aussagen der Rechtspopulist*innen auseinanderzusetzen. Journalist*innen sollten sich „an der Sache abarbeiten, nicht an den Populisten“. Eine wichtige Voraussetzung dafür sei: Wissen. Und zwar nicht nur in den Bereichen, die meistens Schlagzeilen machen. Wenn die AfD beispielsweise eine „Nationalkultur“ fordere, müsse man schon wissen, was etwa der Schriftsteller Feridun Zaimoglu oder der Filmemacher Fatih Akin für die deutsche Kultur geleistet haben – und könne entsprechend dagegenhalten.
Auch Nicole Diekmann spricht mit der AfD. Als Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio berichtet sie regelmäßig über die Partei und führt Interviews mit AfD-Politiker*innen. Für Aufsehen sorgte sie Anfang des Jahres, als sie bei Twitter schrieb: „Nazis raus“. Auf die Frage eines Nutzers, wer für sie ein Nazi sei, schrieb sie ironisch: „Jede/r, der/die nicht die Grünen wählt.“ Daraufhin wurde sie tagelang mit Beleidigungen und Drohungen überschüttet. Dieser Tweet, so erzählte sie dem Mediensalon-Publikum, entstand nach einem Kaffeetrinken mit einem Familienmitglied, das seit Jahren NPD wähle.
Druck auf den Berufsstand
„Ich merke, wie verunsichert dieser Berufsstand ist“, sagte Diekmann über die Medienbranche. Da sei zum einen die Digitalisierung, die Anfangs gerade von älteren Kolleg*innen belächelt worden sei. Diese Journalist*innen seien aber heute oft diejenigen, die bei der rasanten Entwicklung den Anschluss verpasst haben. Dann sei die AfD gekommen, die massiven Druck ausübe und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen wolle.
Und schließlich gebe es da noch die andere Seite, die ebenfalls Druck mache: Führe sie, Diekmann, ein Interview mit AfD-Politiker*innen, werde sie oft dafür kritisiert, überhaupt mit dieser Partei zu sprechen. Von Journalist*innen werde mittlerweile erwartet, dass sie Aktivist*innen sind, sagte Diekmann, dass sie den Job der Zivilgesellschaft übernehmen und AfD-Politiker*innen ins Gesicht sagen, was sie von ihnen halten. „Und das ist nicht unsere Aufgabe“, betonte sie – obwohl ihr „Nazis raus“-Tweet doch sehr eindeutig Stellung bezieht. Moderatorin Tina Groll wandte ein, dass sie es durchaus als Aufgabe von Journalist*innen sehe, Haltung zu zeigen und AfD und Co. zu sagen, was die Gesellschaft von ihnen denkt.
Nicht alles durchgehen lassen
„Ich möchte nicht mit Rechten reden, aber Rechte möchten mit mir reden“, sagte Simone Rafael, Chefredakteurin der „Belltower News“, dem „Netz für digitale Zivilgesellschaft“ der Amadeu Antonio Stiftung. Sie berichtete von ihren Erfahrungen mit rechter Hetze in den Online-Kommentarspalten der News, sagte aber auch, dass sie hin und wieder erlebe, dass sich bei manchen pöbelnden Kommentator*innen hinter einer groben Sprache durchaus ernst gemeinte Fragen verbergen. Daher lohne es sich manchmal, nachzufragen und das Gespräch zu suchen, auch wenn das anstrengend sei.
Nicht nur für Medien sei eine gute Gesprächskultur in sozialen Medien wichtig, sondern auch in der Politik, sagte Rafael. „Ich würde mir wünschen, dass die demokratischen Parteien Social Media auch als Meinungsbildungsraum ernst nehmen.“ Bislang finde das noch viel zu selten statt. Diesen Eindruck bestätigte die ZDF-Journalistin: Die etablierten Parteien nutzten Social Media vor allem, um Pressemitteilungen zu verbreiten. Das sei, so Nicole Diekmann, ein deutliches Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.
Inwiefern man bereit sei, mit Rechtspopulist*innen zu reden oder nicht – diese Frage betrifft nicht nur Journalist*innen, sondern auch Politiker*innen. Bei den Debatten im Bundestag spüre man, dass der Ton sich verändert, sagte Thomas Hacker, Bundestagsabgeordneter und medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Doch wenn man nur zwei bis drei Redeminuten im Bundestag habe, müsse man sich genau überlegen, wie viel von dieser Zeit man der AfD gebe, um auf deren Provokationen Bezug zu nehmen. Oder ob man die Zeit nicht besser nutze, um eigene Anliegen vorzubringen. Klar sei aber auch: Die Bereitschaft, der AfD immer alles durchgehen zu lassen, sei bei den anderen Parteien nicht vorhanden.