sportdeutschland.tv und Olympischer Sportkanal – Online-Kanäle der Verbände
Fußball, Fußball, immer nur Fußball – die Klage über eine sportliche Monokultur im deutschen Fernsehen ist nicht neu. Kleinere Sportarten haben es tatsächlich schwer, sich gegen König Fußball durchzusetzen. Das liegt nicht nur am Quotendenken der Sender. Häufig gelingt es den Verbänden nicht, die eigenen Leistungen medienattraktiv zu präsentieren. Beim Deutschen Olympischen Sportbund griff man im vergangenen Jahr zur Selbsthilfe. Mit sportdeutschland.tv existiert neuerdings ein Online-Sportkanal, in dem dutzende vom frei empfangbaren Fernsehen ignorierte und vernachlässigte Sportarten und Events zu sehen sind, in Form von Video on demand oder auch im Live-Stream.
Oliver Beyer mag das ewige Lamento von Sportlern und Funktionären nicht mehr hören. „Wir haben das ja oft, dass nach den Öffentlich-Rechtlichen gerufen wird für einzelne Sportevents oder Sportarten”, sagt er. „Unser Ansatz ist, zu sagen: Beschwert euch nicht immer nur, dass ihr nicht zu sehen seid, sondern nehmt die Sache selber in die Hand.”
Beyer ist Geschäftsführer von DOSB New Media, einer Tochter des Deutschen Olympischen Sportbundes. Ein gutes halbes Jahr nach dem Launch der Internet-Plattform im August 2014 zog Beyer eine stolze Zwischenbilanz. Fünf Millionen User mit neun Millionen Seitenklicks, Bilder und Berichte von rund 50 Sportarten. Es gehe darum, den einzelnen Verbänden und Sportarten eine zentrale Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. So lässt sich umständlicher Mehrfachaufwand vermeiden: Rechteerwerb, Technik, redaktionelle Betreuung – das alles liefert der DOSB aus einer Hand. Ein echter Scoop gelang sportdeutschland.tv mit der Übertragung der Volleyball-WM der Männer im vergangenen September. Von der ARD ignoriert, vom Privatsender Sport 1 nach Problemen mit den Lizenzrechten fürs Free TV wieder fallengelassen, sprang der DOSB-Kanal ein und übertrug live alle WM-Partien der deutschen Nationalmannschaft im Internet. Mitsamt dem kleinen Finale gegen Frankreich, in dem die Deutschen Bronze erkämpften. Dafür erntete man Anerkennung in der Sportwelt.
Keine Konkurrenz.
Bei den Öffentlich-Rechtlichen wird der neue Medienplayer nicht als Konkurrent angesehen. Eher als jemand, der komplementär über Sportarten berichtet, die in den großen Sendern auch aus Quotengründen meist durch den Rost fallen. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky begreift sportdeutschland.tv vielmehr als „eine Möglichkeit für Verbände, ihre Archive zu nutzen, all die Dinge zu tun, die wir in der Form gar nicht machen können”.
Steigt das Nutzerinteresse weiter so rasant an, will der DOSB mit der Plattform auch Geld verdienen – schließlich soll sie sich eines Tages selbst tragen. Daher kooperiert DOSB New Media in der Videoclip-Vermarktung mit einer Tochter der RTL-Gruppe. Eine Bereicherung für die Freunde auch nicht so massenattraktiver oder gar Nischen-Sportarten ist sportdeutschland.tv allemal.
Problematisch erscheint allerdings die Konstruktion, dass hier Sportverbände im Grunde über sich selbst berichten. „Natürlich spricht nichts dagegen, dass die Verbände sich im Netz präsentieren und den Nachwuchs für den Sport begeistern”, sagt Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der dju in ver.di. Aber hier gelte, was auch ansonsten Standard sei: „Journalismus ist nicht PR und redaktionelle Inhalte müssen strikt getrennt sein von werbenden.”
New-Media-Geschäftsführer Oliver Beyer wiegelt ab. Die Kriterien professioneller Sportberichterstattung mag er einstweilen auf sportdeutschland.tv nicht anwenden. Da gehe es auch gar nicht um journalistische Kategorien. „Die wollen erst mal zeigen, Volleyball oder Wakeboarden sind ein toller Sport.” Was aber, wenn demnächst doch in einer DOSB-Sportart mal wieder ein Dopingfall oder ein Verbandsskandal ruchbar wird? Laut Beyer gibt es „keine Stallorder in die eine oder andere Richtung”.
In Kürze zieht das Internationale Olympische Komitee (IOC) nach. Ein eigener TV-Kanal ist auch zentrales Projekt der „Agenda 2020” des deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach. Bis 2016 soll in Spaniens Hauptstadt Madrid eine 100-köpfige Redaktion aufgebaut werden, teilte unlängst die Produktionsfirma Olympic Broadcasting Services mit. Auch hier sieht ARD-Sportchef Balkausky keine Konkurrenzsituation. Nach seiner Kenntnis werde der IOC-Sender die Sportberichterstattung des Ersten nicht beeinflussen, „da es sich hierbei nicht um Rechte handelt, die sich im Portfolio der ARD befinden”. Eine Aussage, die in wenigen Jahren noch zutreffender sein dürfte. Soeben verkaufte das IOC die europaweiten TV-Rechte für die Olympischen Spiele 2018 bis 2024 an den US-Konzern Discovery Communications. Damit dürften die Sommerspiele in Brasilien vorläufig die letzten sein, bei denen die TV-Berichterstattung aus deutscher Perspektive erfolgt. An die Stelle von ARD und ZDF tritt nach Lage der Dinge die Discovery-Tochter Eurosport. Bleibt abzuwarten, ob die Öffentlich-Rechtlichen wenigstens über Sublizenzen zum Zuge kommen.