Auswirkungen der Corona-Krise auf die Öffentlich-Rechtlichen noch unklar
Die Corona-Pandemie wird sich auch auf die finanzielle Situation der öffentlich-rechtlichen Sender auswirken. Wie stark, ist derzeit noch unklar. Zu konkreten Prognosen möchte man sich bei ARD und ZDF noch nicht versteigen, sicher scheint aber: Es wird knapp. Hinzu kommt die noch ausstehende Entscheidung der Länderparlamente über die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Eigentlich zu viele Unwägbarkeiten, um nicht über Sparmaßnahmen zu sprechen.
Wichtigste Einnahmequelle von ARD, ZDF und Deutschlandradio ist und bleibt der Rundfunkbeitrag. Der hat 2019 rund 8,1 Milliarden Euro in die Kassen der Öffentlich-Rechtlichen gespült. Was die Beitragseinnahmen für das Jahr 2020 betrifft, ließen sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie derzeit noch nicht beziffern, „werden erste Prognosen voraussichtlich erst im kommenden Jahr möglich sein“, sagt Dennis Sponholz vom Beitragsservice, der in den bundesdeutschen Haushalten den Rundfunkbeitrag erhebt. Seriöse Berechnungen könne es erst geben, wenn man wisse, wie lange die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie aufrechterhalten würden. Unklar sei derzeit etwa noch, wie viele der von behördlich angeordneter Schließung betroffenen Unternehmen die Möglichkeit nutzen werden, die Freistellung von der Beitragspflicht zu beantragen. Voraussetzung dafür ist eine mindestens dreimonatige Schließung. Dazu komme, dass ein Antrag auf Freistellung grundsätzlich nur rückwirkend, d.h. nach Ende der Schließung gestellt werden könne, erläutert Sponholz.
Beitragseinbußen
Größer als im Gewerbe dürfte das Risiko verminderter Beitragsannahmen allerdings im privaten Bereich sein. Wer zum Beispiel Arbeitslosengeld II bezieht, kann eine Befreiung vom Beitrag beantragen. Bisher stellen wir „mit Blick auf die Gesamtzahl von Befreiungsanträgen keine Auffälligkeiten fest“, teilt Sponholz jedoch mit. ARD-Sprecherin Svenja Siegert rechnet „mit den meisten Befreiungsanträgen im privaten Bereich voraussichtlich erst im nächsten Jahr“, auch aufgrund der Entscheidung der Bundesregierung, das Kurzarbeitergeld auf bis zu 24 Monate zu verlängern. Viele Unternehmen hätten die staatlichen Schutzmaßnahmen damit jedoch eine Atempause verschafft. Dass es zu Beitragseinbußen kommen wird, erwarte man laut Siegert allerdings auch beim Senderverbund ARD, nur die Höhe ließe sich eben noch nicht bestimmen. Ähnliches hört man aus dem ZDF an.
Kleinerer Posten im öffentlich-rechtlichen Budget, doch mit ebenso unsicherer Prognose: die Werbeinnahmen. Die bewegten sich 2019 sowohl bei ARD als auch beim ZDF im niedrigen dreistelligen Millionenbereich. Für das erste Halbjahr 2020 spricht die Geschäftsführerin der ARD-Werbung Sales & Services (AS&S), Elke Schneiderbanger, von „deutlichen Umsatzeinbußen“, die im Fernsehen noch stärker als im Radio ausfielen. Die Werbeumsätze im TV hätten vor allem wegen der coronabedingten Verschiebung sportlicher Großereignisse wie der UEFA Fußball-EM und der Olympischen Spiele zu einer längeren Durststrecke geführt. Erst seit einigen Wochen gebe es eine „spürbare Belebung der Geschäftstätigkeit bei einigen Branchen“. Beim Radio gehe es jedoch nach einem deutlichen Rückgang mittlerweile „wieder kräftig nach oben mit den Einbuchungen“. Grund dafür sei die „sprichwörtliche Aktivierungs- und Abverkaufs-Kraft von Radio“, „in der Krise ein nachweislich wichtiger Hebel, um die Kunden wieder zum Point of Sale zu bekommen“. Oder wie ein Slogan sagt: „Mit Radio erreichen Sie immer die Richtigen. Geht ins Ohr, bleibt im Kopf.“ Prognosen für den Werbemarkt 2021 will auch Schneiderbanger nicht wagen, „da noch nicht erkennbar ist, inwieweit mittelständische Unternehmen aus der Krise herauskommen“. Außerdem bleibe abzuwarten, in welchem Rahmen die verschobenen Sportveranstaltungen im kommenden Jahr stattfinden, ergänzt ARD-Sprecherin Siegert.
Das ZDF-Werbefernsehen äußert sich auf Anfrage nicht, aus der ZDF-Unternehmenskommunikation heißt es von Rainer Stumpf: „Bei den Werbe- und Sponsoringerträgen wird von einem Rückgang der geplanten Werte ausgegangen.“ Und: „Stand heute wird für das restliche Jahr eine Normalisierung des Werbegeschäfts erwartet, allerdings sind die Werbebuchungen beim ZDF stark abhängig von der Branche. Abzuwarten bleibt vor allem wie sich der stationäre Handel entwickeln wird.“ Konkreter wurde ZDF-Intendant Thomas Bellut in einem Interview mit der FAZ Anfang Juli. Darin rechnete er für 2020 mit einem Werbeminus von 40 Millionen Euro.
Mehrkosten für Produktionsausfälle
Weitere Verluste auf der Einnahmenseite verzeichnet das ZDF bei den Ticketerlösen wegen des fast kompletten Wegfalls von Sendungen mit Publikum sowie bei den Kostenerstattungen und den Verwertungserlösen infolge der ausgefallenen Sportevents. Dagegen entstünden beim Programm erhebliche Mehrkosten infolge von Drehunterbrechungen und Drehverschiebung, so Stumpf. So hatten ARD und ZDF gleich zu Beginn der Corona-Krise angekündigt, die Hälfte jener Mehrkosten zu übernehmen, die den Produzenten öffentlich-rechtlicher Auftragsproduktionen durch Produktionsausfälle entstehen. Schließlich schlagen auch noch Kosten für Hygienemaßnahmen sowie für zusätzliche Infrastruktur zu Buche, „um verstärkt mobiles Arbeiten und Videokonferenzen zu ermöglichen“, so ARD-Sprecherin Siegert. In der FAZ bezifferte Bellut all diese Mehrkosten für das ZDF auf mindestens 50 Millionen Euro, die Summe könne aber noch um 30 Prozent höher ausfallen.
Einsparungen ergäben sich nach Angaben der Sender dagegen kaum. Die ausgefallenen Sportereignisse etwa führten laut ZDF zwar zu weniger Ausgaben in 2020, im kommenden Jahr dann aber zu entsprechenden Mehraufwendungen. Bei der ARD spricht man von „einigen Einsparungen für aufgeschobene oder ausgefallene Sendungen“, es seien an anderer Stelle im Programm aber auch Mehrkosten entstanden, zum Beispiel „durch die Produktion und Ausstrahlung zusätzlicher coronabedingter Sondersendungen“. Einsparpotenziale sehen beide bei entfallenden Reisekosten, das ZDF zudem bei der Absenkung der Mehrwertsteuer seit dem 1. Juli.
Die auch angesichts der immer noch ungewissen Höhe des künftigen Rundfunkbeitrags sich aufdrängende Frage nach geplanten Sparmaßnahmen erhält hingegen nur vage Antworten. Die bereits vor Corona eingeleiteten „umfangreichen Sparprozesse müssten in Folge der Covid-19-Pandemie unter Umständen intensiviert werden“, teilt Siegert für die ARD-Anstalten mit. Von Stumpf aus dem ZDF erfährt man: „Die coronabedingten Kostensteigerungen für aktuelle und zukünftige Produktionen gehen zu Lasten des Programmetats und führen zu einer geringeren Zahl zu beauftragender Neuproduktionen.“ ZDF-Intendant Bellut sagte zudem gegenüber der FAZ, dass beim Spitzenfußball in den kommenden vier Jahren 100 Millionen Euro eingespart werden sollen.
Zusätzlicher Stellenabbau beim NDR
Welche konkreten Züge das coronabedingte Sparprogramm bei den öffentlich-rechtlichen Sendern annehmen könnte, lässt ein Blick auf den NDR erahnen. Dessen Intendant Joachim Knuth hatte im Mai angekündigt, man müsse zusätzlich zu dem von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (KEF) bis 2024 festgelegten Sparvolumen von 260 Millionen Euro wegen Corona weitere 40 Millionen Euro einsparen. Nach Angaben von ver.di im NDR beinhalte dies den Abbau von mindestens 360 Stellen oder über 10 Prozent der Festbeschäftigten bis 2028. Vor allem dem Programm und damit den Freien, die es zu einem großen Teil produzieren, soll es an den Kragen gehen. Gestrichen werden sollen unter anderem die Sendungen „Zeitzeichen“, „Inselreportagen“ und „Echo des Tages“ sowie Formate und Festivals wie „stars@ndr2“. Veranstaltungen wie das „NDR Klassik Open Air“ fallen weg. Die Sommertouren der Landesfunkhäuser in Hamburg, Hannover, Schwerin und Kiel werden nicht mehr stattfinden. Das Medienmagazin „Zapp“ und das „Kulturjournal“ müssen Budgetkürzungen verkraften und sollen zunehmend ins Netz und die digitale Verbreitung verlagert werden. „Bei den Musikensembles werden Personalkosten reduziert und Strukturen verändert“, teilte der NDR mit. Konkret bedeute das, dass etwa beim NDR-Chor freiwerdende Stellen nicht im NDR neu besetzt werden, sondern bei einer eigens dafür gegründeten GmbH, sagte Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung, vor einigen Wochen anlässlich einer Protestaktion der NDR-Chorsänger*innen vor der Hamburger Elbphilharmonie. „In dieser GmbH werden nicht die gleichen Arbeits- und Tarifbedingungen herrschen, wie beim NDR. Vor allem aber sollen die neuen Sänger*innen nur noch zu 50 Prozent für den Chor arbeiten. Und sie sollen schneller zu kündigen sein. Damit haben wir ein Problem der sozialen Absicherung, denn bei Sänger*innen kann es vorkommen, dass die Stimmleistung vor Erreichen des Rentenalters nachlässt. Wir fürchten, dass der NDR sich hier aus der sozialen Verantwortung für seine Arbeitnehmer*innen ziehen will“, so Mertens.
Wie viel soziale Verantwortung auch die anderen öffentlich-rechtlichen Sender für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehmen, die während der Corona-Pandemie am Limit gearbeitet haben, wird sich spätestens im nächsten Jahr zeigen, wenn alle Unbekannten ermittelt sein dürften und die Glaskugel ausgedient hat.