Die MedienGalerie ist seit 25 Jahren ein Ort für politische Kunst
Das denkmalgeschützte Gebäude im Stil der Neuen Sachlichkeit in der Berliner Dudenstraße ist schon für sich ein Hingucker. Hinter den großen Frontscheiben im Erdgeschoss lädt seit nunmehr 25 Jahren die deutschlandweit einmalige ver.di-MedienGalerie zu spannenden Ausstellungsbesuchen ein. Ganzjährig werden wechselnde Schauen gezeigt, so dass man im Jubiläumsjahr auf fast 150 Ausstellungen zurückblicken kann – eine stolze Leistung angesichts des durchgehenden Prinzips der Ehrenamtlichkeit.
Gegründet 1995 als Kind der IG Medien, gingen das Haus und die MedienGalerie 2001 in den Besitz des ver.di-Landesbezirks Berlin-Brandenburg über. Die Themen lehnen sich an die gewerkschaftliche Arbeit des „ver.di-Fachbereichs 8 Medien, Kunst und Industrie“ an oder behandeln aktuelle und historische politische Stoffe. Wiederkehrende Schwerpunkte sind Internationales, Antifaschismus und Erwerbslosigkeit.
BildSprache für eine bessere Welt
Eigentlich sollte die Jubiläumsausstellung „ZeichenSetzen – BildSprache für eine bessere Welt“ schon ab Mai 2020 gezeigt werden, gestaltet von den „AnStiftern“ Peter Grohmann und Jochen Stankowski. Coronabedingt kam alles anders, die MedienGalerie musste fast vier Monate schließen. So startete die Ausstellung erst am 3. September – leider ohne feierliche Eröffnung. Einen direkten Bezug zum 25. Geburtstag gibt es nicht. „Die interkulturelle Initiative ,Die AnStifter‘ aus Stuttgart besteht ebenfalls seit 25 Jahren und das Anliegen, Zeichen zu setzen, ist uns gemeinsam“, sagt Constanze Lindemann, Historikerin, Druckerin und Mitstreiterin der ersten Stunde.
Das Gebäude entstand Mitte der 1920er Jahre als Verbandshaus der Deutschen Buchdrucker nach einem Entwurf von Max Taut. Am 2. Mai 1933 wurde auch das Gewerkschaftshaus in der Berliner Dudenstraße von den Nazis besetzt und das Vermögen des Buchdruckerverbandes beschlagnahmt. Nach dem Krieg übernahm die neugegründete IG Druck und Papier das Haus. Im April 1989 entstand durch den Zusammenschluss mit der Gewerkschaft Kunst die IG Medien. „Die MedienGalerie ist ein originäres Projekt der IG Medien. Sie geht zurück auf einen Antrag, den der Verband der Schriftsteller in der IG Medien 1992 stellte“, so Lindemann.
„In den Kunst- und Künstlerfachgruppen der IG Medien träumte man von einem öffentlichen Raum, um sich präsentieren zu können“, erinnert sich Andreas Kühn, nach dem Mauerfall Gewerkschaftssekretär Kunst im Landesbezirk der IG Medien. „Ich habe also ein Konzept zur Vorlage beim Vorstand verfasst.“ Mit dem Namen „Medien-Galerie“ – der Bindestrich fiel später weg – habe er ausdrücken wollen, dass es um den künstlerisch-politischen Anspruch, um die kulturpolitischen Inhalte der IG Medien ging. Nachdem die Verwaltung des Landesbezirks Berlin-Brandenburg in den 1. Stock gezogen war, konnte 1995 die Galerie im Erdgeschoss eingerichtet werden.
Anfangs galt das strenge Prinzip „Keine Einzelausstellungen“. Nicht einzelne Künstler*innen sollten sich profilieren, sondern man wollte dem gewerkschaftspolitischen Anspruch entsprechend eine Öffentlichkeit über den sozialen und politischen Status des Künstlers herstellen, so Kühn. „Neben Kunstwerken wollten wir auch Dokumentationen zeigen. Unsere Intention war eine Mischung aus Kunstwerken und politischer Aufklärung, ganz in gewerkschaftlicher Tradition war uns auch die Bildung wichtig.“ Ein Galerierat wurde installiert, später ein Förderverein gegründet. Die Mitglieder des Galerierats sind ehrenamtlich tätig und dem Landesfachbereichsvorstand rechenschaftspflichtig. Das aktuell sechsköpfige Gremium trifft sich alle vier bis sechs Wochen, plant und organisiert in der Regel sechs Ausstellungen im Jahr.
Historisches Eröffnungsdatum
Für den ersten Aufschlag wählten die Initiator*innen gezielt ein historisches Datum. Bezogen auf das stadtweite Bündnis „Nie wieder“ öffnete die MedienGalerie am 2. Mai 1995, dem 50. Jahrestag der Befreiung Berlins, ihre Pforten. Gezeigt wurde die Ausstellung „verbrannt – befreit – verhüllt. Der Reichstagsbrand und das neue Deutschland“.
Vor allem die Kulturfachgruppen tragen die Galerie: So nutzt die Bildende Kunst die Räume kontinuierlich, der VS veranstaltet Lesungen, die Fachgruppe Musik ist ab und zu vor Ort. Noch in diesem Jahr kommt eine Ausstellung der FG Bildende Kunst mit dem vielversprechenden Titel „Lock Down“. Aber auch andere Fachbereiche, andere Gewerkschaften oder nicht-gewerkschaftliche Initiativen treten an den Galerierat mit Veranstaltungsideen heran, teilweise mit fertigen Ausstellungen im Gepäck. Wenn die thematische und politische Ausrichtung grundsätzlich stimmt, geht der Galerierat gern auf solche Angebote ein.
Die Malerin Barbara Salome Trost ist in der ver.di-Fachgruppe Bildende Kunst aktiv. Gern gestaltet sie in der MedienGalerie Ausstellungen, stellt auch eigene Werke aus. „2007 habe ich in der MedienGalerie meine erste Ausstellung ,Wasseransichten‘ organisiert. Sie entstand aus meiner Zusammenarbeit mit Elisabeth Mann Borgese, der jüngsten Tochter von Thomas Mann. Wasser ist mein Thema als Malerin, ein sehr politisches, das auf der ganzen Welt immer mehr an Brisanz gewinnt“, erläutert Trost.
Manchmal konzipiert der Galerierat selbst eine Ausstellung. „Wir einigen uns auf ein Thema, recherchieren es und gehen an die Umsetzung. Das ist aufwändig und herausfordernd. Dennoch planen wir für nächstes Jahr ein Projekt zum Thema Gesundheit“, so Lindemann. „Wir holen uns meist Partner mit ins Boot, in diesem Fall den ver.di-Fachbereich Gesundheit.“
Aus wenig viel machen
Das Budget der Galerie ist schmal: Ganze 5.000 Euro bewilligt der Landesfachbereich im Jahr. „Das ist nicht viel, aber irgendwie kriegen wir es hin“, so Lindemann. Kosten entstehen beispielsweise für Bilderrahmen, Drucke und Transporte sowie für den Versand der Einladungskarten. Und wenn die Fachgruppe Bildende Kunst ausstellt, zahlt der Fachbereich ein bescheidenes Künstlerhonorar. Für die Übernahme fertiger Ausstellungen wird teilweise eine Leihgebühr fällig. „Einnahmen generieren wir nicht, Spenden sind daher willkommen.“ Sie selbst sei für das Haus und die MedienGalerie fast so etwas wie die Concierge: weil sie von Anfang an dabei ist und sich dem Haus sehr verbunden fühlt. „Viele organisatorische Dinge laufen über mich. Aber ich mache das gern, Berufliches und Persönliches verzahnen sich dabei. Es ist sehr befriedigend, gemeinsam eine künstlerisch und kulturell wichtige Arbeit zu leisten – in diesem einzigartigen Haus.“
Die MedienGalerie wollte in den 25 Jahren ein kulturelles, informatives Begegnungszentrum sein, ein Freiraum jenseits von Tarifverhandlungen und unmittelbaren betrieblichen Belangen. Zum Teil sei das gelungen, so Lindemann: „Andere gewerkschaftliche Gruppen oder Organisationen wie das Komitee Ravensbrück führen hier Versammlungen durch. Aber die gewerkschaftlichen Perspektivdiskussionen hätten in der letzten Zeit intensiver sein können.“ Sie fände es schön, wenn die MedienGalerie wieder ein Ort sein würde, von dem vermehrt gesellschaftspolitische Impulse ausgehen, das sei – auch im Hinblick auf die harten Auseinandersetzungen mit den Neonazis – wichtiger denn je.
In Zukunft digitaler
Im Förderverein gab es Gespräche zur Weiterentwicklung der MedienGalerie, die sich im 21. Jahrhundert etablieren und nicht nur rückwärtswenden soll. „Welche Chancen haben wir im zusammengewürfelten ver.di-Fachbereich A“, orakelt Lindemann. Um das auszuloten, will der Galerierat Verantwortliche aus allen A-Bereichen einladen und ihnen die Galerie nahebringen. „Wir möchten, dass die MedienGalerie erhalten und weiter finanziert wird.“
In Zukunft sollen digitale Medien stärker in den Fokus rücken, Ausstellungen öfter im Netz präsent sein. Der videoaffine Andreas Kühn hat etwa über die letzte Ausstellung „SHEROES – Ikonen des zivilen Ungehorsams“ einen Film gedreht, der auf YouTube mehr als 1200 Mal geklickt wurde. In diese Richtung soll es vermehrt gehen. „Mit dem Übergang ins digitale Zeitalter wollen wir auch Jüngere ansprechen, Nachwuchs für die MedienGalerie werben“, so Lindemann. Großes Lob kommt von der Künstlerin Trost: „Die MedienGalerie ist einer der letzten Orte, der wirklich offen für Begegnungen ist. Wir haben damit in Berlin einen wunderbaren Ort, an dem Menschen zusammenkommen, der nicht abgehoben, sondern bodenständig geblieben ist. Den muss man schützen und erhalten, weil er ein Juwel ist innerhalb Deutschlands und innerhalb von ver.di. Ein Statement für die Kunst“.
Info
ver.di MedienGalerie
Dudenstraße 10
10965 Berlin Kreuzberg
Telefon (030) 88 66 54 02
U-Bhf Platz der Luftbrücke Bus 104
Öffnungszeiten:
Dienstags 14 – 19 Uhr
Donnerstags 14 – 19 Uhr