Warnung vor den Digitalisten
Die Musik von morgen gibt’s bereits heute, wo? Natürlich im Internet. Den neuen Partner? Nur ein paar Klicks weiter. Schuhe, Kleinwagen, Zukunftsperspektiven, der Sinn des Lebens – wartet alles schon im World Wide Web. Fertig zum Download. In „Klick – Strategien gegen die digitale Verdummung“ geht Zeit-Redakteurin Susanne Gaschke diesen „Heilsversprechen“ der „Propheten der Netzwelt“ auf den Grund und kommt zum Schluss, dass die „schöne neue Welt“, von der die „Google“-Gründer und Netzwerkbetreiber träumen, keineswegs für alle schön sein muss.
Nein, sie möchte nicht aussteigen und sich in „kleine Blockhütten im Wald“ zurückziehen, kontert Gaschke schon im Vorfeld den absehbaren Vorwurf der „Fortschrittfeindlichkeit“.
Aber ebenso wenig mag die Autorin das ideologische Denkverbot akzeptieren, mit dem der öffentliche Diskurs von denjenigen belegt wird, die sie als „Digitalisten“ bezeichnet. Schließlich geht es ihr nicht darum, eine Technologie zu brandmarken, die sich moralischen Kategorien entzieht. Sondern auf die Gefahren hinzuweisen, die entstehen, wenn sich eine ganze Gesellschaft kritik- und gedankenlos in die Hände derjenigen begibt, die über diese Technologie bestimmen, um von ihr zu profitieren.
Als politische Journalistin warnt die Gattin des SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels vor mangelndem Urheber- und fehlendem Datenschutz im Internet und prangert die neoliberale Geisteshaltung der „Digitalisten“ an, die billigend in Kauf nähmen, dass fundierter, sorgfältig recherchierter und kritischer Printjournalismus zunehmend durch seichte, pseudojournalistische, interaktive Onlineplattformen ausgehebelt werde, die ihre Beiträge zu einem großen Teil von unqualifizierten und unbezahlten Usern bezögen. Als Humanistin befürchtet sie den Verfall der Schriftkultur, die soziale Infantilisierung und letztlich den Verlust der Wertegemeinschaft, wenn hierarchische Wertemuster einem pubertär beliebigen Ausprobieren im Hypertext weichen müssen. Und nicht zuletzt sieht sie die Entwicklung der Kinder dadurch bedroht, dass das Lesen zugunsten der „neuen Medien“ vernachlässigt werde. Besonders ärgert sie sich über Computerfirmen wie „Microsoft“, die in Kindergärten investieren, um so früh wie möglich neue Kunden an sich zu binden.
Anders als der irreführende Untertitel vermuten lässt, stellt „Klick“ keinen Internetratgeber dar. Vielmehr holt Gaschke in ihrem Buch zu einem zornigen Rundumschlag gegen die digitale Kultur aus, der oftmals einer empirischen, wissenschaftlichen Basis entbehrt. Vor allem ihre medienkulturellen Dünkel gegenüber einem oberflächlich konsumierenden Computernutzer erinnern bisweilen an das in der kognitiven Medienforschung längst relativierte Vorurteil vom „passiven“ Fernsehzuschauer. Die engagierte Streitschrift verwandelt sich so mitunter in eine gehässige Polemik, die keinerlei Rücksichten auf geltende Mehrheitsmeinungen und das aufgeklärte „comme il faut“ nimmt. Unterm Strich ist gerade das überaus erfrischend.