Sechs Jahre Haft für Anwältin Eren Keskin     

Demonstration von Amnesty International am 9. April 2019 vor dem Brandenburger Tor für die türkische Menschenrechtlerin Eren Keskin und die Pressefreiheit in der Türkei Foto: Amnesty International/Henning Schacht

Die bekannte Menschenrechtsanwältin Eren Keskin ist heute im Hauptverfahren gegen die Zeitung „Özgür Gündem“ von einem Gericht in Istanbul zu sechs Jahren und drei Monaten Haft wegen der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ verurteilt worden. Amnesty International kritisiert das politisch motivierte Urteil und bezeichnet die Vorwürfe als „absurd“. Die Zermürbungstaktik der türkischen Justiz im Prozess gegen die Journalistin Mesale Tolu wegen Terrorvorwürfen fand am 11. Februar seine Fortsetzung. Der Prozess wurde erneut um mehrere Monate vertagt.

Aus Solidarität mit der kurdischen Zeitung, die immer wieder behördlichen Repressionen ausgesetzt war und nach dem Putschversuch 2016 verboten wurde, hatte Eren Keskin zeitweise symbolisch den Posten der Chefredakteurin der „Özgür Gündem“ übernommen. Dieses Urteil sei ein deutliches Signal der anhaltenden katastrophalen Menschenrechtslage in der Türkei, erklärte Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. „Hier soll eine unerschrockene Stimme im Einsatz für die Menschenrechte durch willkürliche juristische Schikanen zum Schweigen gebracht werden. Die türkische Justiz ist hier erneut zum politischen Werkzeug geworden, mit dem die Regierung gegen die unabhängige Zivilgesellschaft vorgeht. Amnesty International fordert ein Ende der Repressionen gegen Eren Keskin und die vielen Menschen, die in der Türkei allein wegen ihres Einsatzes für die Rechte und Freiheiten anderer verfolgt werden.“ EU und Bundesregierung sollten gegenüber der türkischen Regierung „beharrlich und unmissverständlich“ auf die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention drängen, betonte N. Beeko.

Amnesty International setzt sich im Rahmen der Kampagne „Mut Braucht Schutz“ für die seit Jahren verfolgte Menschenrechtlerin ein. Es wurden über 140 Strafverfahren gegen sie eröffnet. Sie wurde bereits zu hohen Geldstrafen und erstinstanzlich zu langen Haftstrafen verurteilt – mit dem heutigen Urteil auf insgesamt 24 Jahre. Über 55.000 Appelle wurden bereits über eine Onlineaktion von Amnesty International an den türkischen Justizminister geschickt, die ein Ende der juristischen Schikanen gegen Eren Keskin fordern.

Prozess gegen die Journalistin Mesale Tolu erneut vertagt

Der Prozess gegen die deutsche Journalistin Mesale Tolu wegen Terrorvorwürfen in der Türkei ist am 11. Februar ein weiteres Mal bis zum 16. September vertagt worden. Während Tolu und ihr Mann bereits 2018 und 2019 nach Deutschland zurückkehren konnten, wird die Ausreisesperre gegen Tolus Mitangeklagte weiter aufrechterhalten. Sollte der Staatsanwalt bis September sein Plädoyer fertig stellen, könne möglicherweise ein Urteil fallen, sagte Tolus Anwalt, Keles Öztürk, gegenüber dpa.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Ehepaar und einer Gruppe weiterer Angeklagter unter anderem Mitgliedschaft in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei MLKP vor, die in der Türkei als Terrororganisation gilt. Dazu kommen Vorwürfe wegen Propaganda. Insgesamt drohten ihr 35 Jahre Haft, so Öztürk.

Auch gegen den „Welt“-Reporter Deniz Yücel laufen weitere Ermittlungen in der Türkei. Er durfte zwar nach Deutschland ausreisen, war aber im Juli 2020 wegen Terrorpropaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt worden. Ein Prozess wegen Beamtenbeleidigung gegen ihn soll am 9. September fortgesetzt werden.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Filmschaffende kriegen künftig mehr

In der achten Tarifverhandlungsrunde für die rund 25.000 Filmschaffenden haben sich die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Schauspielgewerkschaft BFFS und die Produktionsallianz auf Eckpunkte einer vorläufigen Tarifeinigung verständigt. Doch nicht alle Verhandlungsthemen konnten geklärt werden. Die Frage nach der Regelung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Film wurde verschoben.
mehr »

Wie ethisch kann KI berichten?

Ein ethischer Kompass ist angesichts zunehmender Desinformation immer wichtiger – für Journalist*innen, aber auch Mediennutzende. Positivbeispiele einer wertebewussten Berichterstattung wurden jüngst zum 20. Mal mit dem Medienethik Award, kurz META, ausgezeichnet. Eine Jury aus Studierenden der Stuttgarter Hochschule der Medien HdM vergab den Preis diesmal für zwei Beiträge zum Thema „Roboter“: Ein Radiostück zu Maschinen und Empathie und einen Fernsehfilm zu KI im Krieg.
mehr »

VR-Formate im Dokumentarfilm

Mit klassischen Dokumentationen ein junges Publikum zu erreichen, das ist nicht einfach. Mit welchen Ideen es aber dennoch gelingen kann, das stand auf der Sunny Side of the Doc in La Rochelle im Fokus. Beim internationalen Treffen der Dokumentarfilmbranche ging es diesmal auch um neue Erzählformen des Genres wie Virtual Reality (VR).
mehr »

Erneute Streiks bei NDR, WDR, BR, SWR 

Voraussichtlich bis Freitag werden Streiks in mehreren ARD-Sendern zu Programmänderungen, Ausfällen und einem deutlich veränderten Erscheinungsbild von Radio- und TV-Sendungen auch im Ersten Programm führen. Der Grund für den erneuten Streik bei den großen ARD-Rundfunkanstalten ist ein bereits im siebten Monat nach Ende des vorhergehenden Tarifabschlusses immer noch andauernder Tarifkonflikt.
mehr »