Als völlig geschichtsvergessen bezeichnet die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di Hessen den Aufruf aus dem Umfeld der sogenannten Querdenker, am Sonntag in Frankfurt am Main gegen die „gleichgeschalteten Medien“ zu demonstrieren. Von der Polizei werde erwartet, dass sie Journalist*innen vor Übergriffen schützt, betonen auch die öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse.
„Eine Gleichschaltung der Presse, des Rundfunks und des gesamten öffentlichen Lebens ist ein Kennzeichen von Diktaturen, insbesondere der nationalsozialistischen Terrorherrschaft in Deutschland bis 1945“, sagt Manfred Moos von ver.di Hessen. „Davon sind wir zum Glück weit entfernt“. Gerade aus der Erfahrung der Nazi-Diktatur sei nach dem Krieg in der Bundesrepublik der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen dezentralen Strukturen und einem klaren gesetzlichen Auftrag zur unabhängigen Berichterstattung entstanden. „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist deshalb kein Regierungsfunk, sondern Sache der Allgemeinheit. Im Gesetz über den Hessischen Rundfunk ist dies verbindlich geregelt“, unterstreicht Moos. Die Unterstellung einer systematischen Gleichschaltung und politischen Steuerung und Zensur sei nicht nur falsch, sondern gefährde das Vertrauen in alle Medien.
In der dju sowie beim ver.di-Senderband Hessischer Rundfunk seien Journalistinnen und Journalisten aus allen Mediengattungen organisiert. Sie machten ihre Arbeit in den Redaktionen der Printmedien, der Rundfunk- und Onlinemedien selbstbewusst nach professionellen Standards. Der Vorwurf, sie würden nicht wahrheitsgemäß berichten, wie in dem Aufruf zur Demonstration unterstellt wird, gehe an der Wahrheit und an der Realität vorbei und diffamiere die Arbeit aller Journalistinnen und Journalisten, heißt es in einer ver.di-Pressemitteilung.
„Wir stehen hinter unseren Kolleginnen und Kollegen und hoffen, dass es nicht wie bei ähnlichen Veranstaltungen in Kassel und Stuttgart zu tätlichen Angriffen auf Medienvertreter*innen durch ‚Querdenker‘ kommt“, erklärt Manfred Moos. Wer zu Gewalt gegen Medienvertreter*innen greife, habe sich offenkundig aus dem Rechtsstaat verabschiedet. Die dju erwarte deshalb, dass die Polizei ihrem Auftrag nachkomme und am 11. April Journalistinnen und Journalisten, Fotograf*innen und Kameraleute vor Übergriffen schütze.
Steinwürfe sind kein Berufsrisiko
Auch die Redakteure öffentlich-rechtlicher Sender haben Sicherheitsbehörden und Politik aufgefordert, Reporter auf Demonstrationen besser zu schützen. „Die Aggression und auch die Zahl der Übergriffe auf Reporterteams bei Demonstrationen und anderen Einsätzen steigen“, erklärte die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse (Agra) gestern. „Das können wir nicht weiter hinnehmen. Jeder Übergriff ist auch ein Angriff auf die Presse- und Rundfunkfreiheit.“
In einem Brief an die Innen- und Justizministerien von Bund und Ländern äußerten die Redakteur*innen Sorge um die Sicherheit von Kolleginnen und Kollegen auf Demonstrationen. Journalisten würden massiv beschimpft und bedrängt sowie teilweise körperlich angegriffen und verletzt, heißt es in dem Schreiben. Einige Reportage-Teams könnten schon länger ihre Arbeit nur unter dem Schutz privater Sicherheitsfirmen verrichten. Zuletzt seien Reporter während einer Live-Fernseh-Schalte in Stuttgart mit Steinen beworfen worden. „Das können und wollen wir nicht als mögliches Berufsrisiko hinnehmen“, erklärten die Agra-Vertreter.
Die öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse sind aus gewählten Vertretern der Redakteur*innen der Sender ARD, ZDF, Deutschlandradio und Deutsche Welle gebildet. Sie setzen sich für die innere und äußere Pressefreiheit ein.