Als „mutlose Reform und Kapitulation vor dem Lobbydruck von Großverlagen und Internet-Plattformen“ hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) das heute vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinien zum Urheberrecht bezeichnet. Bei der lange umstrittenen Reform ging es darum, Urheberregelungen für die Nutzung im Internet anzupassen. Dabei sei die Chance verpasst worden, sie zugunsten professionell Kreativschaffender zu verändern, kritisiert ver.di.
Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD hat der Bundestag am 20. Mai 2021 – gerade noch rechtzeitig vor dem Ende der Frist am 7. Juni – das Gesetz zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie beschlossen. Gegen den Entwurf in der Fassung des Rechtsausschusses stimmten die Fraktionen von AfD, FDP und Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Das Gesetzespaket setzt zwei europäische Richtlinien um, die über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt sowie die sogenannte Online-SatCab-Richtlinie zur grenzüberschreitenden Verwertung von Rundfunkprogrammen.
Hauptkonflikt: Haftungsfragen für Plattformen
Einer der Hauptkonfliktpunkte war die Haftung für Plattformen wie YouTube und Facebook, auf die Nutzer Inhalte hochladen, im neuen Urheberrechts-Dienste-Anbieter-Gesetz (UrhDaG), also die Umsetzung des umstrittenen Artikels 17 der EU-Richtlinie (früher: Artikel 13). Dabei bemühte sich der im Februar beschlossene Kabinettsentwurf darum, Upload-Filter weitgehend zu vermeiden und eine Lizenzierung zugunsten der Urheber*innen und ausübenden Künstler*innen zu erleichtern.
Um ein „Overblocking“ zu verhindern, fanden sich mehrere Maßnahmen im Gesetzentwurf, darunter eine besonders umstrittene „Bagatellregelung“, nach der bis zu 15 Sekunden Film oder Ton, 160 Zeichen Text und 125 Kilobyte einer Foto- oder Grafikdatei als Grenzen einer geringfügigen Nutzung zu nicht kommerziellen Zwecken erlaubt sind. Gegen diese „Bagatellklausel“ hatten Urheber- und Künstler*innenverbände massiv protestiert.
Die Klausel erstreckt sich darüber hinaus auf nutzergenerierte Inhalte, die weniger als die Hälfte eines Werkes von Dritten enthalten, und die grundsätzlich zulässige Auszüge zu den Zwecken von Zitat, Karikatur, Parodie und Pastiche „mit anderem Inhalt kombinieren“. Die Inanspruchnahme dieser Nutzerrechte sollte nach dem Willen der Regierung für die Plattformbetreiber erstmals vergütungspflichtig werden.
Die Koalitionsfraktionen haben in ihren Verhandlungen nun diese Vergütungspflicht auf gesetzlich erlaubte Nutzungen von Karikaturen, Parodien und Pastiches eingeschränkt. Zitate oder die Veröffentlichung von Bildern, die unter die Panoramafreiheit fallen, bleiben so auch beim Verbreiten über Upload-Plattformen vergütungsfrei. Außerdem gilt diese Klausel nun nicht mehr für Live-Übertragungen etwa von Sportveranstaltungen.
Leistungsschutzrecht festgeschrieben
Weitere wichtige Punkte der Urheberrechtsreform betreffen ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger, nachdem das bisherige sich als europarechtswidrig herausgestellt hatte, sowie die Verlegerbeteiligung an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften. Dabei wurde festgeschrieben, dass die Urheber*innen an den Einnahmen aus dem Leistungsschutzrecht mit mindestens einem Drittel und an den Ausschüttungen mit mindestens zwei Dritteln zu beteiligen sind.
Neue Regelungen gibt es auch zu Text- und Data-Mining. Die Regierungsparteien sind außerdem dem Vorschlag des Bundesrats gefolgt, die gesetzlich erlaubten Nutzungen für Unterricht und Lehre, für die wissenschaftliche Forschung sowie durch Kulturerbe-Einrichtungen vollständig zu entfristen.
Auch zum Urhebervertragsrecht gibt es einige neue Regelungen. So wurde auf Drängen der SPD noch in letzter Minute der Auskunftsanspruch der Urheber*innen und Künstler*innen über die erfolgten Nutzungen durch die Verwerter verbessert. Nicht durchsetzen konnte sich die SPD hingegen beim – auch von ver.di geforderten – Verbandsklagerecht.
„Unterlassene Hilfeleistung“
Die Regierungskoalition setze mit diesem Gesetz „Verlage und Plattformen an die Festtafel mit Content und Werbung. Menschen, die die Inhalte schaffen, müssen mit dem Vorlieb nehmen, was vom Tisch herunterfällt“, bewertet ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz die Reform. „Einzig der Beschluss, Streitfragen und Unklarheiten hinsichtlich der Haftung auf großen Plattformen als Gesetzgeber zu klären und nicht jahrelangen Gerichtsverfahren zu überantworten, ist richtig und schafft Klarheit für Rechteinhaber, Verbraucherinnen und Verbraucher“, so Schmitz weiter. Ansonsten unterstütze das Gesetz die Taktik vieler Verwerter, Geld nicht für die Zahlung angemessener Vergütungen, sondern für Anwältinnen und Anwälte als Abwehr- und Einschüchterungsmethode einzusetzen.
Die dringend notwendige Durchsetzbarkeit geltenden Rechts durch Gewerkschaften mit einem Verbandsklagerecht immer noch zu verweigern, könne man nur als „unterlassene Hilfeleistung“ bewerten, so ver.di. Auch die Mitglieder des Bundestages wüssten, dass die meisten Urheber*innen und ausübenden Künstler*innen aus Sorge um die eigene berufliche Zukunft davor zurückschrecken, bestehende Ansprüche individuell einzufordern. Auch Urheberrechte wie die Auskunftsplicht in letzter Minute zusätzlich unter einen „Verhältnismäßigkeitsvorbehalt“ zu stellen, sei ein Affront gegen die Kreativschaffenden und ihre Gewerkschaft. „Die Auskunftspflicht gegenüber den Urheberinnen mit der Schutzbehauptung einer Unverhältnismäßigkeit zu torpedieren und auf zeit- und finanzraubende Rechtsverfahren hin zu kanalisieren, entspricht dem taktischen Kalkül der Verwerter, dem die Bundesregierung wieder einmal nachgegeben hat“, sagte Schmitz.
ver.di vertritt in Deutschland rund 45.000 hauptberufliche Urheberinnen und Urheber sowie ausübende Künstlerinnen und Künstler und ist damit die mitgliederstärkste Organisation in diesem Bereich.
Zur Reform des Urhebervertragsrechtes siehe auch der aktuelle Kommentar von Valentin Döring: Für mehr fehlt Mut
Aktualisierung am 28.5. 2021
Bundesrat verabschiedet Reform des Urheberrrechts
Nach dem Bundestag hat am 28. Mai in Berlin auch der Bundesrat die „Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ beschlossen. Mit dieser Reform des Urheberrechts wurde in Deutschland die vorgegebenene EU-Richtlinie kurz vor Fristaublauf am 7. Juni umgesetzt. wen