Im Wettbewerb

Nachrichtenagenturen – Überblick über den deutschen Markt

Der deutsche Agenturmarkt gilt als der am härtesten umkämpfte weltweit. Das ist teils eine Spätfolge der Besatzungszeit, liegt aber auch an der Rolle Deutschlands als dicht besetzter Zeitungsmarkt.

Gleich fünf Komplettanbieter mit umfassenden deutschsprachigen Diensten wetteifern in Deutschland um die Gunst der Medien. Neben Platzhirsch dpa gibt es als zweite deutsche Agentur den Deutschen Depeschendienst (ddp) sowie die deutschen Tochterunternehmen der drei großen internationalen Agenturen Associated Press (AP), Agence France Press (AFP) und Thomson Reuters. Daneben tummeln sich die beiden kirchlichen Unternehmen Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) und Evangelischer Pressedienst (epd) sowie diverse themenspezifische Dienstleister wie etwa der Sport-Informationsdienst (sid) und die Vereinigten Wirtschaftsdienste (VWD). Eine weltweit einzigartige Konkurrenzsituation, die bislang das Geschäft durchaus belebte.
Marktführer dpa ist eine GmbH und gehört den deutschen Medien. Hauptprodukte sind der „Basisdienst“ mit täglich rund 800 Meldungen aus aller Welt, ergänzt um Landesdienste aus acht Landesbüros sowie den Bildfunk mit täglich etwa 350 Bildern als drittes Standbein. Nach der letzten Vollerhebung aus dem Jahre 2006 (Christian Resing: Nachrichtenagenturen – Dienstleister für die Zeitungen. In: BDZV-Jahrbuch: Zeitungen 2006) belieferte dpa vor drei Jahren 132 der insgesamt 138 „publizistischen Einheiten“ (= Vollredaktionen) den dpa-Basisdienst. Dpa-Meldungen fanden sich demnach in fast 96 Prozent der gesamten Tageszeitungsauflage von 21 Millionen Exemplaren. Nach dem Ausstieg von vier Blättern der WAZ-Gruppe aus dem dpa-Vertrag muss dieser Wert nach unten korrigiert werden. Dennoch bleibt dpa mit großem Abstand der Erstanbieter.
Die deutsche Associated Press mit Zentralen in Frankfurt/Main und Berlin umfasst täglich etwa 250 Meldungen. Der AP-Basisdienst besteht zu rund 40 Prozent aus übersetzten und bearbeiteten Übernahmen aus dem AP-Weltnachrichtengebot und zu 60 Prozent aus nationalen (= deutschen) Nachrichten. Daneben erscheint ein europäisch focussierter „European News Wire“ mit rund 500 Meldungen täglich. Der AP-Bilderdienst für die deutschen Medienkunden umfasst rund 200 internationale und in Deutschland produzierte Bilder pro Tag. Zugleich vermarktet AP an interessierte TV-Sender den Videodienst APTN. Laut BDZV-Jahrbuch belieferte AP im Jahr 2006 knapp die Hälfte aller 138 publizistischen Einheiten, erreichte damit aber zwei Drittel der gesamten Zeitungsauflage.
AP gehört den US-Zeitungsverlegern, ähnelt also in seiner Eigentümerstruktur der dpa. Anders als bei der dpa sind die US-Eigentümer – genannt „Members“ verpflichtet, die AP-Nachrichtenproduktion abzunehmen und zu bezahlen. Wenn sie die Nachrichten nicht mehr nutzen wollen, müssen sie auch ihre Mitgliedschaft bei AP aufgeben. Im Gefolge der US-Zeitungskrise haben tatsächlich einige US-Regionalblätter im vergangenen Jahr ihre Verträge mit AP gekündigt. Für 2009 wurde der Abbau von etwa zehn Prozent der weltweit 4.100 AP-Stellen angekündigt.
Der deutsche Inlandsdienst von Reuters kombiniert seit 1971 die wichtigsten deutschen Nachrichten mit dem Weltnachrichtendienst in deutscher Sprache. Der Dienst umfasst täglich 300 bis 400 Meldungen aus Politik, Wirtschaft und Vermischtes, wobei die Agentur vor allem wegen ihrer profunden Wirtschaftsberichterstattung geschätzt wird. Der deutsche Reuters Bilderdienst verbreitet täglich an die 200 Fotos aus aller Welt. Bislang wurde die Unabhängigkeit der Berichterstattung auch dadurch gewährleistet, dass kein Aktionär des börsennotierten Unternehmens mehr als 15 Prozent der Anteile besitzen darf. Nach der Vereinigung mit dem kanadischen Informationsdienstleister Thomson heißt der Konzern seit April 2008 Thomson Reuter, wobei Thomson 53 Prozent der Anteile kontrolliert.
Zu den Aufsteigern auf dem deutschen Markt gehört in jüngerer Zeit vor allem Agence France Presse. Der deutschen Tochter gelang es in den letzten zehn Jahren, die Zahl ihrer Zeitungskunden beim Basisdienst glatt zu verdoppeln. Sie profitiert vor allem von ihrem attraktiven Informationsmix aus Text, Bild und Grafik und verfolgt eine aggressive Preispolitik. Umstritten ist AFP wegen ihrer Gesellschaftskonstruktion, die entfernt an den öffentlich-rechtlichen Status deutscher Rundfunkanstalten erinnert. Der Vorstand besteht aus zehn Medienvertretern, drei Vertretern der französischen Regierung und drei Belegschaftsvertretern. Wettbewerber monieren eine starke Abhängigkeit vom Staat. Etwa 38 bis 40 Prozent der AFP-Einnahmen stammen aus Abos staatlicher Einrichtungen – für Konkurrenten auf dem deutschen Markt, allen voran dpa, eine klare Wettbewerbsverzerrung. Der deutsche AFP-Textdienst bietet täglich rund 200 Meldungen aus dem In- und Ausland. Wie AP kann auch die AFP über den Mutterdienst auf ein weltweites Korrespondentennetz zurückgreifen. Laut eigener Homepage verfügt sie über Mitarbeiter in 165 Ländern.
Einiges erlebt haben die Mitarbeiter der Deutschen Depeschendienst GmbH. Gegründet 1971, gehörte ddp unter anderem zum Imperium des späteren Pleitiers Leo Kirch, zur Sendergruppe ProSiebenSat.1 und seit 2004 zur Beteiligungsgesellschaft Arques. 1992 übernahm der ddp ADN, die ehemalige staatliche Nachrichtenagentur der DDR. Jüngstes Kapitel in der bewegten Geschichte der Agentur ist die Übernahme durch die früheren Arques-Vorstände Peter Löw und Martin Vorderwülbecke im Januar 2009. Früher als andere Agenturen ging ddp zum Modul-Prinzip über und bot seinen Kunden passgerechte Pakete an. Eine Verpflichtung zum Abo des kompletten Basisdienstes besteht nicht. ddp versteht sich als Mediendienstleister und produziert druckfertige Ganzseiten für Tageszeitungen sowie Content für Webseiten. Als einzige Agentur neben dpa verfügt ddp über ein bundesweites Netz von Landesdiensten. Das macht ddp – in Kombination mit dem Modulprinzip – attraktiv als Komplementäragentur. Mit seinem Diensteangebot erreicht er heute rund 80 Prozent der deutschen Tageszeitungsauflage.

Die 5 größten Nachrichtenagenturen in Deutschland 2007/08

Bezieher Print in % Gesamtauflage Umsatz
(in Mio. Euro
Beschäftigte
dpa 132 95 93,8 811
AFP 76 65 6,8 62
AP 65 63 12,6 120
Thomson/Reuter 65 7,0 140
ddp 75 12,0 147

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

VR-Formate im Dokumentarfilm

Mit klassischen Dokumentationen ein junges Publikum zu erreichen, das ist nicht einfach. Mit welchen Ideen es aber dennoch gelingen kann, das stand auf der Sunny Side of the Doc in La Rochelle im Fokus. Beim internationalen Treffen der Dokumentarfilmbranche ging es diesmal auch um neue Erzählformen des Genres wie Virtual Reality (VR).
mehr »

Erneute Streiks bei NDR, WDR, BR, SWR 

Voraussichtlich bis Freitag werden Streiks in mehreren ARD-Sendern zu Programmänderungen, Ausfällen und einem deutlich veränderten Erscheinungsbild von Radio- und TV-Sendungen auch im Ersten Programm führen. Der Grund für den erneuten Streik bei den großen ARD-Rundfunkanstalten ist ein bereits im siebten Monat nach Ende des vorhergehenden Tarifabschlusses immer noch andauernder Tarifkonflikt.
mehr »

Schutz vor zu viel Stress im Job

Immer weiter, immer schneller, immer innovativer – um im digitalen Wandel mithalten zu können, müssen einzelne Journalist*innen wie auch ganze Medienhäuser sich scheinbar ständig neu erfinden, die Belastungsgrenzen höher setzen, die Effizienz steigern. Der zunehmende Anteil und auch Erfolg von KI-basierten Produkten und Angeboten ist dabei nur das letzte Glied in der Kette einer noch nicht abgeschlossenen Transformation, deren Ausgang vollkommen unklar ist.
mehr »

Für eine Handvoll Dollar

Jahrzehntelang konnten sich Produktionsfirmen auf die Bereitschaft der Filmschaffenden zur Selbstausbeutung verlassen. Doch der Glanz ist verblasst. Die Arbeitsbedingungen am Set sind mit dem Wunsch vieler Menschen nach einer gesunden Work-Life-Balance nicht vereinbar. Nachwuchsmangel ist die Folge. Unternehmen wollen dieses Problem nun mit Hilfe verschiedener Initiativen lösen.
mehr »