Plattform zahlt nun für Inhalte führender Medienmarken
Mitte Mai startete Facebook sein journalistisches Angebot „News“ in Deutschland. Überraschenderweise ist auch der Axel Springer Verlag mit im Boot. Sehr zum Verdruss der Zeitungsbranche: Viele Verleger befürchten eine Interessenkollision, wenn der Springer-Dienst Upday als Kurator für die ausgespielten Presseinhalte auftritt.
Facebook News ist ein Bereich innerhalb von Facebook, in dem ausschließlich Nachrichten und Inhalte journalistischer Medien zu finden sind. Nach den USA und Großbritannien startet der neue Dienst jetzt auch in Deutschland. Zu finden ist er unter einem neuen Reiter in der Facebook-App. Die wichtigsten Schlagzeilen und Geschichten laufen unter der Headline „Top-Meldungen“. Zusammengestellt werden sie von einer Redaktion der Firma Upday, einer Tochter des Springer Verlags, die bislang vor allem News für Samsung Smartphones aggregiert hat. Ein zweiter Teil läuft unter dem Titel „Neues für dich“. Dabei handelt es sich um personalisierte Nachrichten, ausgespielt auf Grundlage der Inhalte, die die User lesen, teilen und abonnieren.
Facebook News hat nichts mit dem seit langem existierenden hauseigenen „Newsfeed“ zu tun. Mit diesem neuen Angebot will Facebook vielmehr seinem schlechten Ruf entgegenwirken, Verbreiter von Lügen und Verschwörungserzählungen zu sein. Nicht zuletzt durch Algorithmus getriebene Verstärkung von Fake News und Clickbait-Überschriften, so konstatieren Kritiker, habe es zum Aufstieg von Populisten wie Donald Trump maßgeblich beigetragen. Daher zentriert sich der Dienst auf Medien, die bestimmte Qualitätsstandards einhalten. Anders als im gewöhnlichen Feed soll Facebook News nicht nur relevante Nachrichten anzeigen. Neu ist vor allem, dass die Verlage dafür Geld bekommen.
Eine überraschende Wende in der Geschäftspolitik von Facebook. Bislang vertrat der US-Konzern die Auffassung, die Verlage würden für ihre Inhalte ausreichend entlohnt: mit Reichweite. Für Facebook News lautet der Deal nun: Inhalte gegen Reichweite UND Geld. Kein Wunder, dass fast alle namhaften Verlage, die sich bisher von Facebook um den Lohn für ihre teuer produzierten Inhalte betrogen fühlten, mit an Bord sind. Schon beim Start stehen die meisten führenden Medienmarken unter Vertrag: „Spiegel“, „Zeit“, Funke, Gruner + Jahr, „Faz“, SWMH, „Tagesspiegel“, „taz“, etc. Über die Konditionen des Deals hüllen sich die Beteiligten in Schweigen. Laut Jesper Doub, Director of News Partnerships EMEA bei Facebook, handelt es sich um ein “deutlich zweistelliges Millionen-Investment“ auf dem deutschen Markt.
Bis vor gar nicht so langer Zeit hatte Springer Facebook News (und dem nach gleichem Geschäftsmodell funktionierenden Google News Showcase) die kalte Schulter gezeigt. Es sei problematisch, wenn einige Plattformen versuchten, „einerseits selbst zu Nachrichten-Medien zu werden und andererseits einige zuliefernde Verlage mit unangemessen niedrigen Vergütungen abzuspeisen“, monierte Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner. Ende Januar hatte er sogar bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen um Unterstützung gegen Google, Amazon, Facebook & Co geworben. Europa müsse die Daten-Absaugerei der Tech-Giganten stoppen, denn „totale Transparenz endet immer totalitär“.
Jetzt plötzlich klingt es ganz anders: Die „globale Kooperation“ mit Facebook sei „ein strategischer Meilenstein für unser Haus und die ganze Branche“. Das Verhältnis zwischen Inhalte-Anbietern und Plattformen sei nun „für beide Seiten fairer und berechenbarer geworden“. Für Springer selbst trifft das wohl zu. Denn nach Lage der Dinge profitiert der Verlag doppelt und dreifach vom neuen Facebook-Dienst. Ab demnächst kassiert er Lizenzgebühren für das Bereitstellen von Inhalten auf Facebook News. Außerdem fallen zusätzliche Lizenzzahlungen aus dem neuen Leistungsschutzrecht an. Denn die sind in der Absichtserklärung beider Unternehmen „ausdrücklich ausgenommen“. Springer-Aggregator Upday schließlich erzielt Einnahmen für das Kuratieren von Facebook News insgesamt.
Rein geschäftlich dürfte es sich für Facebook nicht lohnen, Verlagen beträchtliche Summen für Inhalte zu zahlen, die sie – wie bislang Usus – auch so verlinken könnten. Dass der Konzern nach jahrelangem Sträuben jetzt überraschend doch zu Abmachungen mit den Verlagen bereit ist, hat indes wenig mit dem Streben nach mehr „Fairness“ zu tun. Eher schon mit dem wachsenden Druck der internationalen Politik gegen seine bislang kompromisslosen Geschäftspraktiken. Hinter den Deals mit ausgewählten Verlagen in einigen Ländern steckt das Kalkül, auf diese Weise gesetzlichen Forderungen auf Lizenzzahlungen zu entgehen. Australien hat es vorgemacht, und auch hierzulande verfolgte Facebook wohl das Ziel, Druck aus dem Streit um die Urheberrechtsreform zu nehmen.
Das vermutet auch Margit Stumpp, medienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Man werde „sehr genau beobachten, ob die Kooperation mit Facebook News am Ende wieder zu Lasten der Journalistinnen und Journalisten geht“. Eine Bezahlung für die Verwertung von journalistischen Inhalten sei nichts Besonderes, sondern müsse selbstverständlich sein. Die Verlage sollten sich nicht zu sehr auf diesen Deal verlassen. Denn, so Stumpp, „ohne eigenen tragfähigen Online-Vertrieb machen sie sich auf Dauer noch abhängiger von Facebook und Google, als sie ohnehin schon sind“.
Unter den Wettbewerbern Springers auf dem deutschen Markt wächst dagegen der Unmut. Dass ausgerechnet Upday als Kurator für die ausgespielten Presseinhalte bei Facebook News agiert, schürt Misstrauen. Nicht wenige Verlage befürchten, dass die Springer-Tochter Inhalte der eigenen Marken „Bild“ und „Welt“ bevorzugen könnte. Dabei gerät naturgemäß vor allem Springer-Vorstandschef Döpfner ins Visier der Kritiker. Denn der ist in Personalunion auch Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV).
Schon bei früheren Gelegenheiten – etwa bei den Auseinandersetzungen um eine Liberalisierung des Kartellrechts – hatten sich Widersprüche zwischen den Interessen Springers und kleinerer Verbandsmitglieder aufgetan. Um jeden Verdacht auf eine Interessenkollision im Rahmen des Facebook-Deals zu zerstreuen, empfahl der Branchendienst „Meedia“ Springer-Chef Mathias Döpfner, die News Auswahl lieber einem neutralen Dienstleister zu überlassen. Andernfalls drohe Döpfner möglicherweise ein Misstrauensantrag innerhalb des BDZV.
Aber auch so sind die langfristigen Folgen der Verlagskooperationen mit Facebook unabsehbar. Klar ist: Wer jetzt vom US-Konzern Geld kassiert, erlangt Vorteile gegenüber der Konkurrenz. Denn der Deal mit Facebook News garantiert speziell den Großen der Branche Zusatzeinnahmen und größere Reichweiten. Ob das auf lange Sicht der Medienvielfalt nützt, erscheint eher zweifelhaft. Günter Herkel «