Absolution für Döpfner und Betteln beim Staat

Portrait von Günter Herkel

Günter Herkel lebt in Berlin und arbeitet als freier Medienjournalist für Branchenmagazine in Print und Rundfunk.
Foto: Jan-Timo Schaube

Meinung

Es sei „unstreitig, dass die Diskussion über angebliche Haltungen und Standpunkte des Präsidenten dem Verband nicht gut getan hätten“, ließ der BDZV im Anschluss an seine Präsidiumssitzung am 24. November verlauten. Die Formulierungen in dessen privater Textnachricht seien „selbstverständlich inakzeptabel“, heißt es lapidar. Dies alles sei aber kein Grund, „die sehr erfolgreiche Arbeit des Präsidiums in den vergangenen Jahren in Frage zu stellen“.

Mathias Döpfner bleibt also Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger. Jener Döpfner, der seinem Protegé Julian Reichelt noch kurz vor dessen Rausschmiss attestiert hatte, „der letzte und einzige Journalist“ zu sein, „der noch mutig gegen den neuen DDR-Obrigkeits-Staat aufbegehrt“. Ganz im Gegensatz zu „fast allen anderen“, die längst zu „Propaganda-Assistenten“ mutiert seien.

Dass es sich hier nicht lediglich um eine zugespitzt-provokante Meinungsäußerung Döpfners handelte, noch dazu schändlicherweise aus dem privaten Kontext herausgelöst, hat der Mann in den letzten Jahren mehrfach bewiesen. Hauptursache für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit? Nach Döpfners WeltBILD ist es die staatliche Flüchtlingspolitik. „Deutschlands Politik- und Medieneliten“? Träumten den „Wunschtraum der Political Correctness“. Zu Recht urteilte „Der Spiegel“ schon 2019: „Rechtspopulistisches Geschwurbel“.

Was treibt einen Verband dazu, sich „mit großer Mehrheit“ hinter einen Präsidenten zu stellen, der Journalist*innen der gesamten Medienbranche pauschal unflätig diffamiert? Dessen Verlagspublikationen sich teilweise ganz offensichtlich einen Dreck scheren um berufsethische Maßstäbe, wie sie etwa im Pressekodex des Deutschen Presserates fixiert sind? Maßstäbe, die paritätisch und einvernehmlich von Journalist*innen- und Verlegerorganisationen gesetzt wurden – also auch vom BDZV. Und die zu unzähligen öffentlichen Rügen des Rates gegen den Springer-Verlag führten. Dass der mutmaßlich einer der größten Beitragszahler des Verbands ist – das allein kann`s doch wohl nicht sein.

Offenbar halten die Verleger Döpfner trotz aller das Branchenimage schädigenden Verfehlungen mehrheitlich weiterhin für den richtigen Mann, ihre Interessen gegenüber der Politik durchzusetzen. In derselben Mitteilung, in der das BDZV-Präsidium seinem Präsidenten mit sanftem Tadel die Absolution erteilt, appellieren die Verleger an die Ampel-Koalition, „die flächendeckende Zustellung der Zeitungen“ zu unterstützen. Mit Staatsknete. Als eine „Aufgabe zur Sicherung der Demokratie“, versteht sich. Geht’s noch bigotter?

Gerade erst wies Stefan Niggemeier in „Übermedien“ nach: „Bild“ prangert neuerdings an, dass die Politik gegen Corona nicht die Maßnahmen ergriffen hat, gegen die „Bild“ bis vor kurzem ankämpfte: Maskenpflicht, Testterror, Gängelung des Bürgers durch überzogene Lockdown-Beschlüsse. Für „Bild“ allesamt Zutaten von „Corona-Propaganda“. Eine „Sicherung der Demokratie“ sieht anders aus.

Aber was kümmert das den BDZV? Denselben Verband, dem noch vor zwei Jahren einfiel, zu einer Debatte mit dem schönen Titel „Glaubwürdigkeit als Geschäftsmodell?“ ausgerechnet Julian Reichelt einzuladen. Also den damaligen Chef jenes Blattes, dessen „Geschäftsmodell“ nach wie vor in der systematischen Verletzung von Persönlichkeitsrechten besteht.

Unglaubwürdigkeit scheint jedenfalls kein valides Geschäftsmodell mehr zu sein: In Kürze dürfte die Verkaufsauflage von „Bild“ erstmals unter die Millionengrenze sinken.

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