Im Namen der Rendite

Fragliche Verlegerforderung nach Leistungsschutzrecht

Geld verdienen im Internet – das wollen viele. Die deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage versuchen es seit mehr als einem Jahrzehnt, teils mit Millioneninvestitionen, die aber selten Rendite brachten. Andere machen das Milliardengeschäft, so Google. Angesichts „Werbekrise“ und sinkender Auflagezahlen verlangen deutsche Verleger – von ihren Medien protegiert – ein größeres Stück vom Kuchen. Sie fordern ein Leistungsschutzrecht und finden Gehör. Doch wer soll zahlen?

Die Medienkampagne „Leistungsschutzrechte für Online-Angebote“ wurde am 22. April 2009 von Mathias Döpfner zur Springer-Hauptversammlung gestartet. „Eine Arbeitsteilung, dass die einen mit hohem Aufwand Inhalte produzieren und die anderen diese im Netz kopieren und vermarkten, ohne dafür zu bezahlen, wird auf Dauer nicht funktionieren“, ließ der Vorstandsvorsitzende verbreiten. Diese „Gesetzeslücke“ müsse dringend geschlossen werden. Schon am nächsten Tag folgten Berichte über die Zustimmung weiterer Verlagschefs. Am 7. Mai appellierte die Delegiertenversammlung des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger „einmütig“ an die Politik, den Weg für ein Leistungsschutzrecht freizumachen. Noch am selben Tag erklärte Bundesjustizministerin Zypries, in der nächsten Legislaturperiode wolle man das Leistungsschutzrecht für Verlage auf die Tagesordnung setzen.
Eine gut organisierte Kampagne! Schon länger reisen zwei Herren des Springer-Konzerns durch die Republik, um für Unterstützung zu werben. Auch bei den Mediengewerkschaften und -verbänden wurde angeklopft.
Nachdem ein Leitartikel von Konzernchef Hubert Burda in der FAZ vom 30. Juni 2009 („Wir werden schleichend enteignet“) eine Riesenwelle von Berichten und Diskussionen in Print und Online auslöste, mochte denn auch DJV-Vorsitzender Michael Konken nicht länger abseits stehen. Seine Forderung nach Maßnahmen des Gesetzgebers gegen die „Gratis-Kultur des Internets“ plus Angebot einer „konzertierten Aktion gegenüber Google“ fand große Resonanz. Allerdings weniger bei den Verlegern, zu denen er ins Boot steigen wollte. Nicht zuletzt unter dem Eindruck im Netz verkündeter Austritte aus dem Journalisten-Verband, ruderte er zwei Wochen später zurück. Man müsse auch die Internetrechte der Freien berücksichtigen, äußerte Konken – natürlich ebenfalls in der FAZ, die sich mit vielen Zeitungsseiten und einer eigenen Rubrik im Internet als Leitmedium der Debatte über und den ebendort gestarteten „Heidelberger Appell“ gegen das „Google Settlement“ (M 1–2 und 6–7/2009) profiliert.

Wieso Google?

Das erklärt auch, dass seit Burdas Artikel Google im Mittelpunkt steht. Vorher hatte die Suchmaschine in der Verleger-Debatte keine Rolle gespielt. Denn es geht ja um ein Leistungsschutzrecht für Verlage.
Erstens zahlt Google nicht erst seit dem „Book Search Settlement“ für urheberrechtliche Nutzungen. Um Nachrichten in „Google News“ direkt anzuzeigen, hat der Internetkonzern bereits 2007 Lizenzvereinbarungen mit amerikanischen und britischen Nachrichtenagenturen abgeschlossen, im März 2009 mit acht weiteren europäischen. Verhandelt wird mit dpa. Auch YouTube zahlt.
Zweitens sind nach deutschem Recht weder Links auf Online-Artikel noch Snippets (Kurztexte in den Such-Ergebnissen) urheberrechtliche Nutzungen. Ein gesetzlicher Verleger-Leistungsschutz hätte also null Auswirkungen gegenüber Google. Außerdem brauchen die Verlage die Suchmaschine, damit ihre Online-Angebote gefunden und genutzt werden. Um Google zu boykottieren, reicht eine einfache Zeichenfolge im Quellcode (<meta name =“googlebot“ content=“noindex“>). Das aber will kein Verlag.
Burdas Forderung nach einem „Recht, an den Erlösen der Suchmaschinen zu partizipieren“, wurde denn auch als „Hilferuf“ gewertet oder als „genauso absurd, wie von Kioskbesitzern eine Abgabe dafür zu verlangen, dass der Focus in der Auslage liegt.“
„Burdas Google-Bashing“ ist nur populäres Mittel zum Zweck. Worum es geht, schrieb der Präsident des Zeitschriftenverleger-Verbandes nämlich auch: Verlage brauchen „das ausschließliche Recht auf Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Wiedergabe und öffentliche Zugänglichmachung für Presseerzeugnisse … und das muss auch für digitale Medien gelten.“ Heißt: Die Enteignung der freien Journalisten durch Total-Buyout-Verträge und AGBs soll für die Zukunft per Gesetz festgeschrieben werden.
Springer-Chef Döpfner schlug indes die „Gründung einer Verwertungsgesellschaft nach dem Vorbild der GEMA“ vor. Die Einnahmequelle nannte sein Adlatus Würtenberger: eine „Internet-Abgabe“ beim PC-Kauf. Also Geld, das auch den Journalisten zusteht. Die Verwertungsgesellschaften verhandeln darüber mit der Geräteindustrie, eine Einigung scheint noch 2009 möglich.
Die Verlegerkampagne für ein Leistungsschutzrecht – wie die erst danach gestartete für „Paid Content“ im Internet – wird mit Zukunftssicherung von „Qualitätsjournalismus“ verbrämt. Deshalb findet sie Zuspruch nicht nur quer durch (fast) alle politischen Lager, sondern auch bei vielen durch Stellenabbau um ihre Zukunft besorgten Journalisten.
Um so mutiger, dass die ver.di-Fachgruppe Medien sich unter dem Motto „Urheber first!“ gegen den vermeintlichen Mainstream positioniert hat. Sie fordert die Verleger auf, ihre sehr allgemeine Forderung vor einer ernsthaften Diskussion zu konkretisieren, und erklärt, dass ein Leistungsschutzrecht analog zu dem der Filmproduzenten keinesfalls akzeptabel wäre. „Das bisher geltende Urheberrecht für Autoren darf nicht eingeschränkt werden“, heißt es in dem Positionspapier.
Da die Online-Veröffentlichungen von Zeitungen und Zeitschriften bisher weitgehend ohne zusätzliche Vergütung der Urheber erfolgen, wird bei den Verlegern angemahnt: Wer glaubwürdig gegen „Content-Klau“ vorgehen will, muss dafür sorgen, dass zuvor die Vergütungsverhandlungen für freie Journalisten zu einem akzeptablen Abschluss kommen.

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