Mehr Nachtzuschlag für Zeitungszusteller

Justitia Foto: Hermann Haubrich

Zeitungszustellerinnen und -zusteller können für ihre Dauernachtarbeit regelmäßig einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag verlangen. Denn solch eine ständige Nachtarbeit übersteigt die gewöhnlich mit der Nachtarbeit verbundene Belastung der Mitarbeiter, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem jetzt veröffentlichten Urteil (AZ: 10 AZR 261/20). Als angemessen bewerteten die Richter einen Zuschlag in Höhe von 30 Prozent auf die Bruttovergütung. Tarifliche Regelungen können allerdings einen anderen Nachtarbeitsausgleich vorsehen, so die Erfurter Richter.

Damit kann eine Zeitungszustellerin aus dem Raum Paderborn einen Zuschlag für ihre Dauernachtarbeit verlangen. Im Streitzeitraum von August bis November 2018 trug sie zwischen 1.30 Uhr und 6.00 Uhr an allen Werktagen für eine Zeitungsvertriebs- und Servicegesellschaft Zeitungen aus. Der Arbeitgeber zahlte ihr neben dem damaligen gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro brutto pro Stunde einen Nachtarbeitszuschlag von zehn Prozent.

Die Zeitungszustellerin hielt dies für zu wenig und verlangte einen Zuschlag von 30 Prozent. Der Arbeitgeber müsse ihr noch „angemessene“ 954 Euro nachzahlen. Der lehnte ab und berief sich auf die Pressefreiheit. Eine höhere Bezahlung müsse auf die Abonnenten umgelegt werden, was wiederum zu Abo-Kündigungen führen werde. Dies führe zu einer wirtschaftlichen Gefährdung der Medien. Medien seien systemrelevant, so dass ein geringerer Zuschlag begründet sei.

Das BAG gab der Klägerin recht. Nach dem Arbeitszeitgesetz müsse für Nachtarbeit, die länger als zwei Stunden dauert, ein angemessener Ausgleich zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten gewährt werden. Dies könne als Freizeitausgleichs oder als Geldzahlung erfolgen. Tarifliche Regelungen zum Ausgleich der Nachtarbeit lägen hier nicht vor.

Üblich sei bei Nachtarbeit ein Zuschlag von 25 Prozent. Dieser könne im Einzelfall auch unterschritten werden, etwa wenn der Beschäftigte wegen Bereitschaftszeiten Ruhepausen hat. Bei Dauernachtarbeit sei wegen der besonderen gesundheitlichen Belastung ein Nachtarbeitszuschlag von 30 Prozent angemessen. Genau so hatte das Bundesarbeitsgericht bereits 2018 im Fall einer klagenden Zustellerin aus Bremen entschieden.

Zwar könne in systemrelevanten Bereichen wie dem Rettungsdienst ausnahmsweise der Zuschlag auch geringer ausfallen. Der Zeitungsvertrieb könne sich aber auch mit Verweis auf die Presse- und Medienfreiheit nicht darauf berufen. Hier habe der Gesundheitsschutz Vorrang. Anders als etwa bei Rettungsdiensten sei der Zeitungsvertrieb nicht gesetzlich verpflichtet, Nachtarbeit anzuordnen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

BVerfG stärkt Rundfunkfreiheit

Eine Hausdurchsuchung im Jahr 2022 bei einem Redakteur des freien Radios Radio Dreyeckland in Freiburg verstieß gegen die Pressefreiheit und war verfassungswidrig, entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Damit kippt das höchste Gericht eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart.
mehr »

Aktivrente: Keine Option für Freie

Ein Bestandteil des derzeit kontrovers diskutierten “Rentenpakts” ist die sogenannte Aktivrente. Wer trotz Ruhestand weiter erwerbstätig ist, bekommt einen Steuerbonus. Doch das geplante Gesetz enthält eine Schieflage: Freie Journalisten oder Autorinnen sind wie andere Selbstständige von der Regelung ausgenommen.
mehr »

dju fordert Schutz für Medienschaffende

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert nach dem erschreckend milden Urteil im Verfahren zum Angriff auf Journalist*innen in Dresden-Laubegast staatlich garantierten Schutz für Medienschaffende. Über zehn Männer hatten im Februar 2022 in Dresden-Laubegast am Rande einer Demonstration im verschwörungsideologischen Milieu sechs Journalist*innen und ihren Begleitschutz angegriffen.
mehr »

KI darf keine Fakenews verbreiten

Die dju in ver.di begrüßt die Entscheidung des Landgerichts Hamburg, das dem Verein Campact im Verfahren gegen den Betreiber der Plattform x.com und dessen Künstliche Intelligenz „Grok“ Recht gegeben hat. Das Gericht verpflichtete das Unternehmen xAI dafür Sorge zu tragen, dass die KI nicht länger die unzutreffende Behauptung verbreitet, Campact werde aus Steuermitteln finanziert. Das Gericht sah hierin offenbar eine unwahre Tatsachenbehauptung – und ordnete bereits vor dem Hauptverfahren an, deren weitere Verbreitung zu unterbinden.
mehr »