„Lasst uns über Kohle reden!“ hieß es beim Hamburger Kurzfilm-Festival. Eingeladen zu der Podiumsdiskussion über Arbeitsbedingungen und die Vergütung bei Filmfestivals hatte ver.di. Denn während Veranstaltungsorte, Filmbranche und Publikum alle viel von einem Filmfestival haben, haben einige Menschen davon hauptsächlich viel Arbeit für wenig Vergütung. Die AG Festivalarbeit in ver.di vergab am 4. Juni auch die Auszeichnung „Fair Festival Award“ für Filmfestivals mit guten Arbeitsbedingungen.
Filmfestivals sind eine feine Sache: In großen Städten tragen sie zum guten Ruf des Gastgeberortes bei, in kleinen sorgen sie dafür, dass man die Städte überhaupt auf dem Schirm hat. Für Filmschaffende sind Festivals eine Möglichkeit, Filme abseits des Massengeschmacks doch mal einem größeren Publikum vorzuführen, das nämlich für genau solche Filme gekommen ist. Alle haben etwas von den Festivals. Einige haben davon eine Menge Arbeit. Die Vergütung dafür steht aber oft in keinem Verhältnis zur Leistung der Festivalarbeiter*innen. „Lasst uns über Kohle reden!“ hieß es deshalb beim Hamburger Kurzfilm-Festival. Auf dem Podium diskutierten Sirkka Möller von der ver.di-AG Festivalarbeit, Katja Wiederspahn, Festivalarbeiterin bei der Viennale in Wien und Kathlen Eggerling, ver.di-Sekretärin in der Bundesfachgruppe Medien. Die Hamburger ver.di-Mediensekretärin Tina Fritsche moderierte.
In Zahlen zu fassen ist das Phänomen schwer: Gut 400 Filmfestivals werden in Deutschland jährlich veranstaltet Allein der Gastgeber der Diskussion, das Hamburger Kurzfilm-Festival, zählt in der eigentlichen Festivalwoche 137 Mitarbeitende, aber das ist eben auch die Spitze. „Ganzjährig ist bei einem Filmfestival immer nur eine kleine Anzahl Mitarbeiter*innen beschäftigt“, sagt Sirkka Möller. „Im Vorlauf der Festivaltage steigt ihre Anzahl dann immer weiter an.“
Die Aufgaben sind vielfältig und spezialisiert: vom internationalen Rechtemanagement über die Fördermittelakquise und -abrechnung bis zur Sichtung und Auswahl der Bewerberfilme, von der Betreuung von Künstlern und Jurymitgliedern über das Verfassen und Redigieren von Katalogtexten und Programmen bis zur Pressearbeit. Viele Festivalarbeiter*innen sind für mehrere Festivals im Jahr tätig und sind manchmal schon weitergezogen, wenn beim letzten Arbeitgeber zum ersten Mal das Saallicht ausgeknipst und der Projektor angeschaltet wird. Die Anzahl der Festival-Beschäftigten in Deutschland schätzt Sirkka Möller auf mehrere Tausend. Der Großteil arbeitet auf Honorarbasis.
„Viele leben noch wie Studenten“
Wirklich gut sind die Honorare meistens nicht. Bei einer digitalen Saalumfrage während der Diskussion ergab sich beispielsweise ein Durchschnittshonorar für Film-Sichtung von 150 Euro pro Arbeitstag. „Davon müssen der Lebensunterhalt – auch in beschäftigungsfreien Zeiten – finanziert, Steuern und Sozialversicherung bezahlt und oft auch noch die Kosten für die Unterkunft an einem fremden Ort getragen werden“, sagt Sirkka Möller. „Nicht wenige Kolleg*innen leben mit Mitte 40 noch wie Studenten.“
Um daran etwas zu ändern, sollte möglichst viel Transparenz hergestellt werden, waren sich die auf dem Podium Diskutierenden einig. „Arbeitgeber wollen immer gerne verhindern, dass einer das Gehalt oder Honorar des anderen kennt“, sagte Kathlen Eggerling, „aber davon sollte man sich nicht ins Bockshorn jagen lassen und dann gemeinsam handeln. Die Gewerkschaft hilft dabei.“
Die Transparenz in der Festivalorganisation war deshalb als Teil der Bewertungskategorie „Arbeitsklima und Kommunikation“ des „Fair Festival Award“ ein wichtiger Aspekt in der dem Preis zugrunde liegenden Mitarbeiter*innen-Umfrage. Die weiteren Bewertungskategorien waren Entlohnung, Mitbestimmung und Vertragsgestaltung.
Das Braunschweig International Film Festival sammelte in der Mitarbeiter*innen-Umfrage die meisten Punkte und wurde mit dem „Fair Festival Award“ ausgezeichnet. Einige andere Festivals, die von den Mitarbeitenden gut beurteilt wurden, erhielten dafür eine Urkunde mit dem Prädikat „Faires Festival“: Der Vorjahrssieger, das Kinofest Lünen, sowie EDIMOTION – Festival für Filmschnitt und Montagekunst, das FILMKUNSTFEST Mecklenburg-Vorpommern, interfilm Berlin und das Internationale Filmfest Mannheim-Heidelberg.
Selbst die mit dem Prädikat „Faires Festival“ ausgezeichneten Organisatoren würden allerdings mehrheitlich kleinlaut, wenn es um die faire Bezahlung der Festival-Arbeiter*innen ging. Oft verwiesen sie auf knappe Budgets und schrumpfende Fördermittel. „Die Veranstalter sollten sich trauen, in ihre Fördermittelanträge auch faire Honorare mit einzupreisen und diese explizit auszuweisen“, sagte Kathlen Eggerling. „Es geht nicht, dass mit öffentlichen Geldern schlechte Arbeitsbedingungen finanziert werden!“