Daten rechtswidrig gespeichert

Das Verwaltungsgericht in Stade hat der Journalistin Andrea Röpke, hier auf dem Journalistentag 2019, recht gegeben
Foto: Jan-Timo Schaube

Das Verwaltungsgericht Stade hat dem Landeskriminalamt Niedersachsen wegen rechtswidriger Datenspeicherung einen heftigen Rüffel verpasst und in einem Urteil von grundsätzlicher Bedeutung die Rechte von Journalist*innen gestärkt. Die Daten der bundesweit bekannten Journalistin Andrea Röpke hätten niemals im polizeilichen Informationssystems INPOL, einer staatsschutzspezifischen Datei, gespeichert werden dürfen, urteilten die Richter (AZ: 10 A 533/19). 

Die INPOL-Datensammlung diene dazu, politisch motivierte Straftaten von länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung aufzuklären oder zu verhüten. Der Fall der Journalistin, die von einem AfD-Ratsherrn aus Papenburg wegen angeblich übler Nachrede angezeigt wurde, gehöre aber eindeutig nicht dazu. Es sei nicht einmal festgestellt, ob es eine Straftat gab. Und selbst wenn, gehöre sie nicht zu den Taten, die gespeichert werden dürften. 

Röpke, deren Themenschwerpunkt die Berichterstattung über Rechtsextremismus ist, hatte über eine mutmaßliche Terrorgruppe „Nordadler“ berichtet, die Anschläge auf politische Gegner in Erwägung gezogen haben soll. Die Gruppe sei auf Facebook von 1600 Usern geliked worden, unter anderem von einem „AfD-Ratsherrn aus Papenburg“, der in Röpkes Artikel nicht namentlich genannt wurde. 

Der einzige AfD-Mann im Rat zeigte die Journalistin wegen „übler Nachrede“ elektronisch an, stellte jedoch später trotz Hinweis der Polizei nicht den erforderlichen Strafantrag. Die Staatsanwaltschaft stellte deshalb das Verfahren ohne Ermittlungen ein. Trotzdem speicherte das LKA Niedersachsen Röpkes persönlichen Daten allein aufgrund ihres Berichtes. Röpke klagte gegen die Speicherung.

Im Verfahren erklärte die Behörde zur Begründung der Speicherung, der Fall sei wegen Einstellung durch die Staatsanwaltschaft nicht zu Ende erforscht worden. Das LKA hat damit ungerechtfertigt einen Restverdacht in den Raum gestellt, so das Gericht, obwohl die Polizei die Behörde sei, die für eine Speicherung ermitteln müsse. Ein strafbares Verhalten von Andrea Röpke sei aber nicht ermittelt und festgestellt worden. Außerdem habe das LKA sich zu Unrecht auf Wiederholungsgefahr berufen mit der Angabe, die Journalistin sei „seit Jahren staatsschutzrechtlich bekannt und trete durch entsprechendes Verhalten regelmäßig in Erscheinung.“

Selbst wenn die Äußerung rechtswidrig gewesen wäre, ergäbe die Datenspeicherung bei INPOL keinen Sinn, so die Richter weiter, denn Röpke habe in einem journalistischen Text unter Verwendung ihres Klarnamens berichtet. Sie sei deshalb wegen ihrer journalistisch-offenen Berichterstattung leicht auf andere Weise verfolgbar. Außerdem stellte das Gericht fest, dass es zum Zeitpunkt der Speicherung überhaupt keinen Kriterienkatalog für die Speicherung von Daten in der Datenbank gab, obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Auch heute seien solche Kriterien entweder nicht existent oder nicht veröffentlicht. 

„Man muss sich einmal vor Augen führen, was es bedeutet, dass ein AfD-Politiker eine Terrorgruppe mindestens nominell unterstützen kann und die Polizei dann die Person verfolgt, die die Gesellschaft darüber aufklärt“, sagt Peter Dinkloh, Mediensekretär im ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen. „Wir als Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di betrachten es als eine unserer zentralen Aufgaben, Kolleg*innen wie Andrea Röpke zu unterstützen und öffentlich zu machen, wie insbesondere Sicherheitsbehörden ihre wichtige Arbeit immer wieder erschweren“, so Dinkloh weiter. Das Verhalten der Polizei reihe sich ein in zahlreiche ähnlich gelagerte Fälle. So hatte erst im Dezember vergangenen Jahres das Verwaltungsgericht Dresden die Unrechtmäßigkeit der Identitätsfeststellung einer Journalistin festgestellt, die über „Querdenken“-Proteste in Leipzig berichtet hatte.

„Das Verwaltungsgericht Stade hat mit deutlichen Worten einer Datenspeicherpraxis des LKA Niedersachsen widersprochen, die vermutlich zu massenhaft rechtswidrigen Speicherungen aufgrund unberechtigter Strafanzeigen gegen Fachjournalist*innen geführt hat und führt“, begrüßt der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam die Entscheidung. Er hatte  Andrea Röpke in dem Verfahren vertreten: „Gerade das LKA Niedersachsen sollte mit Blick auf die Datenskandale der letzten Jahre in Niedersachsen sensibilisiert sein und nicht auch noch Af D-Mitglieder mittelbar bei dem Versuch unterstützen, unliebsame Berichterstattung zu verhindern.“

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Negativrekord der Pressefreiheit

Mehr Übergriffe im Umfeld von Wahlen und eine Rekordzahl von Ländern mit katastrophalen Bedingungen für Medienschaffende. Die Lage der Pressefreiheit hat sich im weltweiten Vergleich weiter deutlich verschlechtert. Dies geht aus der Rangliste der Pressefreiheit 2024 von Reporter ohne Grenzen (RSF) hervor. Der Analyse zufolge befanden sich im vergangenen Jahr 36 Länder in der schlechtesten Wertungskategorie. Das sind so viele wie seit mehr als zehn Jahren nicht.
mehr »

Medienhäuser müssen Journalisten schützen

„Die Pressefreiheit ist auch in Deutschland zunehmend bedroht”, kritisiert die Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di, Tina Groll, zum Internationalen Tag der Pressefreiheit. Die dju in ver.di verzeichne mit großer Sorge eine wachsende Anzahl der Angriffe, die die Gewerkschaft für Medienschaffende in einem internen Monitoring festhält.
mehr »

Beitragsanpassung unter der Inflationsrate

Seit die aktuelle Empfehlung der KEF zur Beitragsanpassung vorliegt, gibt es mehrere Ministerpräsidenten, die eine Zustimmung zu einer Erhöhung kategorisch ausschließen. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht vor drei Jahren bereits geurteilt, dass sich ein Bundesland dem Vorschlag der KEF im bislang gültigen Verfahren nicht einfach so widersetzen darf. M sprach mit dem KEF-Vorsitzenden Prof. Dr. Martin Detzel über die aktuelle Debatte um die Rundfunkfinanzierung.
mehr »

Filmtipp: Die Mutigen 56

Hin und wieder ist es gar nicht verkehrt, sich bewusst zu machen, wie gut es uns in vielerlei Hinsicht geht. Jedenfalls gemessen an anderen Zeiten. Vieles von dem, was uns heute selbstverständlich erscheint, musste erst erkämpft werden, zum Beispiel die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall; davon erzählt das sehenswerte Dokudrama „Die Mutigen 56 – Deutschlands längster Streik“.
mehr »