Abgang auf Raten

Portrait von Günter Herkel

Günter Herkel lebt in Berlin und arbeitet als freier Medienjournalist für Branchenmagazine in Print und Rundfunk.
Foto: Jan-Timo Schaube

Meinung

Am Ende ging es ganz schnell. Nach einer langen Kette von Vorwürfen gegen ihre Amtsführung ist RBB-Intendantin Patricia Schlesinger am 4. August mit sofortiger Wirkung vom ARD-Vorsitz zurückgetreten. Ein logischer und überfälliger Schritt: Zu umfangreich und gravierend waren die im Raum stehenden Anschuldigungen gegen Schlesinger, die das Image des Senderverbunds nachhaltig zu beschädigen drohten.

Im Kern geht es um den Vorwurf einer Vermischung von privaten und geschäftlichen Interessen, die Schlesinger und RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf angelastet werden. Dabei spielen Beraterverträge für das kostspielige RBB-Projekt „Digitales Medienhaus“ sowie Aufträge für Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl bei der Messe Berlin eine Rolle. Die Doppelfunktion Wolfs als oberster Senderkontrolleur und Chefaufseher der landeseigenen Messe verursacht in diesem Kontext mehr als nur ein Geschmäckle. Seine RBB-Funktion lässt Wolf einstweilen ruhen, den Messejob will er zum Jahresende aufgeben, das Bauprojekt liegt auf Eis.

Ins Rollen geraten war die Debatte um Schlesinger durch Recherchen des „Business Insider“. Das Branchenmagazin aus dem Hause Springer hatte genüsslich nach und nach immer neue Details über fragwürdige Deals der RBB-Geschäftsführung ausgebreitet, gar von einen „System aus gegenseitigen Gefälligkeiten“ zwischen Schlesinger und Wolf berichtet. Da ging es dann bald auch um vermeintlich Kleinteiliges wie dienstliche (und dienstlich abgerechnete) Abendessen in der Privatwohnung Schlesingers unter Beteiligung von Privatpersonen. Oder um das Leasing einer mehr als repräsentativen Luxuskarosse als Dienstwagen mit zwei Chauffeuren zur beruflichen und auch privaten Nutzung der Intendantin. Kritisch beäugt wurde schließlich auch eine satte Gehaltserhöhung für die RBB-Chefin – um 16 Prozent auf 303.000 Euro, für die Oberkontrolleur Wolf unlängst die Genehmigung erteilt hatte.

Erschwerend ins Gewicht gegen Schlesinger fiel ihr wenig souveräner Umgang – man könnte auch sagen: ihr katastrophales Krisenmanagement – mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen. Die ehemalige „Panorama“-Moderatorin bezichtigte ihre Kritiker des Kampagnenjournalismus, drohte indirekt potentiellen Whistleblowern aus der eigenen Belegschaft. Erst nachdem der öffentliche und hausinterne Druck immer mehr zunahmen, leitete sie eine Prüfung der Vorgänge durch die Compliance-Abteilung und eine externe Kanzlei ein.

Der Vorwurf von Vetternwirtschaft ist so ziemlich das Letzte, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk gebrauchen kann. Die Attacken der Gegner von ARD und ZDF mehren sich. Populisten aus Politik und Medien warten nur auf Anlässe, um den Öffentlich-Rechtlichen Beitragsverschwendung und Überfinanzierung zu unterstellen. Schlesingers fragwürdige Amtsführung wurde somit schnell zur Belastung für die ARD, ist es auch für den RBB.

Der Verzicht auf den ARD-Vorsitz dürfte daher nur der erste Schritt sein. Sicher kann auch Schlesinger das Recht auf „Unschuldsvermutung“ für sich in Anspruch nehmen. Doch selbst wenn sich ein Teil der Vorwürfe im Compliance-Verfahren als unbegründet erweisen sollte: Rundfunkpolitisch und moralisch hat sie der ARD und dem RBB einen Bärendienst erwiesen. In der Berliner Politik, vor allem auch im RBB selbst wirkt sie zunehmend isoliert. Die Diskussion um ihre Nachfolge hat schon begonnen.


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ver.di begrüßt den Rückzug von Schlesinger vom ARD-Vorsitz und fordert schonungslose Aufklärung

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