Der Bärendienst eines Privatmanns

Bettina Hesse ist medienpolitische Referentin im ver.di-Bereich "Medien, Journalismus und Film" Foto: Hermann Haubrich

Meinung

Tom Buhrows Rede im Hamburger Übersee-Club liefert der Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk neuen Zunder – von unerwarteter Seite. Er gibt vor, als Privatperson und damit auf „eigenes Risiko“ zu sprechen, was systemisch und in der aktuellen Debattenlage schwer möglich ist und nach prominentem Abdruck in der FAZ wohlfeil daherkommt. Vielmehr leistet er dem Gedanken eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, gelinde gesagt, einen Bärendienst.

Mehr noch gilt das für die Menschen, die das Programm herstellen und tagtäglich auf der Straße ihren Kopf für die Rundfunkanstalten hinhalten. Wieder einmal, wie schon bei #Omagate, können sie sich nicht darauf verlassen, dass ihr oberster Chef sich vor sie stellt, wenn es darauf ankommt.

Die Öffentlich-Rechtlichen seien viel zu groß, zu teuer und die Medienpolitik zu inkompetent, um größere Reformen auf den Weg zu bringen. Der einzige Weg zu hoher Legitimation führe über ein neues Rundfunkmodell, das ein Rat aus Laien entwerfen solle. Starke Worte vom höchsten Vertreter der ARD.

Dabei führt Buhrow sogar an, dass die Öffentlich-Rechtlichen in der Phase der Lockdowns in der Corona-Pandemie ganz konkrete Leistungen für die Bürger*innen erbracht haben. In einer Zeit besonderer gesellschaftlicher Verunsicherung fanden die Menschen hier Information, Bildung, Kultur, auch Unterhaltung. Wohlgemerkt: In dieser Zeit fielen die Vertrauenswerte für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk besonders hoch aus. Nahe läge die Schlussfolgerung, auf dieses Pfund zu setzen und das inhaltliche Profil der Öffentlich-Rechtlichen durch eine Reform zu stärken, um die Akzeptanz beim Publikum zu verfestigen. Tom Buhrow aber glänzt hier durch absolute Ideenlosigkeit. Seine einzige Übersetzung für die allseits geforderten Reformen ist: Sparen – ein niedrigerer Rundfunkbeitrag also, durch Kürzungen im Programm erzielt. Für Akzeptanz müsse man dem unterstellten Volkswillen zwangsweise Arbeitsplätze opfern. Als würde die Kritik an öffentlich-rechtlichen Medien versiegen, wäre nur der Rundfunkbeitrag niedriger.

Derzeit sei das Zusammenstutzen des Rundfunks – leider, leider – noch nicht möglich. Denn der Vorsitzende der ARD, seines Zeichens langjähriger Intendant der größten Landesrundfunkanstalt und bestbezahlter Medienmanager im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sieht sich in einer Opferrolle, in der er vor den ach so mächtigen Lobbygruppen (z. B. „Nachrichtenjournalisten“, „Kulturlobby“) ehrfürchtig erstarrt, aus Furcht, für das Aussprechen einer „Wahrheit“ „die volle Empörungswelle“ abzubekommen. Mit seiner ehrlichen Meinung vom Rundfunk kommt er erst kurz vor der Rente hinter dem Ofen hervor. Es stellt sich die Frage, wie jemand mit so tiefgreifenden Zweifeln am Rundfunksystem wiederholt der wichtigste Vertreter des größten Medienverbunds darin werden konnte.

Erneuerungsbedarf bei den Öffentlichen-Rechtlichen besteht, keine Frage. Dass es eines größeren Wurfs bedarf als ihn bspw. der neue Medienstaatsvertrag darstellt, ist keine Außenseitermeinung. Tom Buhrow aber zieht die falschen Schlüsse. Er hört, wie schon bei #Omagate, ausschließlich auf diejenigen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk polemisch und mit niederen Absichten kritisieren – und stimmt in ihren Chor mit ein. Nach ihm die Sintflut, so verhält sich eher ein Chaot als ein Reformer. Verantwortungsvoll wäre die Entscheidung, die Aspekte zu stärken, die die Menschen an den Öffentlich-Rechtlichen schätzen – oder gar seine offizielle Position dafür zu nutzen, nachfolgenden Generationen eine bestmögliche ARD zu hinterlassen.


Vertrauen zurückgewinnen: ver.di stellt Vorschläge für Veränderungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor

Diskussionspapier zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk von Christoph Schmitz, ver.di

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