Medienpolitik steht nicht gerade im Fokus der Berliner Wiederholungswahl am 12. Februar. Aber die Dauerkrise des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) rechtfertigt allemal eine medienpolitische Debatte darüber, welche Reformen zur Gesundung der Zweiländeranstalt beitragen könnten. Zu diesem Zweck lud ver.di Berlin-Brandenburg die medienpolitischen Sprecher*innen der Berliner Parteien zur Diskussion ins Verlagsgebäude des „Neuen Deutschland“.
Die Krise des RBB hängt vor allem mit dem Versagen des RBB-Managements zusammen. Für Andrea Kühnemann von der ver.di-Landesleitung Berlin-Brandenburg ist bei der Neuaufstellung des Senders der Sachverstand der Belegschaft dringend erforderlich. Im Rahmen einer Reform des Personalvertretungsgesetzes müssten daher neben den Festangestellten auch alle Arbeitnehmerähnlichen, also die „Festen Freien“, in die Mitbestimmung miteinbezogen werden. In anderen Bundesländern und Rundfunksendern sei dies längst durchgesetzt. Sie setzt – auch in Gesprächen mit der Politik in Brandenburg – auf eine entsprechende Novellierung des RBB-Staatsvertrags.
Mehr Beteiligung für Freie
Seit zwei Jahren liegt ein fertiger Staatsvertragsentwurf auf Eis. Das Verfahren zur Novellierung wurde im April 2021 ausgesetzt, nachdem Pläne der RBB-Geschäftsleitung unter der Ex-Intendantin Patrizia Schlesinger bekannt wurden, bestehende analoge Radioprogramme nur noch digital, also im Netz, zu verbreiten. Von der jetzt anvisierten vollen Einbeziehung der Freien Mitarbeiter*innen erwartet Kühnemann eine ganz andere Kommunikation mit der Geschäftsleitung, eine „bessere Beteiligung, mehr Mitspracherechte, ganz andere rechtliche Handlungsmöglichkeiten, gleiche Rechte für die einzelnen Beschäftigtengruppen“. In Bremen hätten sich diese Regeln bereits bewährt. Einem Hauptstadtregion-Sender, so Kühnemann, stehe es „gut an, alle Beschäftigten an der Mitbestimmung zu beteiligen“.
Melanie Kühnemann-Grunow, medienpolitische Sprecherin der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, stimmte zu. Es gehe darum, die „Zwei-Klassen-Verhältnisse“ im RBB zu überwinden. Gleiches galt für die Spandauer Abgeordnete Gollaleh Ahmadi von Bündnis 90/Die Grünen. Alexander King von der Linken begrüßte, dass inzwischen Konsens darüber bestehe, alle Festen Freien, nicht nur die Programmgestaltenden, in der Personalratsvertretung zu integrieren.
Auch Rundfunkratsmitglied Christian Goiny von der CDU kann sich eine Vertretung der Freien im Personalrat vorstellen. Ebenso FDP-Mann Stefan Förster, der die Mitbestimmung aber davon abhängig machen will, dass die Betroffenen den „überwiegenden Teil ihrer Einkünfte“ im RBB erzielten. Als vorbildlich pries er die „seit 30 Jahren problemlos funktionierende Integration“ der Freien im Personalrat des Saarländischen Rundfunks.
Kontroverser beurteilt wurde die Frage einer Ausweitung von Festeinstellungen im RBB. Kühnemann-Grunow hält diese zugunsten einer besseren sozialen Absicherung der Freien für wünschenswert. Dies, so räumt sie ein, setze eine Änderung der Position der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) voraus. Sie fordere das Gegenteil, nämlich Personalabbau. Die Umwandlung freier Mitarbeit in Festanstellung müsse nicht notwendigerweise teurer werden, argumentierte King von der Linken mit Verweis auf entsprechende Erfahrungen im ZDF. Sparen beim journalistischen Personal und im Programm geißelte er als „kontraproduktiv“. Denn: „Da leidet die Qualität und auch die Quote.“
Kontoverse um Finanzierung
Was die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) angeht, erwartet CDU-Mann Goiny „schwere Zeiten“. Trotz Inflation, Energiepreisexplosionn und Kostensteigerungen auch in der Rundfunkproduktion habe er das „Gefühl, in den Parteien als auch in der Wählerschaft werde es zunehmend schwieriger, Mehrheiten für eine Beitragserhöhung zu bekommen“. Am Ende laufe es eher auf weniger Beschäftigte im ÖRR hinaus, „aber die müssen wir dann halt auch besser bezahlen“. FDP-Vertreter Förster monierte unter anderem den hohen Anteil der Pensionslasten in den Sendern. Die Ruhestandsbezüge von Abteilungsleitern der Sender seien üppiger als die Verdienste von Landtagsabgeordneten – „dafür fehlt mir teilweise auch das Verständnis“. Er votierte für eine Orientierung des ÖRR-Gehaltsgefüges an Tarifverträgen des Öffentlichen Dienstes. Vor dem Hintergrund der Finanzexzesse in den oberen Etagen der ARD wundere ihn nicht, dass Ministerpräsidenten unterschiedlicher Couleur einer künftigen Beitragserhöhung eher skeptisch gegenüberstünden.
SPD-Frau Kühnemann-Grunow hielt dagegen. Politik und Öffentlichkeit erwarteten viel von den Sendern: „adäquate Information, ein großes Korrespondentennetz, auch gute Unterhaltung“. Ob dies alles mit dem Wunsch nach Beitragsstabilität kompatibel sei? Der Rundfunk habe nun mal einen verfassungsrechtlichen Auftrag, dem er nachkommen müsse. „Es ist auch an der Politik, Anwalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sein – bei aller gebotenen Staatsferne.“ Gerade die Politiker müssten Sorge dafür tragen, dass der ÖRR „auskömmlich und gut finanziert“ werde, insistierte Kühnemann-Grunow. Was ihr den Zwischenruf von Moderatorin Vera Linß eintrug, sowohl Franziska Giffey als auch Dietmar Woidke – beide Sozialdemokraten – hätten sich doch unlängst gegen eine Beitragserhöhung ausgesprochen.
Ver.di-Landesvorstand Kühnemann sieht die Rundfunkanstalten durchaus in der Lage, neue Beschäftigung zu schaffen, etwa durch die Umschichtung von Haushaltspositionen. Auch der RBB sei „von einem Facharbeiterproblem betroffen“, konstatierte sie und forderte Investitionen in Personal und Programm. Denn: „Der RBB muss ein attraktiver Arbeitgeber für die Zukunft sein!“
Für mehr Transparenz in den Gremien
Weitgehend Einigkeit herrschte demgegenüber in der Frage der Gremienkontrolle. Alle medienpolitischen Sprecher*innen sprachen sich unisono für mehr Transparenz sowie eine fachliche Mindestqualifikation speziell der Verwaltungsräte aus. Auch die in der Regel ehrenamtlichen Rundfunkräte (Programm) benötigten aufgrund staatsvertraglich vorgesehener neuer, anspruchsvoller Aufgaben Hilfe zur Professionalisierung. Ver.di-Frau Kühnemann verwies auf die Wichtigkeit eines von der Senderleitung unabhängig arbeitenden Gremienbüros.
Sehr konkrete Ziele formulierte Alexander King von der Linkspartei. Er wünscht sich bei Sitzungen des Rundfunkrates einen ständigen Tagesordnungspunkt „Bericht des Personalrats“. Durch Streamen der Sitzungen könne noch mehr Öffentlichkeit hergestellt werden. King äußerte Sympathie für die ver.di-Forderung, zwei der sieben Verwaltungsratsmitglieder von der Belegschaft wählen zu lassen. Darüber hinaus kritisierte er die unzureichende Rechtsaufsicht über den RBB: „Senatskanzlei und Staatskanzlei haben beide versagt.“ Beide trügen daher Mitverantwortung für den RBB-Skandal. Wünschenswert sei eine gemeinsame Rechtsaufsicht, die nicht im Zweijahres-Rhythmus wechsle.
Gegen Ende der Veranstaltung gab es einen eher unersprießlichen Streit über den unterschiedlichen Umgang der Landesparlamente (Berliner Abgeordnetenhaus und Brandenburgischer Landtag) mit der RBB-Krise. Bei der Einrichtung eines RBB-Untersuchungsausschusses im Potsdamer Landtag habe sich die Politik wohl stark von der AfD treiben lassen, wurde teilweise kritisiert. Ein Vorgang, der vor allem von CDU-Mann Goiny als Verstoß gegen die gebotene Staatsferne des ÖRR gebrandmarkt wurde. “Politik, Regierung, Parteien, Parlamente sollten nicht zu viel Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekommen“, konstatierte er.
Kathlen Eggerling, ver.di-Gewerkschaftssekretärin informierte abschließend über die stockenden Tarifverhandlungen im RBB. Sie erinnerte an den ganztägigen Streik der Beschäftigten gegen die Blockadepolitik der Geschäftsleitung Ende Januar. „Jetzt liegt der Ball im Feld des RBB“, so Eggerling, „es ist höchste Zeit!“
Mitschnitt der medienpolitischen Debatte zum RBB am 7. Februar 2023
Mitschnitt Jörg Wagner
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