Der deutsche Fotokünstler Boris Eldagsen hat bei einer Gala in London zur Verleihung des Sony World Photography Award seinen Preis in der Kategorie „Creative“ zurückgegeben. Der Grund: Er wollte keinen Fotografiepreis für ein KI-generiertes Bild akzeptieren. Mit dieser Geste hat er nicht nur den SWPA vorgeführt, sondern auch die Diskussion um die Frage, was Fotografien sind, neu entfacht.
Der Sony World Photography Award ist einer bekanntesten und prestigeträchtigsten Fotografiepreise der Welt. Jedes Jahr werden Fotografien in acht Kategorien prämiert. Die Ausstellung mit Bildern der Sieger*innen und der Short-List tourt danach um die Welt, wie man es etwa auch vom World Press Photo Award kennt. Sie wird jedes Jahr auch im Berliner Willy-Brandt-Haus gezeigt. Anders als beim journalistisch ausgerichteten World Press Photo Award gibt es beim SWPA keine klaren Regeln, was etwa an Bildbearbeitung erlaubt ist und was nicht. Diesen Umstand machte sich der deutsche Fotokünstler Boris Eldagsen zunutze.
Eldagsen reichte ein Bild ein mit dem Titel „Pseudomnesia: The Electrician” aus seinem Werkzyklus „Pseudomnesia“ ein, dass von einer KI generiert wurde. Es zeigt zwei hintereinander stehende Frauen unterschiedlicher Generationen und erinnert in seiner Anmutung an ein historisches SW-Porträt. Boris Eldagsen ist einer der versiertesten Kenner der Materie und zeigte erst im März 2023 seine Ausstellung „The Posthuman Condition“ in der Kommunalen Galerie Berlin. Die Einreichung war seiner Aussage nach ein Test, um zu sehen, wie Fotografiepreise mit KI-generierten Bildern umgehen. „KI-Bilder und Fotografie sollten bei einem Preis wie diesem nicht miteinander konkurrieren“ so Eldagsen in einem Statement. Nachdem er auf der Gala am 13. April den Preis ablehnte, entfernte der SWPA sein Bild aus der Londoner Ausstellung sowie von der Webseite. Eine Stellungnahme der Organisation zum Vorgang ist bisher nicht bekannt.
Durch seine Aktion facht Eldagsen eine Diskussion weiter an, die in der deutschen Fotoszene und in vielen Fotograf*innenorganisationen wie etwa der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) oder der Deutschen Fotografischen Akademie (DFA) sowie dem Dachverband Deutscher Fotorat spätestens seit Anfang des Jahres verstärkt geführt wird. Seit Eldagsens Aktion explodieren in den sozialen Netzwerken die Debatten und Beiträge zum Thema. Erst kürzlich veröffentlichte die DFA in Reaktion auf Eldagsens Nominierung ein Positionspapier zum Thema. Darin fordert die Organisation unter anderem den „Schutz dokumentarischer Wahrhaftigkeit“ sowie eine faire Beteiligung von Künstler*innen an den Erlösen KI-generierter Bilder, wenn ihre Fotografie zum Trainieren der KI genutzt wurden.
Bis zu einem gewissen Grad erinnern die Diskussion an die Debatten beim Aufkommen der digitalen Fotografie sowie von Bildbearbeitungsprogrammen wie Photoshop. Im Kern geht es darum, was eine Fotografie und ihre Authentizität ausmacht, ob und wofür es eine Kennzeichnungspflicht geben sollte. Dies wird insbesondere für den Journalismus noch ein wichtiges Thema werden, gehen doch Expert*innen davon aus, dass Symbol- und Stockfotografien in Zukunft von KI-generierten Bildern abgelöst werden. Eldagsens Aktion bietet die Chance, in die Debatten um die Rolle von KI in der Gesellschaft, wie sie gerade am Beispiel ChatGPT geführt wird, auch das Thema KI-generierter Bilder zu integrieren.