Radio Dreyeckland hat viele Unterstützer im Rücken
Die Freien Radios im „Ländle“ klagen über die Politik der Landesmedienbehörde. Die Sendefrequenzen werden eingeschränkt, neue Richtlinien reduzieren die Fördergelder und greifen in die redaktionelle Selbstbestimmung ein.
Letzten Sommer feierte Radio Dreyeckland 30-jähriges Jubiläum – doch die Feierlaune war schnell verflogen. Zum Jahresende schlug das ehemalige Piratenradio Alarm: 25.000 Euro seien notwendig, um den Sender vor der Insolvenz zu retten. Die Zeiten in denen hunderte von Unterstützern das erste freie Radio der Republik vor der Erstürmung durch die Polizei beschützten, sind zwar lange vorbei. Doch der Appell an die Solidarität funktioniert noch: Innerhalb von zwei Monaten kam das Geld zusammen. Kein Wunder, angesichts des vielfältigen und bunten Programms: 150 ehrenamtliche Mitarbeiter in rund 80 Redaktionen senden rund um die Uhr in 14 Sprachen.
Geldhahn zugedreht
Grund für die Finanzkrise war ein Streit mit der baden-württembergischen Landesanstalt für Kommunikation (LfK) um das regionale RDL-Morgenradio. Anfangs wurde das Projekt durch Rundfunkgebührenmittel gefördert, dann drehte die LfK den Geldhahn zu. Die Medienbehörde forderte, dass RDL für sein zweites Sendegebiet Lörrach/Schopfheim ein eigenes Programm ausstrahlen müsse. Dort teilt sich der Sender die Frequenz mit dem Bürgerradio „Kanal Ratte“. „Das Stand anfangs nicht zur Debatte – aber seit Beginn des Projekts versucht die LfK uns mit juristischen Spitzfindigkeiten zu torpedieren“, meint RDL-Geschäftsführer Kurt-Michael Menzel.
RDL richtete in Lörrach ein eigenes Lokalstudio ein und belegte den geforderten „Lokalbezug“des Morgenradios mit einer langen Sendungsliste. Doch das Verwaltungsgericht Stuttgart wertete die Kürzung der Mittel aus dem Topf der Rundfunkgebühren als rechtens. RDL blieb damit auf einem Schuldenberg von 25.000 Euro sitzen. Zudem wurde das Alternativradio bei der Neuausschreibung der Sendelizenz für Schopfheim nicht berücksichtigt – obwohl sich lokale Unterstützer wie der BUND und die IG Metall für RDL stark machten. „Kanal Ratte“ hingegen, kann nun 24 Stunden am Tag senden.
Hintergrund des Streits ist auch die Frage wie „Freies Radio „im „Ländle“auszusehen hat. Die LfK bevorzugt das Modell „Offener Kanal“, die Freien Radios wollen ihr Konzept von „Gegenöffentlichkeit“ verteidigen. Radio Dreyeckland z.B. will Radio unabhängig von „Staat, Parteien, Verbänden oder Kommerz“machen. Das Programm-Statut verpflichtet zu „Basisdemokratie“, „Antirassismus“und „Antisexismus“. „Kanal Ratte“sieht sich hingegen als „Bürgersender in der Region“, der auch Live-Berichte über die „Stadtwette des Bürgermeisters gegen die Badische Zeitung“ sendet.
Um die „Medienvielfalt“im „Ländle“ zu fördern, setzt die LfK offenbar lieber auf weniger widerspenstige Partner. Das „Freie Radio Stuttgart“ und der „Querfunk“ in Karlsruhe müssen sich seit kurzem ihre Sendeplätze mit „Uni-Lernradios“ teilen und bekommen deswegen weniger Fördergelder. In Freiburg sendet neuerdings ein „Uni-Lernradio“auf jener sendestarken Stadt-Frequenz, auf die sich RDL jahrelang beworben hat, um den störungsfreien Empfang in ganz Freiburg zu gewährleisten. Stattdessen muss sich RDL mit Aufsichtsbeschwerden wegen „Jugendgefährdung“herumschlagen: Der beanstandete Punk-Song „Amoklauf“ steht allerdings nicht auf dem Index, die Beschwerde der LfK verlief im Sande.
Andreas Reimann, Redakteur bei RDL, überrascht der Druck aus Stuttgart nicht: „Seit bei der LfK Thomas Langheinrich als Chef eingesetzt wurde – ein Mann aus der Riege von CDU-Ministerpräsident Oettinger , weht den Freien Radios ein härterer Wind entgegen.“ Eine neue Förderrichtlinie sieht vor, dass die Sockelförderung reduziert wird. Wer mehr Geld will, muss sich für spezielle Projekte bewerben. Allerdings sind die Projektmittel und die Höhe der Sockelförderung an Vorgaben gebunden. Sie schreiben „Lokalbezug“ und eine Quote an Live-Sendungen vor. Von keinem kommerziellen Sender werden solche Kriterien verlangt. Der Dachverband der Freien Radios im „Ländle“, wertet die neuen Richtlinien denn auch als „Eingriff in die organisatorische und programmliche Selbstbestimmung der Freien Radios“. Beim „Querfunk“ wurden 2006 etwa Fördermittel gestrichen, weil das Radio zwei Moderatoren ausgeschlossen hatte, die durch frauen- und schwulenfeindliche Kommentare aufgefallen waren. Die LfK sah darin eine Verletzung des Gebots der „Zugangsoffenheit“.
Trotz Spendenkampagne droht Streichkonzert
Ohnehin werden die Freien Radios in Baden-Württemberg knapp gehalten. RDL bekam im vorigen Jahr 53.000 Euro. Damit finanziert der Sender nicht nur Betriebskosten, sondern auch sein medienpädagogisches Bildungsangebot. „Die Zukunft sieht nicht gerade rosig aus“, meint Reimann, „laut der neuen Förderrichtlinien bekommen wir 2009 nur noch 38.000 Euro“. Kommerzielle Privatradios bekommen in Baden-Württemberg pro Jahr 30 Cent pro technisch erreichbarem Hörer. Würde RDL nach dem gleichen Maßstab behandelt, müsste der Sender, dessen Verbreitungsgebiet eine potentielle Hörerschaft von 350.000 Personen umfasst, 105.000 Euro an Rundfunkgebühren erhalten.
Die erfolgreiche Spendenkampagne hat den RDL-Radiomachern Mut gemacht. Doch aufgrund der Finanzlage „müssen wir Räume aufgeben und Jobs in den Bereichen Jugend, Weiterbildung und Technik streichen“, klagt RDL-Chef Menzel. Wenn nun auch noch eines der alten Studiomischpulte ausfällt, könnte bei RDL bald Funkstille herrschen.