Einsatz für Assange gefordert

Foto: Christian von Polentz

Prominente aus Politik, Kultur und Medien fordern Außenministerin Annalena Baerbock  in einem Brief auf, sich bei ihrem anstehenden USA-Besuch für die Freilassung von Wikileaks-Gründer Julian Assange einzusetzen. Den von Günter Wallraff initiierten Aufruf unterstützen auch die Fachgruppe Medien, Journalismus und Film in ver.di sowie die Deutsche Journalistinnen und Journalisten-Union (dju) in ver.di.

Sehr geehrte Frau Ministerin Baerbock,

wir sind in großer Sorge um die Gesundheit und das Leben des Journalisten Julian Assange sowie die Bedrohung der Meinungs- und Pressefreiheit in Europa. Deshalb wenden wir uns im Vorfeld Ihrer Reise in die USA an Sie.

Seit nunmehr 13 Jahren kann Assange, der Gründer und Herausgeber der Enthüllungsplattform Wikileaks, nicht mehr in Freiheit leben. Seit April 2019 ist er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London inhaftiert, wo er auf die Entscheidung warten muss, ob er von Großbritannien an die USA ausgeliefert wird. Dort erwartet ihn wegen seiner journalistischen Arbeit eine Anklage wegen Spionage, es droht ihm eine Höchststrafe von 175 Jahren Haft.

Wir teilen die Auffassung von Amnesty International, Reporter ohne Grenzen und nahezu allen Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbänden weltweit, dass die Verfolgung von Julian Assange einen schwerwiegenden Angriff auf die Medienfreiheit darstellt, den es mit aller Entschlossenheit zurückzuweisen gilt. Die anhaltende Inhaftierung von Assange, deren Ende nicht in Sicht ist, steht in eklatantem Widerspruch zum universellen Grundrecht auf Meinungsfreiheit.

Wir erinnern an Ihre Erklärung im September 2021 nur wenige Tage vor der Bundestagswahl, in der Sie sich der Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 27. Januar 2020 sowie dem Appell des UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer angeschlossen und die „sofortige Freilassung“ von Julian Assange gefordert haben.

Wir erwarten, dass Sie als Mitglied der Bundesregierung bei Ihren bevorstehenden Gesprächen in Washington etwa mit Ihrem Amtskollegen Antony Blinken den Fall Assange zur Sprache bringen und sich deutlich für ein Ende der Verfolgung von Assange einsetzen. In Ihrem Einsatz für verfolgte Journalisten darf es keine doppelten Standards geben. Es ist paradox, berechtigte Kritik an der Unterdrückung von Journalisten in Diktaturen zu üben, aber zu der Verfolgung von Assange durch die Führungsmacht des freien Westens zu schweigen. Eine wertebasierte Außenpolitik muss auch gegenüber Partnern und Verbündeten gelten. Wer sich den Menschenrechten und der Demokratie verpflichtet sieht, kommt nicht umhin, sich auch für die Freiheit von Julian Assange einzusetzen.

Die australische Regierung, aber auch die Staatsoberhäupter und Regierungschefs von vier lateinamerikanischen Ländern haben die Freilassung von Assange gefordert. Schließen Sie sich bitte Ihnen an. Ihre Kabinettskollegin und Parteifreundin Claudia Roth hat erklärt, dass „seine Freilassung ein gutes Signal für die Pressefreiheit“ wäre. Die Schikanen, denen er in der Auslieferungshaft unterworfen ist, sind ein Skandal. Angesichts seines sich stetig verschlechternden Gesundheitszustands besteht akuter Handlungsbedarf.

Wie Sie wissen, liegt es in der Hand von US-Präsident Biden und seiner Regierung, das Ermittlungsverfahren gegen Assange zu beenden. Wir begrüßen, dass Präsident Barack Obama im Jahr 2017 bereits die US-Whistleblowerin Chelsea Manning begnadigt hat und sie nun in Freiheit leben kann. Wir bitten Sie eindringlich, bei all Ihren Gesprächen in Washington dafür Brücken zu bauen, dass Julian Assange nicht länger in Haft bleibt und endlich freikommt.

Handeln Sie – nicht zuletzt zur Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland und Europa und damit zur Rettung eines zu Unrecht verfolgten Journalisten!

Mit hoffnungsvollen Grüßen
Günter Wallraff


Mehr dazu:

Gewerkschaften für Assanges Freiheit

Assange: Ohne Anklage in Einzelhaft


Demohinweis: Am 9.9.2023 findet in Hamburg eine Demonstration für die Freilassung on Assange statt.


 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Filmtipp: Mädchen können kein Fußball spielen

Der sehenswerte Dokumentarfilm von Grimme-Preisträger Torsten Körner („Schwarze Adler“) ist eine Hommage an die Pionierinnen des deutschen Frauenfußballs. Körner hat bereits ein ausgezeichnetes Buch über das Thema geschrieben („Wir waren Heldinnen“). Der Film erzählt die Geschichte mit Hilfe von Zeitzeuginnen und vielen zeitgenössischen TV- und Wochenschau-Ausschnitten von den Anfängen in den 50ern bis zur siegreichen Heim-EM 1989.
mehr »

ARD schützt ihre Inhalte vor KI

Die ARD hat ihren Umgang mit Anbietern von KI geändert. Seit Ende Mai dürfen Unternehmen wie etwa Open AI, Perplexity oder Google (Gemini) Inhalte aus den Online-Angeboten der ARD nicht mehr nutzen, um damit ihre KI-Systeme zu trainieren. Das bestätigte der Senderverbund auf Nachfrage. Die ARD hat nun in ihre Webseiten einen sogenannten maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalt technisch eingebaut. Damit wird KI-Crawlern signalisiert, dass sie die Inhalte dieser Angebote nicht verwenden dürfen.
mehr »

Internet: Journalismus unter Druck

Angesichts der Vielzahl von Beiträgen zum 30-jährigen Jubiläum des Internets arbeitet der Journalist Jann-Luca Künßberg in einem Gastbeitrag für Netzpolitik.org heraus, wie umfangreich die Online-Welt Journalismus selbst verändert hat. Enorm schnell, so Künßberg, habe der Geschäftsgedanke die Vision eines digitalen Versammlungsorts beiseitegeschoben.
mehr »