Japan: Medien unter Druck

Berichte über die Situation in Fukushima werden zensiert

Drei Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima leiden die Menschen unter der Strahlung. Die Schilddrüsenkrebsrate bei Kindern ist deutlich angestiegen. Doch japanische Journalisten können kaum unabhängig über die Folgen der Katastrophe berichten.

Oshidori Mako war anlässlich einer Tagung „Folgen von Atomkatastrophen für Natur und Mensch” im März 2014 zu Besuch in Deutschland. Foto: Verena Schneider

Atom-Konzerne sind die größten Sponsoren japanischer Medien. Sie üben viel Druck auf die Berichterstattung aus. Oshidori Mako recherchiert und berichtet dennoch seit dem 11. März 2011 über die Folgen der Reaktorkatastrophe für Gesundheit, Natur und Gesellschaft. Sie spricht mit Kraftwerksarbeitern und Anwohnern, besucht Pressekonferenzen des Betreiberkonzerns Tepco. Doch ihre Arbeit ist nicht einfach: „Sobald ich etwas berichte, was unangenehm für die Regierung oder Tepco ist, spüre ich einen großen Druck”, sagt sie. So werden geplante Fernsehauftritte von Sponsoren verboten oder kurzfristig abgesagt. Bei Printmedien erhält sie Vorgaben, was sie schreiben und welche Ausdrücke sie verwenden darf. Lediglich bei kleinen unabhängigen Zeitungen oder Websites könne sie ihre Meinung frei äußern. Allerdings seien die Auflagen dort gering, die Klickzahlen niedrig. „Ich denke, dass ich mit meinen Artikeln weniger als ein Prozent der Bevölkerung erreiche”, sagt die Journalistin.
Dabei sei der Atom-Unfall in Fukushima keineswegs unter Kontrolle, betont Oshidori. Jeden Tag würden neue Lecks entdeckt. Die Folgen der Katastrophe spiele Tepco systematisch herunter. Beispielsweise seien dem Konzern zufolge bislang lediglich fünf Arbeiter gestorben. Diese Zahl beziehe sich jedoch nur auf diejenigen, die während der Arbeit verstarben, sagt Oshidori. „Wer am Wochenende stirbt, oder wer mit der Arbeit aufhört und später stirbt, taucht in der Statistik nicht auf.”
Von der japanischen Regierung fordert die Journalistin, Informationen offenzulegen. Gleichzeitig müsse sie der Bevölkerung ermöglichen, ausreichend Kenntnisse zu erwerben, um die Informationen richtig zu verstehen. Außerdem fordert Oshidori Mittel für Menschen, die die Region um Fukushima verlassen wollen. Derzeit stellt die Regierung nur für diejenigen Geld zur Verfügung, die in ihrer Kommune, d.h. auf verseuchtem, offiziell dekontaminiertem Gebiet, weiter leben. „Für diejenigen, die fliehen wollen, stellt die Regierung kein Geld bereit”, kritisiert Oshidori.

Weitere Informationen

Oshidori Mako studierte ursprünglich Medizin. Als Journalistin arbeitet sie u.a. für die Zeitung „Photojournalism” und das Online-Magazin www.magazine9.jp . Außerdem ist sie Vorstandsmitglied der Free Press Organisation, die 2011 als Reaktion auf die Verquickung von Stromkonzernen, Medien, Politik und Wissenschaft in Japan gegründet wurde.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

dju: Mehr Schutz für Journalist*innen

Anlässlich des Internationalen Tages der Pressefreiheit am 3. Mai fordert die Deutsche Journalistinnen und Journalisten Union (dju) in ver.di von Arbeitgeber*innen und Auftraggeber*innen in Rundfunk und Verlagen, den Schutz angestellter und freier Medienschaffender zu verbessern.
mehr »

ROG: Rangliste der Pressefreiheit 2025

Es ist ein Historischer Tiefstand. Die neue Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (RSF) zeigt: Nur in sieben Ländern ist die Lage "gut", alle liegen in Europa. Deutschland rutscht auf Platz 11 ab. Neben einer fragilen Sicherheitslage und zunehmendem Autoritarismus macht vor allem der ökonomische Druck den Medien weltweit zu schaffen.
mehr »