Journalisten nutzen das IFG noch zu wenig für Recherchen
In den Medien ist es ruhig geworden um das Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Über die zum 1. Januar 2006 neu gewonnene Informationsfreiheit wird kaum noch berichtet. Sie spielt auch als Mittel der Recherche für Journalisten nur ausnahmsweise eine Rolle. Auch die Zahl der IFG-Anträge ist 2007 drastisch zurückgegangen.
Für die Berichterstattung scheinen außer dem verblassenden Reiz des Neuen die Anlässe zu fehlen. Zwei Jahre IFG – was soll’s, scheint man sich selbst regierungsamtlich gedacht zu haben. Im Unterschied zum Jahr 2006 verzichteten sowohl das Bundesinnenministerium (BMI) wie auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, auf die Veröffentlichung einer IFG-Bilanz 2007. Und niemand scheint’s gemerkt zu haben.
2007: Zahl der IFG-Anfragen ging um 45 Prozent zurück
Dabei war die Bilanz nach dem ersten Jahr mit IFG durchaus positiv (siehe M 1–2/2007). Das Bundesinnenministerium konnte vermelden, dass von den 2.278 Auskunftsbegehren an verschiedene Bundeseinrichtungen im Jahr 2006 immerhin rund 60 Prozent ganz oder teilweise gewährt und „nur“ 18 Prozent abgelehnt wurden. Schaar wiederum konnte in rund zwei Dritteln der 161 im Jahr 2006 abgeschlossenen Fälle, in denen Bürger sich an ihn gewandt hatten, eine für den Antragsteller günstige Lösung erreichen.
Die vorher von den Skeptikern in verschiedenen Bundesministerien vielfach befürchtete „Antragsflut“ war 2006 ausgeblieben, obwohl sich einiges aufgestaut hatte – und verebbte 2007 nahezu. Nur noch 1.265 IFG-Anträge wurden an die verschiedenen Bundesressorts einschließlich ihrer Geschäftsbereiche gestellt, fast 45 Prozent weniger als 2006, wie aus der bisher unveröffentlichten IFG-Statistik des BMI hervorgeht. Da Ende 2006 noch 309 Erstanträge in der Bearbeitung waren (Ende 2007: 87), ist die Zahl der neuen IFG-Auskunftsbegehren noch geringer. Etwas erhöht hat sich die Quote der vollständigen (681) oder teilweisen Informationsgewährung (128) auf 64 Prozent. 247 Anträge (19%) wurden abgelehnt. Fast die Hälfte der 101 Widersprüche von Antragstellern wurde zurückgewiesen. 22 Klagen sind noch anhängig.
Tauss klagt wegen Toll Collect
Der wohl bekannteste gescheiterte Versuch auf Akteneinsicht war 2006 das Begehren von Jörg Tauss auf Einblick in die Verträge mit dem Maut-Konsortium Toll Collect. Er schaffte es auch 2007 als einziger IFG-Fall in die Berichterstattung der Tagesschau und aller überregionalen Zeitungen, als der SPD-Bundestagsabgeordnete gemeinsam mit seinem Kollegen Johannes Jung am 10. August 2007 in Berlin ihre Untätigkeitsklagen gegen Verkehrs- und Innenministerium vorstellten. Damit wollen sie erreichen, dass die Ministerien bislang geheimgehaltene Akten öffnen. Bei Jung geht es um einen Vertrag des Innenministeriums mit der privatisierten Bundesdruckerei über die Produktion der elektronischen Reisepässe.
Auch Peter Schaar meldete sich an jenem Tag zum einzigen Mal als IFG-Beauftragter öffentlich zu Wort und erklärte, dass er im Fall Toll Collect die restriktive Handhabung des Informationsfreiheitsgesetzes formell beanstandet habe. Das Verkehrsministerium hatte Tauss lediglich vier Vertragsseiten ausgehändigt und den Zugang zum „Rest“ der 17.000 Seiten umfassenden Unterlagen unter anderem mit der Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse abgelehnt. Schaar hält diese Argumentation nach eigener Einsichtnahme in die Unterlagen nur für Teile des Vertrages für tragfähig: „Eine darüber hinausgehende Geheimhaltung der Unterlagen widerspricht den Vorgaben des IFG.“
Der Fall Toll Collect macht deutlich, wie negativ sich die Ausnahmeklausel zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im IFG auswirkt. Sie war von den Journalisten- und Bürgerrechtsorganisationen (darunter der dju in ver.di), die sich erfolgreich für das Gesetz eingesetzt hatten, von Anfang an kritisiert worden. Das IFG sieht keine Abwägung vor, ob das öffentliche Interesse an der Information schwerer wiegt als das Geheimhaltungsinteresse des betroffenen Unternehmens. Damit lädt es offenbar Behörden dazu ein, im Zweifelsfall unter Verweis auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Akteneinsicht abzulehnen.
Regierungssponsoring aufgedeckt
Selbst als stern-Reporter Hans-Martin Tillack im August 2006 begann, mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes bei 14 Bundesministerien nach den Namen von Sponsoren zu fragen, beriefen diese sich teilweise auf „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ der Geldgeber (so das Gesundheitsministerium). Doch trotz anfänglicher Widerstände mussten die Fakten offengelegt werden, wenn auch oft erst nach Monaten (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von neun Ministerien) und mit zum Teil nicht unwesentlichen Gebühren belegt, wie Tillack in seinem Redaktions-Blog schreibt.
Dass etwa der Rüstungs- und Technologiekonzern EADS den „Ball des Sanitätsdienstes“, mal ein Feuerwerk, mal die Musik für seine Auftraggeber im Verteidigungsministerium finanziert, ist nur ein verblüffendes Ergebnis dieser Recherche zum Regierungssponsoring, die ohne das neue Transparenzgesetz kaum möglich gewesen wäre („Zum Wohl, liebe Staatsdiener!“ in Stern 4/2007).
„Die Recherche des Stern ist eine der Erfolgsgeschichten des IFG und zugleich eines der wenigen Beispiele, dass Journalisten mit Hilfe des Gesetzes völlig neue Fakten zu Tage gefördert haben“, schreibt Manfred Redelfs, der sich im Netzwerk Recherche ehrenamtlich seit langem für das IFG engagiert, in seiner Bilanz vom August 2007 nach eineinhalb Jahren Informationsfreiheit auf Bundesebene.
Journalisten nutzen IFG kaum
Recht hat er auch mit dem zweiten Teil seiner Aussage, denn nach der BMI-Statistik für 2006 wurden von den 2.278 Anträgen auf Akteneinsicht nur 92 von recherchierenden Journalisten gestellt. Davon entfallen allein auf Tillack gut die Hälfte, wie er im Interview für eine Hausarbeit zum Thema IFG dem Studenten Martin Lejeune berichtete.
In anderen Ländern werden solche rechtlichen Möglichkeiten von Presse und Rundfunk durchaus intensiver genutzt. Bekanntlich zählen sie in den USA mit zu den eifrigsten Nutzern von Auskünften nach dem Freedom of Information Act von 1966. Auch im ersten Jahr des neuen britischen Freedom of Information Acts von 2005 gingen rund 500 Medienberichte auf solche Anfragen zurück.
Interessante Akteneinblicke erst vor Gericht durchsetzbar
Dass der Versuch durchaus lohnend ist, verdeutlichen nicht nur Tillacks Sponsoring-Recherche, sondern weitere „Amtsgeheimnisse“, die 2007 mit Hilfe des Bundes- oder der Länder-Informationsfreiheitsgesetze öffentlich gemacht wurden. Um das Verborgene an das Licht der Öffentlichkeit zu bekommen, waren allerdings jeweils Gerichtsentscheidungen notwendig:
- Anfang Oktober verpflichtete das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg das Land Berlin, Einsicht in die Genehmigungsunterlagen zur Kalkulation der Wasserpreise zu gewähren. Geklagt hatten der Verband der Haus- und Grundeigentümer, um nachvollziehen zu können, warum Wasser in der Hauptstadt rund 60 Prozent teurer ist als in München oder Köln.
- Wenige Tage später entschied das Berliner Verwaltungsgericht auf Klage des Bild-Redakteurs Dirk Hoeren, dass der Bundestag offen zu legen hat, welche Zahlungen von Bundestagsabgeordneten zur Abgeltung ihrer unberechtigt privat verflogenen Dienst-Bonusmeilen auf einem Sonderkonto eingegangen sind, das 2002 nach der sogenannten „Bonusmeilen-Affäre“ eingerichtet worden war. Es lässt die Namen der Abgeordneten nicht erkennen.
- Am 7. November schließlich musste Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland eine Liste mit den Empfängern von EU-Agrarsubventionen zugänglich machen – aufgrund einer Klage der Brüsseler Korrespondentin Brigitte Alfter vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf. Die Veröffentlichung zeigte, dass Nutznießer der jährlich mehr als 520 Millionen Euro nicht kleine Bauern sind, sondern vorrangig Unternehmen der Agrarindustrie sowie der deutsche Landadel und außerdem der Energiekonzern RWE. Das Grundsatzurteil in NRW hat auch Brandenburg bewogen, die Spitzenempfänger zu veröffentlichen, wie es von der „Initiative für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen“ beantragt worden war.
Das deutsche IFG bietet mit seinen vielen Ausnahmebestimmungen Behörden eine Fülle von Möglichkeiten, unliebsame Anträge – auch von Journalisten – abzulehnen. Oft ist ein langer Atem notwendig und auch die Bereitschaft notfalls zu prozessieren. Das erschwert es insbesondere freien Journalisten, das IFG konsequent zu nutzen. Es scheint in deutschen Redaktionen aber auch an Kenntnissen und Kapazitäten zu fehlen, um bei der Recherche öfter mal über Telefon, Mail und Google hinaus kreativ zu werden.
So wird das IFG wohl erst wieder am 8. April ins Rampenlicht der (Medien-)Öffentlichkeit rücken. Dann wird der erste Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten zur Informationsfreiheit dem Bundestagspräsidenten übergeben.
Materialien zum Informationsfreiheitsgesetz
Wilhelm Mecklenburg und Benno H. Pöppelmann: Informationsfreiheitsgesetz. Gesetzestexte – Kommentierungen – Fallbeispiele – Erläuterungen, hg. v. IFG-Bündnis 2006 (ISBN 978-3-935819-22-0); Bestellung über die ver.di-GmbH, E-Mail: manina.walter@verdigmbh.de, Fax: 030/69 56–3160, 10 Euro Schutzgebühr + Porto und Verpackung
Info-Reihe der dju „Journalismus konkret“, Nr. 10, Informationsfreiheit – IFG und Auskunftsrechte der Journalisten; Bestellung kostenlos über die ver.di-Landesbezirke, Fachbereich Medien (FB 8); Download als pdf hier.
BfDI-INFO 2: Informationsfreiheitsgesetz des Bundes – Text und Erläuterung, Januar 2008; Bestellung kostenlos beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Husarenstraße 30, 53117 Bonn, oder hier.