Buchtipp: Ein Comic, der Mut macht

„Temple of Refuge“ erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der als Geflüchteter nach Berlin-Tempelhof kommt und sich mithilfe seiner Freund*innen, seiner Fantasie und einer mächtigen Technologie eine bessere Welt schafft. Der Comic, der ganz ohne Worte auskommt, ist eine internationale Zusammenarbeit mehrerer Kreativer. Die Idee zur Geschichte stammt von Sartep Namiq und ist angelehnt an seine Erfahrungen.

Das Berlin der Zukunft besteht aus eleganten Wolkenkratzern, die den Fernsehturm überragen, und auf deren Dächern kleine Wälder wachsen. Doch Teil dieser futuristischen Stadt sind nur all jene, die hineindürfen. Der Protagonist des Comics „Temple of Refuge“ gehört nicht dazu. Auf dem langen Weg aus seiner Heimat nach Berlin läuft er durch die Wüste und überquert in einem Schlauchboot das Meer. Endlich angekommen, bleibt ihm der Zugang zur Stadt verwehrt.

Er landet in einer heruntergekommenen Barackensiedlung in Tempelhof am Fuße der Mauer, die die Stadt umgibt. In der Siedlung findet er eine freundliche Gemeinschaft, die allerdings in ständiger Gefahr lebt, von einer brutalen Gang angegriffen zu werden. Nach einem blutigen Überfall nimmt die Geschichte eine unerwartete Wendung: Der Held und seine Freund*innen sind plötzlich in der Lage, die Mauern zu überwinden. Sie erschaffen sich die Stadt ihrer Wünsche – dank ihrer Fantasie und einer Technologie, die dem Protagonisten ungeahnte Fähigkeiten verleiht.

Die Idee für „Temple of Refuge“ stammt von Sartep Namiq. Der Kurde kam 2016 aus dem Irak nach Berlin und lebte in der temporären Notunterkunft in den Hangars des Flughafens Tempelhof – ein Ort, über den Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) nach der Schließung sagte: „Die Hangars sind nicht für eine Unterbringung von Menschen geeignet.“

Während dieser Zeit kam er in Kontakt mit der Gesellschaft der Neuen Auftraggeber. Das Netzwerk bietet Menschen die Möglichkeit, mit Unterstützung von Künstler*innen ihre Ideen umzusetzen. Der Auftrag von Sartep Namiq lautete: „Ich wünsche mir eine optimistische Geschichte über Flucht und Neuanfang. Ich will ein Comic ohne Worte und nur aus Bildern, das jeder lesen kann, und das allen Menschen Mut macht.“

Tatsächlich endet der Comic mit versöhnlichen Bildern: Die Mauern verschwinden, die alten und neuen Bewohner*innen Berlins finden zusammen und genießen das Leben in einer Stadt, die aus ganz unterschiedlichen Einflüssen besteht. Doch auch die dunklen Szenen wirken nach: Als das Schlauchboot, in dem der Protagonist dicht gedrängt mit vielen anderen sitzt, endlich Land erreicht, stürmen Menschen ans Ufer und bewerfen die Flüchtenden mit Steinen. So hat es Sartep Namiq nach eigenen Angaben tatsächlich erlebt.

An der Geschichte arbeitete Namiq gemeinsam mit Bruce Sterling. Der Amerikaner gilt als Mitbegründer des Cyberpunk, eine düstere Spielart der Science-Fiction-Literatur. Die Bilder stammen vom Comic-Zeichner Felix Mertikat. Förderung für das Projekt gab es vom Institut für Auslandsbeziehungen, dem Auswärtigen Amt und der Fondation de France. 10.000 Freiexemplare von „Temple of Refuge“ gehen an Schulen, Bibliotheken und NGOs. Als Hardcover ist der Comic auch im Buchhandel erhältlich. Alle Gewinne aus dem Verkauf kommen der Organisation Sea-Watch zugute.

Felix Mertikat, Sartep Namiq, Bruce Sterling und Matthias Zuber: Temple of Refuge. Egmont Comic Collection 2021, 84 Seiten, 10 Euro, ISBN: 978-3-7704-0115-4

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Journalistische Grenzgänger bei Funk

Die Reportage-Formate Y-Kollektiv, STRG_F, reporter, follow me.reports und Die Frage gelten als innovative Aushängeschilder des jungen öffentlich-rechtlichen Content-Netzwerks funk. Sie alle praktizierten eine sehr spezielle Form des Journalismus, die auf offenen 'Subjektivismus' und eine konsequente Personalisierung setze. Diese Merkmale bestimmten für viele ihren messbaren Publikumserfolg, seien aber auch immer wieder Anlass für scharfe Kritik, vermeldet die Otto Brenner Stiftung (OBS) anlässlich der Veröffentlichung ihrer Studie „Journalistische Grenzgänger. Wie die Reportage-Formate von funk Wirklichkeit konstruieren".
mehr »

Filmtipp: „Picknick in Moria“

Die litauische Regisseurin Lina Lužyte hat für ihren Dokumentarfilm über die Lage der Flüchtlinge in einem Lager auf der griechischen Insel Lesbos einen ungewöhnlichen Ansatz gefunden: Sie porträtiert den afghanischen Künstler Talibshah Hosini, der seit vielen Monaten mit seiner Familie in Moria lebt und seinerseits mit anderen Asylsuchenden einen Spielfilm über eine geflüchtete Familie dreht.
mehr »

Keine Zeitung in Alamogordo New Mexico

Die Stadt Alamogordo im südlichen New Mexico mag mit ihren Kettenrestaurants und leeren Parkplätzen nicht die schönste sein, doch die umliegenden Berge und gigantischen Halbwüsten machen den spröden Beton allemal wett. In der Militärstadt leben rund 31 000 Menschen. Holloman Air Force Base, eine Basis der Luftwaffe, ist der größte Arbeitgeber. Was Alamogordo nicht mehr hat, ist eine eigene Zeitung. Zumindest nicht im klassischen Sinne. In ganz New Mexico gibt es derzeit noch 36 Zeitungen.
mehr »

Gemeinsam gegen Hassrede im Netz

Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Landesmedienanstalten intensivieren ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen Hassrede und strafbare Inhalte im Netz. Ab sofort können alle Medienanstalten in Deutschland Verdachtsfälle von strafrechtlich relevanter Hassrede an die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet beim Bundeskriminalamt (ZMI BKA) melden. Bereits seit Mai 2022 arbeitet die Landesanstalt für Medien NRW eng mit dem BKA zusammen. Bis heute hat die Medienanstalt NRW knapp 700 Meldungen zugeliefert.
mehr »