Buchtipp: Medien- und Informationsethik

Buchcover

Medienethik für Fernsehen, Radio, Presse – Informationsethik für die Moral im Internet? Diese Unterscheidung ist inzwischen obsolet geworden, denn beide Bereiche fließen in der alltäglichen Kommunikationspraxis immer stärker zusammen. Die Tübinger Medienethikerin Jessica Heesen hat nun ein Handbuch herausgegeben, das die beiden Teile angewandter Ethik erstmalig zusammenführt.

Heesen, Leiterin der Nachwuchsforschungsgruppe „Medienethik in interdisziplinärer Perspektive“ der Universität Tübingen, versammelt in dem Band renommierte Autor_innen verschiedener Fachrichtungen, um die neuen Herausforderungen digitaler Kommunikations- und Informationsstrukturen zu problematisieren. Zum Beispiel: Was bedeutet es, wenn nicht mehr Journalist_innen entscheiden, was berichtenswert ist, sondern auf Algorithmen basierte Suchmaschinen die Gatekeeper-Funktion übernehmen. Wer prägt nun die öffentliche Willens- und Meinungsbildung?

Bei der Meinungsbildung verlieren Leitmedien an Bedeutung. An ihre Stelle trete „die individuelle Komposition von Medienerlebnissen“, die sich zusammensetzen kann aus Fernsehkrimi, Twitter, Youtube-Video, SMS und Küchenradio. Die neue Medienkommunikation ist gekennzeichnet durch Pluralisierung und Individualisierung und durch die Nutzung von „Alleskönner“-Geräten wie Smartphones.

Medien- und Informationsethik haben in der digitalen Gesellschaft eine gemeinsame Aufgabe, die Heesen in ihrer Einleitung umreißt: Sie bewerten und steuern „das individuelle, gesellschaftliche und institutionelle Handeln für eine sozial verträgliche Gestaltung von Kommunikations- und Informationstechniken“, adressieren aber auch die Verantwortung jedes einzelnen bei der „Entwicklung, Verbreitung und Anwendung“ dieser Techniken.

Konkretisiert wird das in den recht vielstimmigen Beiträgen der wissenschaftlichen Fachautor_innen, die einzelne Problemfelder thematisieren. Diese sind in sieben Kapitel eingeordnet, wobei eines dem Journalismus gewidmet ist – mit Beiträgen zu Qualität, Nachrichtenwert oder Quellenschutz. Das mit 100 Seiten umfangreichste Kapitel “Informationstechnische Herausforderungen“ behandelt u. a. Algorithmen, Big Data, Cyberkriminalität, Geistiges Eigentum und Virtuelle Realität.

Die einzelnen Beiträge sind für sich verständlich und umkreisen aus verschiedenen Perspektiven ethisch zentrale Begriffe wie Öffentlichkeit, Verantwortung, Freiheit, Demokratie, Algorithmen, Digitalisierung. Als Stichworte im Sachregister verweisen diese wiederum auf die Themenbeiträge. Über das Sachregister erfahren interessierte Leser_innen z. B. auch, dass „Hacktivisten“ keine Cyberkriminellen sind oder dass „Kamerabrillen“ unsere Gefühlslage verraten können.

Literaturangaben am Ende der Beiträge und ein umfangreiches Personenregister vervollständigen das Handbuch, das sowohl als Lexikon als auch als Studien- und Lesebuch genutzt werden kann.


Jessica Heesen (Hrsg.): Handbuch Medien- und Informationsethik. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart/Weimar 2016. 378 Seiten (Hardcover oder E-Book). 89,95 bzw. 69,99 Euro, ISBN: 978-3-476-02557-9

 

 

 

 

Weitere aktuelle Beiträge

Berichten über LSBTIQ-Themen

Wenn queere Menschen (Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie trans und inter Menschen) Beiträge über sich in Zeitungen lesen oder im Fernsehen gucken, kommen sie manchmal aus dem Staunen nicht heraus. Egal ob Boulevard, Qualitätspresse oder Nachrichtenagenturen: Regelmäßig gibt es Schlagzeilen über das „Homosexuellen-Milieu“ und ungelenke Formulierungen wie „Homosexuelle und Lesben“ oder „bekennende Bisexuelle“ und „Menschen im falschen Körper“. Ein kollegialer Leitfaden zeigt, wie es besser geht.
mehr »

Wie ähnlich ist presseähnlich?

Der Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Ralf Ludwig, erwartet, dass es für die öffentlich-rechtlichen Sender künftig schwerer werde, insbesondere jüngere Zielgruppen online zu erreichen. Grund dafür sei die „Schärfung des sogenannten Verbots der Presseähnlichkeit“, sagte Ludwig Ende Mai im Medienausschuss des sächsischen Landtags.
mehr »

ARD-Nachrichtentag: Mehr Transparenz

Nachrichten sind das Herz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie sollen gut recherchiert und aufbereitet sein, sollen verständlich Ereignisse vermitteln und einordnen. Beim ARD-Nachrichtentag am 5. Juni gab es einen offenen Einblick, wie das eigentlich geschieht. Teilnehmende bekommen Einblicke in den journalistischen Alltag und erfahren den Wert unabhängiger Nachrichten in Hörfunk, Fernsehen und Social Media.
mehr »

Altersversorgung für Filmschaffende

Zusammen mit der Schauspielgewerkschaft BFFS und dem Tarifpartner Produktionsallianz hat ver.di einen Tarifvertrag für eine branchenweite betriebliche Altersversorgung für Filmschaffende in Film- und Serienproduktionen abgeschlossen. Für die etwa 25.000 auf Projektdauer beschäftigten Film- und Fernsehschaffenden vor und hinter der Kamera wird die neue tarifliche Altersvorsorge ab Juli 2025 starten.
mehr »