Buchtipp: Porträts aus der Arbeitswelt

Supermarktkassiererin, München 2006 Foto: Werner Bachmeier

Der Hochofenmeister bei der letzten Schicht vor der Werksschließung in Sulzbach-Rosenberg blickt vom Cover. Wie ein Fels in der Brandung, stolz vielleicht, auch etwas müde. Fast 40 Jahre hat er hier geschuftet. Das „zweite Ich“ der Porträtierten ist es, das Werner Bachmeier interessiert, wenn er Menschen in ihrem Arbeitsumfeld ablichtet. Ein Gespräch auf Augenhöhe sei oft der Schlüssel zum Foto.

Auf Augenhöhe begegnen die Porträtierten dann auch dem Betrachter. Offen, selbstbewusst, sogar schelmisch manche, niemand versteckt hinter Maschinen, Apparaten, Fahrzeugen oder Regalen. Das bin ich, das mache ich, dokumentieren die Fotos, die keine Schnappschüsse und keine Inszenierungen seien, sondern Begegnungen mit Menschen in einer Welt, die für Außenstehende meist nicht zugänglich ist. Bachmeier hat sie besucht, Frauen und Männer in ihrem jeweiligen Arbeitsumfeld dargestellt: in der Produktion von Kraftwerksturbinen oder Druckmaschinen, beim Bau des A 340, im Papierrecycling, einer Großküche oder in der Kölner Dombauhütte, im Stahlgroßhandel, einer Miederwaren-Abteilung, im Krankenhaus oder Justizvollzug. Leute im „Betrieb“, einzig eine freie Journalistin wahrscheinlich im heimischen Arbeitszimmer.

Immer sucht man zuerst das Gesicht und den Blick der Abgebildeten, zieht Informationen aus Hand- und Körperhaltung, Kleidung und Werkzeugen. Davon lenkt auch dank des Schwarz-Weiß-Drucks nichts ab. Die Fotos stammen aus der Zeit von 1981 bis 2018.  Bildinformationen sind so knapp wie möglich gehalten. Keine Namen, aber immer der Aufnahmeort. Wenige zwischengeschaltete Autorentexte mit Fakten und Zahlen zu Themen wie Bezahlung und Tarif, Arbeitszeit und Überstunden, Niedriglohnsektor und Gender Pay Gap bieten bestenfalls Denkanregungen.

Aktuell beschäftigt sich Bachmeier mit Menschen im Homeoffice. Die Fotosammlung, die er im November 2020 zusammengestellt hat, schöpft aus seiner umfangreichen Datenbank. Seit 1986 arbeitet er als hauptberuflicher Fotojournalist. Auf den klar gestalteten, großformatigen 90 Seiten zieht er zugleich eine Art Bilanz von der Arbeitswelt in Vor-Corona-Zeiten. Als Einzelbuch in guter Aufmachung, aber nicht eben preiswert zu haben. Auch online lohnt ein Blättern.

Werner Bachmeier: Mein zweites Ich. Porträts aus der Arbeitswelt.

Hochofenmeister in Sulzbach-Rosenberg
Cover-Foto: Werner Bachmeier

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Ein Zuschuss für Freie zur Altersvorsorge

Hauptberuflich freie Autorinnen und Autoren können vom Autorenversorgungswerk der VG Wort einen Zuschuss zu ihrer privaten Altersvorsorge erhalten. Die Regelungen dafür wurden im vergangenen Jahr erneut zu Gunsten von Selbstständigen verändert. Inzwischen kann der Zuschuss bis zu 10 000 Euro betragen und auch über das Rentenalter hinaus beantragt werden. Nach wie vor werden jedoch viele Ansprüche nicht wahrgenommen. M sprach darüber mit Karin Leidenberger vom Autorenversorgungswerk.
mehr »

Weimer, ein konservativer Kulturkämpfer

Der neue Staatsminister und Bundesbeauftragter für Kultur und Medien Wolfram Weimer gilt politisch als Vertreter des liberal-konservativen Spektrums. Als ausgewiesener Kenner der Kulturpolitik war er bis zu seiner überraschenden Berufung im Mai nicht aufgefallen. Dagegen kann er aufgrund seiner vielfältigen Erfahrungen als Chefredakteur diverser Blätter (Welt, Cicero, Focus) sowie als Verleger des Magazins The European im Medienbereich eine beachtliche Expertise vorweisen.
mehr »

Pressegesellschaft schafft neues Monopol

Mit großen Bedenken und scharfer Kritik reagieren Gewerkschaften auf die Übernahme der Medienholding Süd durch die Neue Pressegesellschaft (NPG) mit Sitz in Ulm. Alle Stuttgarter Zeitungstitel, Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten sowie weitere traditionelle Regionalblätter aus Baden-Württemberg wie die Eßlinger Zeitung und der Schwarzwälder Bote werden künftig unter dem Dach der NPG, zu der auch die Südwest Presse, die Märkische Oderzeitung und die Lausitzer Rundschau gehören, weitergeführt.
mehr »

Das Schicksal von Toshiko Sasaki

Als am 31. August 1946 das us-amerikanische Magazin „The New Yorker“ an den Zeitungskiosken auslag, verriet das Titelblatt in keinster Weise, welche Geschichte im Heftinneren auf den Leser wartete. Die Vorderseite des Einbands stammte wie so oft von dem New Yorker Künstler Charles E. Martin und zeigte eine friedliche Parklandschaft, in der Menschen spielen, tanzen oder spazierengehen. Drinnen aber entfaltete sich in einer Reportage mit dem Titel „Hiroshima“das  Grauen, das dem Abwurf der ersten Atombombe am 6. August 1945 über Japan folgte.
mehr »