In Österreich erschien das Standardwerk für den Einstieg in den „Praktischen Journalismus“ 1984 mit blauem Cover, die Neuauflagen gab es jeweils in anderen Farben. Jetzt ist eine Art Neuauflage erschienen, herausgegeben von vier namhaften Journalist*innen Österreichs, wieder in blau und mit aktuellen Beiträgen von über 60 nicht nur österreichischen Autor*innen.
Das vergleichbare Werk in Deutschland in der Reihe „Journalistische Praxis“ war im List-Verlag seit 1975 immer gelb, stammte von Walter von LaRoche und gibt es jetzt im Wissenschaftsverlag Springer in der 20. Auflage. Viele von den erfahrenen Kolleg*innen werden es kennen, die ganze Reihe hatte vor Jahren ebenso ein Alleinstellungsmerkmal wie der österreichische „Pürer“, benannt nach Heinz Pürer, Mitgründer und Leiter des Kuratoriums für Journalistenausbildung, heute Österreichische Medienakademie, und später Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Die Herausgeber*innen sind in Österreichs Medienszene markante Persönlichkeiten: Ingrid Brodnig Expertin und Dozentin für so schwierige Themen wie Hate Speech, Verschwörungstheorien und ihre Bekämpfung. Zweiter ist Florian Klenk, Chef der Wiener Wochenzeitung „Falter“, der sich oft mit der FPÖ anlegt. Dritte im Bunde ist Gabi Waldner, Chefredakteurin um ORF-Newsroom und vierter der wegen seiner bohrenden Nachfragen bei Politiker*innen gefürchtete Armin Wolf, Anchorman der „Zeit im Bild 2“.
Vieles über die Grundlagen des journalistischen Berufs, die Spezialitäten verschiedener Ressorts und Ausspielungswege unterscheidet sich natürlich nicht von den deutschen Medienerfahrungen, zumal auch deutsche Kolleg*innen unter den Autor*innen sind. Für Berufsinteressierte und -einsteigende sind die Beiträge im Kapitel „Journalismus als Beruf“ besonders wichtig: Es geht nicht nur um Redaktionsmanagement, journalistische Ethik und Fehlerkultur, sondern auch um Arbeitsrecht, journalistisches Unternehmertum und Personal Branding.
Als Vergleich für deutsche Leser*innen besonders interessant sind die Bedingungen der österreichischen Medienlandschaft, die Harald Fiedler, Medienredakteur beim „Standard“, am Ende des Bands ausbreitet: „Politische Begehrlichkeiten und viel öffentliches Geld prägen Österreichs Medienlandschaft; ebenso aus Furcht und Berechnung geförderter Boulevard, regionaler Familienbesitz, die katholische Kirche, Raiffeisen – und ein herausragend großer öffentlich-rechtlicher Rundfunk.“ Dabei sieht Fiedler die Medienlandschaft jetzt an einem Kipppunkt: Die FPÖ will den ORF enorm zurückstutzen und setzt längst auf parteieigene oder parteinahe Ausspielwege und die anderen „Medien finanzieren sich zu wesentlichen Teilen aus öffentlichen Mitteln“.
Ingrid Brodnig, Florian Klenk, Gabi Waldner, Armin Wolf (Hgg.): Praktischer Journalismus. Ein Lehrbuch für den Berufseinstieg und alle, die wissen wollen, wie Medien arbeiten. Falter Verlag, Wien 2024. 29,90 Euro
