Buchtipp: Schwarzbuch durchleuchtet die AfD

Anders als die Piratenpartei scheint die AfD kein flüchtiges Phänomen zu sein. Zwar schwächte sich der Wählerzuspruch bei den jüngsten Wahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und NRW ab. Aber angesichts der starken parlamentarischen Repräsentanz in diversen Länderparlamenten im Osten der Republik und einem derzeit noch wahrscheinlichen Einzug der Rechtspopulisten in den Bundestag bleibt die Frage nach dem Umgang mit dieser Partei aktuell.

Umso verdienstvoller, dass das gemeinnützige Rechercheteam „Correctiv“ soeben mit dem Schwarzbuch eine Handreichung publiziert hat, die viel nützlichen Basisstoff über die rechten Aufsteiger liefert. Gerade Journalisten können von den hier ausgebreiteten „Fakten, Figuren, Hintergründen“ (Untertitel) profitieren: Mit reflexhafter Abwehr oder Ignoranz ist es nicht getan. Erst recht nicht mit der lange gezeigten Schwäche, auf jede gezielt eingesetzte Provokation der Neurechten hereinzufallen und ihnen damit unnötig Publizität zu sichern. Sinnvoller erscheint da schon eine konkrete Auseinandersetzung mit den politischen Inhalten der AfD. Denn die hat sich – so Markus Grill in der Einleitung – „längst von einer harmlosen Professorenpartei zu einer rechtsradikalen Sammlungsbewegung verändert, die keine Scheu vor einem Ausfransen in den Rechtsextremismus hat“. Zwar haben sich die unappetitlichen Tiraden eines Björn Höcke über das „Denkmal der Schande“ und seine Schmähung der antifaschistischen Gedenkkultur allgemein herumgesprochen. Aber für Gewerkschafter und Journalisten lohnt es sich allemal, auch die AfD-Positionen zu sozialen und ökonomischen Kernfragen kennen zu lernen. Wer weiß schon, dass diese Partei für die Abschaffung der beitragsfinanzierten Arbeitslosenversicherung eintritt, dass sie trotz vereinzelter Pro-Stimmen Probleme mit dem Mindestlohn hat, dass ihre Steuerpläne vor allem wohlhabende Bürger entlasten? Gepaart mit Informationen über dubiose Parteifinanzierungsquellen ergibt das gute Argumentationshilfen gegenüber Zeitgenossen, die die AfD immer noch für eine Vertretung der „kleinen Leute“ halten. Das Kapitel „Die Köpfe der AfD“ enthält in steckbriefartiger Form Infos über das Spitzenpersonal der Partei. Ein weiterer Abschnitt beleuchtet den ideologischen Sumpf im Umfeld der Rechten, von Pegida über die „Identitären“ bis zu den „Reichsbürgern“. Ein wichtiges Kapitel beschäftigt sich mit dem medialen Umfeld der AfD, in dem noch so krude reaktionäre und verschwörungstheoretische Weltbilder gedeihen. Zum Abschluss werden einige der steilsten AfD-Thesen einem Faktencheck unterzogen – eine nützliche Übung für Debatten auf der Straße oder am Tresen. Ob der biologistische AfD-Rassismus, wonach „Afrikaner“ ein „spezielles Vermehrungsverhalten“ an den Tag legen, ernsthaft einem solchen Check unterworfen werden muss, sei dahingestellt.

Markus Bensmann, Justus von Daniels, Markus Grill u.a.: Schwarzbuch AfD. Correctiv-Verlag Essen 2017. 226 Seiten, 10 Euro.

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