Buchtipp: Sind die Medien noch zu retten?

„Die Medien sind zu retten, wenn sie sich auf ihr Handwerk zurückbesinnen“, schreiben Thilo Baum und Frank Eckert. Journalistische Ausgewogenheit, Genauigkeit und Wahrhaftigkeit sollten hochgehalten werden. Denn diese Tugenden vermissen die Autoren zunehmend vor allem in der Politikberichterstattung.

Thilo Baum und Frank Eckert, Sind die Medien noch zu retten? Das Handwerk der öffentlichen Kommunikation. 422 Seiten, Midas Verlag, Zürich 2017, 17,90 Euro, ISBN: 9783000548666

Beide Autoren haben schon als Studenten für Printmedien gearbeitet und anschließend eine Ausbildung als Tageszeitungsredakteure durchlaufen. Baum ist seit 2004 selbstständig, Eckert, der bis 2014 fünf Jahre lang Redaktionsleiter der Volksstimme in Magdeburg war, seit 2014. Das prägt die Sicht beider auf den heutigen Journalismus, vor allem was die Wirtschaftsberichterstattung angeht. Denn sie sehen sich als Unternehmer und Geschäftsleute und beklagen, dass Selbstständige und ihre Bedürfnisse in der Berichterstattung kaum vorkommen. Die Weltsicht der schreibenden Kolleginnen und Kollegen sei dem veralteten Bild der Festanstellung verhaftet, auch wenn die Berichtenden zum Teil selbst Freie seien. Überhaupt sehen beide die meisten Medien links verortet und beklagen, dass zu viele Journalistinnen und Journalisten mit einem aus dieser Weltsicht geprägten „Skript“ im Kopf an ihre Arbeit gehen.

Vorwurf: Klischees und Schalten auf Autopilot

„Wir fürchten, viele Medien transportieren schlicht ein sozialistisches Weltbild“, sagen Baum und Eckert. Unvoreingenommenheit meinen sie am ehesten bei Welt, Handelsblatt, Focus und der Neuen Zürcher Zeitung zu finden. In zahllosen Beispielen, die sich mitunter leider wiederholen und dann ermüdend zu lesen sind, werfen sie anderen regionalen und überregionalen Zeitungen und öffentlich-rechtlichen Medien Meinungsmache vor. Viele Redaktionen zeichneten kein Bild der Realität, sondern schwelgten der Einfachheit halber in Klischees und lange eingeübten Worthülsen, gingen sprachlich „auf Autopilot“. Das linke „Narrativ“ präge die Berichte bis in die Wortwahl hinein, wenn auch vielleicht nicht immer mit Absicht.

Sicher haben die Autoren Recht, wenn sie vorschnelle Eilmeldungen, die ebenso eilig korrigiert werden müssen, ebenso anprangern wie inhaltsleere „Brennpunkte“. Eine Eilmeldung müsse auch wirklich für das Publikum von sofortiger Relevanz sein. Wer etwas zuerst gemeldet hat, interessiere allein die Medienleute, nicht aber die Leserinnen und Leser, die ja nicht ununterbrochen auf Empfang seien. Das Medienpublikum wolle nicht schnelle, sondern zuverlässige, sorgfältig recherchierte und relevante Nachrichten, die das Geschehen – wenn nötig – auch in den Zusammenhang früherer Vorkommnisse einordnen.

Vom Gespenst der Gleichmacherei…

Leserinnen und Leser wollten von Journalistinnen und Journalisten gutes Handwerk und keine Bevormundung und Manipulation. Meinung gehöre in den Kommentar, nicht unterschwellig in den Artikel. Dem wird wohl niemand widersprechen. Die Autoren sehen sich aber auch zunehmend durch Political Correctness und ihre Folgen in den Medien bevormundet, in der Wortwahl oder auch durch die Richtlinie 12.1 des Pressekodex, die sorgfältige Abwägung verlangt, ob es nötig ist, die Herkunft von Tätern zu nennen. Baum und Eckert gehören zu denen, die eine grundsätzliche Nennung befürworten, da das Verschweigen das Misstrauen gegen die Medien verschärfe. Sie wollen sich weder durch den Bann von Denglisch einschränken, den sie eher von rechts vermuten, noch von Sternchen, Unterstrich oder Binnen-I von links zum Gendern zwingen lassen. Letzteres ist für sie linke Gleichmacherei. Und sie vermuten: „Möglicherweise sind das ja die ersten Schritte in Richtung einer kommunistischen Gesellschaft, in der das Individuum am Ende gar nichts mehr zählt“. Das ist, mit Verlaub, eine zumindest „originelle“ These.

… und dem Verdacht des Seitenschindens

Redaktionen müssten mehr Kritikfähigkeit entwickeln und auch überzogene Vorwürfe nicht rundweg abbügeln, sondern das Körnchen Wahrheit darin suchen. Das sind in der Diskussion um den Verlust der Glaubwürdigkeit der Medien inzwischen weit verbreitete Forderungen. Ebenso, dass die Journalistinnen und Journalisten die Selbstgefälligkeit, bisweilen sogar Arroganz, die aus ihrer früheren Exklusivität als „Gatekeeper“ stamme, ablegen und sich der Interaktion mit ihrem Publikum öffnen müssten.

Redaktionen sollten vor allem ihr Publikum nicht für dumm halten, fordern die Autoren. Buchautoren sollten aber, so ein Resümee der Lektüre, ihre Leserinnen und Leser – wohl überwiegend aus der Medienbranche – nicht für begriffsstutzig halten. Die eigentlich interessante Lektüre verliert durch viele Redundanzen und immer gleiche Schlussfolgerungen in den verschiedenen Kapiteln leider zunehmend an Spannung.

 

 

 

 

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