Buchtipp: Tools für geschlechtergerechte Kommunikation

Außer Fakten-Checks gibt es inzwischen auch Framing-Checks. Es ist nicht nur wichtig, was sondern auch wie berichtet wird. So analysiert die „Süddeutsche Zeitung“ in einem „Framing-Check“  einzelne Begriffe, denn mit ihnen und ihren Rahmungen lasse sich Politik machen und manipulieren. Aktuell nutzen Gegner*innen der Geschlechter-Gleichberechtigung „Gender“ durch negatives „Framing“ als Kampfbegriff. „Re:framing Gender“ demonstriert nun, wie man mit einer geschlechtergerechten politischen Kommunikation gegensteuern kann.

Als „politische Antwort auf rechte Rollenklischees und rückwärts gewandte Vorstellungen zu Geschlecht und Vielfalt“ versteht die Friedrich-Ebert-Stiftung dieses kleine Lehrbuch, mit dem sie die Berliner Publizistikwissenschaftlerin Tanja Maier beauftragte. Die Kommunikations- und Genderexpertin sensibilisiert für Begriffe und Deutungsrahmen und veranschaulicht an Beispielen verschiedene Strategien, wie tradierte Stereotype und einordnende Frames in politischen Diskursen sichtbar gemacht, aufgebrochen oder umdefiniert werden können.

Wie unterschiedlich der Blick auf ein Thema durch seine Rahmung ausfallen kann, verdeutlicht Maier am Beispiel „Abtreibung“. Unter dem Frame „freie Entscheidung der Frau“ wird der Schwangeren das Recht auf einen Abbruch zugestanden und das als Ausdruck ihrer „moralischen Autonomie“ gewertet. Ist Abtreibung aber als „Tötung ungeborenen Lebens“ gerahmt, erscheint sie als „Eingriff in die Schöpfung“ und wird als „Mord“ verurteilt.

Wie sich durch „Counter-Framing“ die Deutungshoheit über ein Thema (zurück-)gewinnen lässt, demonstrierten Abtreibungsbefürworter*innen. Sie konterkarierten die von ihren Kontrahent*innen begrifflich positiv besetzte „Pro-Life“-Bewegung, indem sie sich selbst als „Pro-Choice“-Bewegung bezeichneten, also auch positiv „framten“ und nicht in die moralisch verwerfliche Ecke drängen ließen.

Beim „positiven Framing“ geht es darum, tradierte einengende Rollenbilder aufzubrechen und durch neue wertschätzende und vielfältige Deutungen zu erweitern. Wie das gelingen kann, wird an einer Analyse der Presseberichterstattung zum #MeToo-Diskurs deutlich. Die soziale Bewegung konnte sich mit persönlichen Zeugnissen von sexualisierter Gewalt als positiv gerahmte Kämpferin gegen Sexismus positionieren, auch wenn die negativen Frames als „Hexenjagd auf Männer“ oder „Regime der politischen Korrektheit“ weiterbestehen. Letztendlich gelang #MeToo aber eine Umdeutung, ein „Reframing“ von sexueller Belästigung. Während sie zuvor als individuelles Problem gedeutet wurde, wird Sexismus nun als strukturelles, gesellschaftliches Problem wahrgenommen.

Geschlechtergerechtes Framing bedeute auch, so Maier, über Begriffe nachzudenken – wie vielfältig, wertend oder ausgrenzend sie sind. Wenn dem weiblichen Stereotyp von der „Hausfrau und Mutter“ das der „Karrierefrau“ gegenübergestellt wird, „hat das zweifelsohne ein emanzipatorisches Potenzial“, so Maier.  Doch diese Umkehrstrategie ersetze ein „Set an stereotypen Eigenschaften“ durch ein anderes und ändert wenig an den Strukturen der Macht. So würden als „emotional und fürsorglich“ dargestellte Politiker abgewertet, denn Politik gelte weiterhin als Arena, „die nach den Regeln hegemonialer Männlichkeit funktioniert“. Gleichberechtigung kann durch eine Text- und Bild-Sprache, die alle repräsentiert, befördert werden. Gender-Diskurse tragen zur Sichtbarmachung und Anerkennung von Vielfalt bei, wenn sie Deutungsmuster von normativer Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität aufbrechen und die Teilhabe erleichtern.

Tabellen, Schaubilder, Zeichnungen, Denkaufgaben sowie praxisnahe Beispiele lockern Maiers wissenschaftlich fundierten Text auf, der angereichert ist durch Literaturnachweise, Links und Lektüretipps, oftmals einschlägige Leitfäden. Journalist*innen finden in „Re:framing Gender“  Anregungen, über das eigene Schreiben nachzudenken und einen vielfältigen Werkzeugkasten für eine politische Kommunikation, die geschlechtergerechte Berichterstattung fördert.

Tanja Maier: Re:framing Gender. Geschlechtergerechte politische Kommunikation verstehen und umsetzen. Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2020, 75 Seiten mit Lernposter, ISBN: 978-3-96250-761-9. Online kostenfrei verfügbar unter: https://www.fes.de/themenportal-gender-jugend-senioren/gender-matters/artikelseite/reframing-gender

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

Italien: Neun Jahre Haft für Recherche?

Drei Reporter*innen der italienischen Tageszeitung Domani müssen mit bis zu neun Jahren Gefängnis rechnen. Die Staatsanwaltschaft Perugia ermittelt gegen sie, weil sie vertrauliche Dokumente von einem Beamten angefordert und erhalten und das Geheimhaltungsprinzip der Ermittlungen verletzt haben sollen. Die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll kritisierte, dass „hier investigative Berichterstattung über Mitglieder der italienischen Regierung unterdrückt werden soll."
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »