Schon entdeckt: Das Wetter

Foto: Das Wetter

5000 verkaufte Exemplare alle Vierteljahr, Titelseiten, die ausschließlich auf Ästhetik setzen, noch dazu mit inzwischen auf 12 angewachsenen unterschiedlichen Coverstories – zumindest bei der letzten, der immerhin schon 35. Ausgabe. „Das Wetter“-Magazin weiß sich zu präsentieren. Seit über zehn Jahren zähle es, so heißt es, zu „den schillerndsten Printmagazinen des Landes“.

Magazin für Text und Musik haben Sascha Ehlert und Katharina Holzmann es genannt, das sind zwei große Kategorien, innerhalb derer sich einiges in Szene setzen lässt, es sich an Themen, Stilen, Genres mixen lässt, was das Zeug hält, so lange es nur den Wiedererkennungswert beibehält. Trotzdem ist das Wetter Magazin zumindest gleich aus zwei Gründen interessant: Es hat sich im totgesagten Print etabliert und noch dazu mit Musikjournalismus. Das mag auch an der präzisen Kalkulation liegen und an der überschaubaren Zahl der Exemplare: Mach dich rar, sei der Star. Das hat bei Intro und Spex leider nicht so gut geklappt.

„Das Wetter“ ist nicht die neue Spex, trotzdem nehmen Interviews mit Personen, die sich in Kunst, Kultur, Film und Szene schon einen Ruf erworben haben, einen nicht unerheblichen Platz ein. Weil sie sich einfach bedeutungsvoller und lässiger in seltenen Magazinen porträtieren lassen als in einem schnelllebigen Zeitungstext oder in einem Heft, was alle lesen. Trotzdem hat das Feuilleton, immer begierig auf der Suche nach Buntem und Düsterem, hier eine feine Quelle und kann sich inspirieren lassen. Denn „Das Wetter“ bietet noch dazu Platz für experimentelle und neue Texte, wirklich solche, die noch nirgends sonst zu finden und zu sehen waren.

Darling des Undergrounds

Wen das alles nicht überzeugt: Es mag gute Gründe geben, „Das Wetter“ nicht zu lesen. Aber allein das virtuelle Durchblättern von Ausgaben vermittelt das Gefühl, teilzuhaben an Trends und Entwicklungen, von denen man sich immer fragt, wo sie eigentlich entstehen. Noch dazu weil es auf dem Bildschirm wackelt und leuchtet, als stünde man irgendwo an der nächtlichen Großstadtkreuzung und hätte schon ordentlich einen im Tee. Foto-Shootings, die im eigenen wüsten Hinterhof nach einer durchgemachten Nacht mit schlechtem Licht stattgefunden haben müssen, inklusive. Alles gewollt, es kann gar nicht anders sein. Und trotzdem: „Darling des Undergrounds“ nennt es ein Rezensent in der Süddeutschen Zeitung. Das ist wahrlich keine Auszeichnung, die man ablehnen kann – zumal sie auch niemand offiziell verleiht.

Dazu passt, dass zum zehnjährigen Bestehen im vergangenen Jahr „Das Wetter Buch“ herausgegeben wurde. Denn dies geschah offensichtlich nicht, um das Ende des Magazins einzuleiten. Aber die Zeiten als Underground noch war, was morgen schon wieder vorbei ist, sind es ja ebenfalls. Best of Underground, das gibt es nicht. Aber Best of Wetter, das gibt es. Und das ist enorm vielseitig. Schade dennoch, dass sich dieses und auch andere so besondere Formate nur noch über Abonnements halten können und nicht mehr subversiv in Bahnhofsbuchhandlungen die Ödnis unterbrechen.
Aber: „Es kann nur besser werden“ ist seit der Gründung der Wahlspruch von „Das Wetter“. Na, hoffentlich sagen diejenigen, die es wohl eher nicht kennen. Und die anderen wissen ja wie es gemeint ist.

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