ARD und ZDF halten es nicht für sinnvoll, wenn die Bundesländer im Reformstaatsvertrag einen fixen Abschalttermin für das lineare Programmangebot des Kinderkanals KiKa festlegen. Die lineare Verbreitung zu beenden, sei „erst dann sachgerecht, wenn die weit überwiegende Nutzung eines Angebots non-linear erfolgt“, erklärten ARD und ZDF gemeinsam auf Nachfrage. „KiKA bleibt gerade für Familien mit kleinen Kindern eine geschätzte Vertrauensmarke, die den Tag linear ritualisiert, strukturiert und medienpädagogisch begleitet.“
Der Kinderkanal, den ARD und ZDF zusammen betreiben, gehört zu den Fernsehprogrammen, deren lineare Verbreitung die Bundesländer spätestens Anfang 2033 beenden wollen. So sieht es der aktuelle Diskussionsentwurf des Reformstaatsvertrags zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor. Ab Mittwoch berät in Leipzig die Ministerpräsidentenkonferenz über das gesamte Reformpaket, das ARD, ZDF und Deutschlandradio in verschiedenen Bereichen betrifft.
Dazu gehört auch, die Anzahl der TV-Spartensender von ARD und ZDF durch Fusionen zu reduzieren. Der KiKa steht hier aber nicht zur Disposition. Künftig soll es in drei Bereichen sogenannte Schwerpunktangebote von ARD und ZDF geben, für die höchstens bis Anfang 2033 ein lineares Programm noch zulässig sein soll. Anschließend würden die Inhalte dieser Angebote nur noch online abrufbar sein.
Kinder brauchen kuratiertes Programm
Für „ausgesprochen problematisch“ hält es das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI), beim KiKa die lineare Ausstrahlung zu beenden. „Kinder brauchen ein kuratiertes Programm“, erklärte auf Anfrage Maya Götz, Leiterin des IZI, das beim Bayerischen Rundfunk (BR) angesiedelt ist. Wichtig sei „ein sorgsam zusammengestelltes Programmangebot“, das „sich am Wohl des Kindes orientiert“. In der KiKA-Vorschulstrecke Kikaninnchen beispielsweise gebe es nur Sendungen, die gezielt für diese Altersgruppe konzipiert werden.
Insbesondere für Kinder sei „es wichtig, mit einer Vielfalt an Genres und Ästhetiken in Kontakt zu kommen“, so Götz weiter. Dokumentationen, Wissenssendungen oder auch Nachrichten könnten entscheidend den Horizont und das Informationsverhalten von Kindern prägen. Sei alles nur noch auf Abruf verfügbar, gehe die Chance verloren, dass sie „durch den Sendeverlauf auf andere Genres stoßen und diese für sich als wertvoll erfahren könnten“. Könnten Kinder die Inhalte wählen, „werden sie das aussuchen, was sie kennen und ihnen gefällt“. Das wären „vor allem unterhaltsame Animationsprogramme“. Andere Formate würden es dann laut Götz schwer haben.
Dass Kinder vermehrt Inhalte über das Smartphone auf Abruf nutzen, hält die IZI-Leiterin für problematisch: „Je jünger die Kinder sind, in dem sie das Smartphone als ‘all-in one’-Medium entdecken, desto schwerer wird es für Eltern, einen reflektierten Umgang mit dem Smartphone zu vermitteln.“ Hinzu komme: Die Größe die Bildschirms verhindere die Chance auf begleitetes und gemeinsames Sehen von Kind und Eltern. Dies sei aber, wie Studien zeigten, ausgesprochen wichtig für Bildung mit Medien und Medienkompetenz.
Inhalte sollten im Vorfeld geprüft werden
Die Nutzung von On-Demand-Diensten im Vergleich zum linearen Fernsehen sei dann positiv zu bewerten, wenn Medienangebote „gezielt für das individuelle Kind ausgesucht, ein- und auch wieder ausgeschaltet werden“. So sieht es Selma Brand von der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) in Bielefeld. Sie ist Sprecherin der GMK-Fachgruppe Kita. Der größte Vorteil von einem linearen wie auch On-Demand-Angebot wie KiKa sei neben der inhaltlichen Qualität „die Sicherheit, dass alle Inhalte im Vorfeld auf ihre Eignung für die Kinder geprüft werden“.
Doch Brand gibt zu bedenken: Kein Medienangebot solle den Tagesablauf in einer Familie steuern. „Lineares Fernsehen wird leider oft nur als schnell verfügbarer ‘Babysitter’ eingeschaltet“. Würden Inhalte ausgewählt, die sich an Interesse, Wissens- und Entwicklungsstand des Kindes orientierten, ermögliche dies „ein zielgerichtetes, selbstbestimmtes Medienerlebnis“, das zeitlich begrenzt sein sollte auf die Dauer einer Sendung. Je älter die Kinder seien, sollten sie immer eigenständiger entscheiden können, welche Medienangebote sie nutzen möchten.
KiKa rangiert vor Netflix
Laut der 2023 veröffentlichten KIM-Studie (Kindheit, Internet, Medien) nennen die Sechs- bis 13-Jährigen den KiKa mit 19 Prozent als ihre liebste Plattform für Bewegtbild, vor Netflix (14 Prozent) sowie Super RTL/Toggo und YouTube (jeweils 11 Prozent). Im Linearen war 2023 der KiKa in seiner Sendezeit mit einem Marktanteil von 14,1 Prozent Marktführer bei den Drei- bis 13-Jährigen.
Wichtiger als ein klassisches lineares TV-Angebot ist für Selma Brand von der GMK „ein gesicherter geschlossener kostenfreier Bereich“. Dies könne in Form einer App sein, um „für unterschiedliche Altersgruppen angemessene, qualitativ hochwertige Medieninhalte“ anzubieten. Ein solches Angebot müsse für Kinder und Eltern „zeitgemäß, inhaltlich attraktiv und intuitiv zu bedienen sein, um eine echte Alternative zu freien Angeboten aus dem Internet zu bieten“.
Das Deutsche Kinderhilfswerk plädiert bei der geplanten Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch für eine Diskussion über die programmliche Gestaltung und die angemessene finanzielle Ausstattung von Kinderfernsehprogrammen. Sie dürften kein „nice-to-have“ sein, erklärte Kinderhilfswerk-Präsident Thomas Krüger auf Nachfrage: Sie sollten „als konstitutives Element des Angebotes entsprechend in den Programmplanungen berücksichtigt werden, auch finanziell“. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) machten zuletzt darauf aufmerksam, dass die Rundfunkanstalten von ihren Ausgaben nur zirka 1,5 Prozent für Kinderangebote aufwendeten, obwohl 3- bis 13-Jährige rund 13 Prozent Anteil an der Bevölkerung hätten.