Filmtipp: „Die letzten Reporter“

"Die letzten Reporter" Foto: imFilm Agentur

Der Dokumentarfilm „Die letzten Reporter“ beobachtet drei unterschiedliche Zeitungsjournalist*innen bei ihrer Arbeit. Bei der Schweriner Volkszeitung, der Landeszeitung Lüneburg und den Osnabrücker Nachrichten gestattet er einen Blick in die Lokalredaktionen. Der 95-minütige Film von Regisseur Jean Boué wirkt dabei wie eine Natur-Dokumentation, die die letzten bedrohten Exemplare einer aussterbenden Art vor der Kamera zeigt: die Lokalreporter*innen.

Alte Männer tippen im Einfingersuchsystem ihre Artikel, basteln stöhnend Seiten am PC zusammen, führen Interviews am Telefon, treffen sich zur Blattkritik. Ruhige unaufgeregte Redaktionsarbeit ohne erkennbaren Stress. Nur die Umstellung auf ein neues Redaktionssystem bereitet Bauchschmerzen. Zu sehen ist etwa ein Sportreporter der Schweriner Volkszeitung, der, wie er sagt, wenig familienfreundlich an Wochenenden von den Wettkämpfen und Spielen der Region berichtet. Oder der letzte Kulturredakteur der Osnabrücker Nachrichten, der strotzt, was er so leistet und wie toll seine Stimme bei der Liveschalte, heftigst mit dem Papier raschelnd, im Lokalradio klingt. Das ist wenig professionell, dafür aber authentisch mit viel Selbstbewusstsein. Daneben Reportagebesuche etwa bei einer Sopranistin, die für wohltätige Zwecke singt. Dass das Interview gleich mit einem privaten Sektfrühstück verbunden wird, scheint kein Problem zu sein. Man kennt sich, man ist nett zueinander, man will ja nur berichten und auf gar keinen Fall irgendjemandem weh tun.

Genau das versucht der Film, mit sentimentaler Musik unterlegt, als Vorteil des ortsnahen Journalismus zu verkaufen: die Nähe zu den Menschen, die Unmittelbarkeit, die Möglichkeit für Bürger*innen, in der Lokalredaktion anzurufen und ihre Sorgen und Beschwerden schildern zu können. Hier hört man ihnen noch zu, das kommt in die Zeitung. Geschichten findet man nur, wenn man draußen ist, wenn man den Reporter*innen und dem Medium, der Zeitung vertraut. Das kann kein Facebook leisten, heißt es im Film.

Der Verlust ist nachvollziehbar, wenn Lokalredaktionen wegrationalisiert werden und die Zeitung weit entfernt in zentralen Newsrooms produziert wird. Zudem finden sich kaum noch freie Mitarbeiter*innen, die für ein dürres Zeilenhonorar schreiben wollen. Selbst das früher so begehrte Volontariat ist heute unattraktiv. Kaum verwunderlich bei niedrigem Einstiegsgehalt und Tarifflucht der Verlage.

Aber es gibt auch Hoffnungsschimmer. Da ist eine junge Kollegin bei der Landeszeitung Lüneburg, die nicht die große weite Welt sucht, sondern gerade in der Lokalredaktion ihre berufliche Zukunft sieht. Sie scheut nicht die von den Verlagen immer mehr verlangte crossmediale Vernetzung von Print und Online, die Zusatzleistung von Bewegtbild oder Podcasts, um neue möglichst jüngere Leser*innen und Abonnent*innen zu gewinnen. Die junge Kollegin sieht darin auch eine Chance. Ein Generationenwechsel und ein neues Berufsbild. Lokalreporter*innen werden zu Akteur*innen und sind nicht mehr nur Beobachter*innen.

Bis dahin bietet der Film interessante Einblicke. Aber Entscheidendes wird nicht hinterfragt. So wird etwa die fehlende Distanz zur jeweiligen Kleinstadtprominenz oder lokalen Wirtschaftsgrößen gar nicht erst problematisiert. Wer schlachtet und was kommt wie in die Wurst? Warum ist noch mal das Grundwasser ungenießbar weil wer noch mal alles völlig überdüngt und mit Herbiziden und Pestiziden vergiftet? Skandale aufdecken? Lieber nicht, man will ja keinem schaden, gar eventuell wichtige Werbekunden verlieren. So will der Film larmoyant zwar die guten alten Zeiten des Lokaljournalismus zeigen, die schwierigen Seiten des zu nahen Miteinanders von Reporter*innen und Reportierten werden aber nicht mal angerissen. Sehr schade, sonst hätte das ein empfehlenswerter Film werden können.

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