Wer sich für Dokumentarfilme interessiert, dem wird Arlette schon mal begegnet sein. Ihre Geschichte begann 2010. Da drehte die Dokumentaristin Heidi Specogna in Zentralafrika einen Film über das mörderische Wüten von Milizen aus dem Kongo. Der Film hieß „Carte Blanche“ und in ihm begegnet uns Arlette. Sie ist damals fünf Jahre alt, hat am Bein eine Schusswunde, die nicht heilen will und schreckliche Schmerzen.
Die Szene hat viele Menschen bewegt, es bildete sich eine Unterstützergruppe und Arlette konnte in der Berliner Charité operiert und geheilt werden. Davon erzählt Florian Hoffmann in „Arlette – Mut ist ein Muskel“: von der Ankunft in einer fremden Welt, von kulturellen Gegensätzen, vom ersten Schnee, von Hilfsbereitschaft und Heimweh. Als Arlette geheilt nach Bangui zurückkehren will, bricht ein neuer Bürgerkrieg aus. Sie muss noch in Berlin bleiben, die Politik rollt über ein Menschenschicksal hinweg.
„Arlette“ ist einer von vier Dokumentarfilmen, die 3Sat am 13. und 14. November zeigt, leider auch zu später Stunde, um 0.45 Uhr; also Festplattenrecorder programmieren oder am nächsten Tag die 3Sat-Mediathek bemühen. Alle Filme dieses kleinen Pakets sind auf der Duisburger Filmwoche gelaufen, einem kleinen, aber feinen und traditionsreichen Dokumentarfilm-Festival, das jährlich im November und nunmehr schon zum 41. Mal Produktionen aus dem deutschsprachigen Raum vorstellt. 3Sat ist wie Arte Medienpartner des Festivals und vergibt den 3Sat-Preis. Zum Arrangement dieser Partnerschaft gehört auch die Ausstrahlung einiger Filme.
Oft machen Filme, die in Duisburg gezeigt werden, ihren Weg. So auch „Mirr“, auf Deutsch das Feld (3Sat, 13.11.2017, 22.25). Der Film bekam 2016 in Duisburg den Förderpreis der Stadt. Auch dies eine Geschichte von Gewalt und Leid. Die Familie des Kleinbauern Binchey wird in Kambodscha von Plantagenbesitzern ihres Bodens beraubt, das Land wird für große Kautschukplantagen enteignet. Regisseur Mehdi Sahebi erzählt diesen Fall auf zwei Ebenen. Er lässt die Dorfbewohner selbst die Szenen der Enteignung nachspielen, fast wie ein therapeutischer Workshop, der die Ereignisse spiegelt und in dem viele Wahrheiten über das Alltagsleben der Dörfer zu Tage kommen. Eine Methode, die auch die Zuschauer in eine andere Betrachtungsposition bringt als die der bloßen Empörung. „Mirr“ erhält am 10. November auch den Eine Welt Filmpreis NRW, mit dem Filme ausgezeichnet werden, die in besonderer Weise für die entwicklungspolitische Bildungsarbeit geeignet sind.
Ins Innere des kapitalistischen Getriebes schaut „Offshore – Elmer und das Bankgeheimnis“ von Werner Schweizer (3Sat, 13.11.2017, 23.55). Der Ex-Revisor einer Privatbank wird wegen Verletzung des Bankgeheimnisses angeklagt und deckt die Mechanismen der Offshore-Geschäfte auf. Das hat in der Schweiz vielen nicht gefallen. Vierter Film schließlich: „Rudolf Thome – Überall Blumen“, die Geschichte eines gescheiterten Projekts und eine Hommage an den Filmemacher (3Sat, 14.11.2017, 22.25).
Das Mädchen Arlette ist nach ihrer Gesundung doch wieder nach Bangui zurückgekehrt. Dort wird sie uns in einem neuen Film begegnen. Heidi Specogna erzählt in „Cahier Africain“ davon, wie es einigen Frauen, die ihr 2010 bei ihren Dreharbeiten begegnet sind, erging. Ruhe vor dem Krieg, ungefährdeten Alltag für sich und die Kinder, das hätten sie gerne gehabt. Aber wieder bricht der Bürgerkrieg in ihr Leben ein und zwingt sie in die Flucht. Arlettes Wunde bricht wieder auf.
„Cahier Africain“ ist ganz nahe dran, kaum einmal hat man so dichte dokumentarische Szenen von Krieg und Flucht gesehen. Der großartige Film, der 2017 den Deutschen Filmpreis bekam, läuft am 4. Dezember um 22.25 auf 3Sat. Vormerken für ein Wiedersehen mit Arlette.