Zwei neue Politthriller erzählen von Journalisten und vom Verhältnis von Medien und Politik
Journalisten kommen oft vor in Krimis, aber meist als Randfiguren, gern ein wenig schmierig, gern ein wenig korrupt. Jetzt nehmen zwei neue Politthriller, die im November 2016 im Ersten ausgestrahlt werden, Journalisten als Protagonisten und verknüpfen sie sehr unmittelbar mit Politik. Klingt wie eine thrillermäßige Antwort für die „Lügenpresse“-Marktschreier. Helden der Aufklärung? Welches Bild vom Journalismus wird da entwickelt? Und geht es der Branche in der Fiktion auch so schlecht wie in der Realität? Teil 1 unseres Filmtipps: „Tödliche Geheimnisse“.
In dem großen, zu bester Sendezeit platzierten Thriller „Tödliche Geheimnisse“ von Sherry Hormann (05.11.2016, 20.15) trifft es die Redaktion „PULS“, die im Schrifttyp ein bisschen wie „SPIEGEL“ aussehen soll. PULS steht offenbar kurz vor der Pleite, weshalb die resolute Chefredakteurin Karin Berger (Anke Engelke) ihrem Verlagschef bedeutet, dann könnten sie gleich beim ordentlichen Journalismus bleiben. Der hat sich zu bewähren an einem Fall der großen Politik. Ein Whistleblower meldet sich und will erzählen, wie der Agrarkonzern Norgreen Life Inc. die TTIP-Verhandlungen beeinflusst – es ist der Rechtsanwalt der Firmenchefin (Katja Riemann). Die Rechercheurin Rommy Kirchhoff (Nina Kunzendorf) macht sich auf nach Brüssel, aber die Enthüllung stockt, der Whistleblower verschwindet mitsamt einem Anti-TTIP-Aktivisten.
Die beiden etwas hyperaktiv agierenden Journalistinnen (immerhin, realitätsgerecht: der Journalismusberuf wird weiblich) vermuten eine Entführung. Stück für Stück verbeißt sich die Rechercheurin in die Geschichte. Da gibt es Deals zwischen Brüssel und der Agrarindustrie, undurchsichtige Mittelsmänner, überall sind Kameras, es wird abgehört und abfotografiert, was das Zeug hält. Die Geschichte wird über viele kleine Puzzleteile zusammengefügt, mit vielen Schauplatzwechseln. Deshalb dauert es eine Weile, bis man ihr Zusammenspiel kapiert. Bis dahin kann man sich mit guten Schauspielerleistungen trösten.
In der Ankündigung des Films hat ARD-Programmdirektor Volker Herres einschränkend verlauten lassen, es handle sich vielleicht um eine „zu idealtypische“ Darstellung von journalistischer Arbeit und journalistischer Recherche. Das kann man so sagen. Wie man sich Journalismus gerne vorstellen möchte. Der Job ein einziges Abenteuer, spannend, gefährlich, die beiden Journalistinnen sind unentwegt unterwegs, von Flughafen zu Flughafen, von Schauplatz zu Schauplatz. Gut, ist halt ein Thriller, und das, was Journalisten hauptsächlich tun, nämlich vor dem Bildschirm hocken, damit lässt sich wenig Spannung erzeugen.
Das eigentlich Problematische ist aber – und das ist im deutschen Krimi leider üblich – dass das Politische am Stoff nicht zu fassen ist. Als Motive der Handelnden kommen immer wieder private Motive ins Blickfeld, Liebesaffären, Vater-Sohn-Dramatik, die beiden Journalistinnen haben auch grade eine Liebesbeziehung hinter sich. Das Politische dagegen rutscht in die Rhetorik. Dann müssen die Figuren Papier reden, müssen sich erklären, was sie eigentlich dem Publikum erklären wollen und lange Sachinformationssätze vor sich hinsagen. Etwa, was es mit den internationalen Schiedsgerichten bei TTIP auf sich hat. Oder was internationale Agrarkonzerne (man denkt hier natürlich immer an Monsanto) mit ihrem Saatgut bei indischen Kleinbauern anrichten. Selbst das Motiv des verhinderten Whistleblowers entpuppt sich am Ende als ein privates. Und das macht den schönen Stoff dann doch kleiner als er sein müsste.
In Teil 2 unseres Filmtipps zu „Journalisten im Blick“ wird es um einen Politthriller gehen, der das Publikum mit der Frage nach journalistischer Verantwortung, der Jagd nach dem Scoop und dem Skandalisieren von Politik beschäftigt.