Freie Journalist*innen oder Redakteur*innen haben es häufig nicht leicht: Sie werden oft schlecht bezahlt, nicht auf Augenhöhe behandelt, Mails und Anrufe werden zuweilen ignoriert, sie warten auf Rückmeldungen zu Themenangeboten, Redaktionen sind in manchen Fällen für sie nicht zu erreichen. So geht es vielen Freien, egal, welches Medium.
Viele erleben auch, dass ihre Texte, Audio- oder Video-Beiträge ohne Einverständnis verändert – verschlimmbessert – werden. Andere müssen die Erfahrung machen, dass, wenn sie Kritik üben oder ihre Expertise einbringen, sie schlichtweg nicht mehr berücksichtigt werden.
Gespart wird an Honoraren
Laut verschiedener Schätzungen steigt die Zahl von Freiberufler*innen im Journalismus immer weiter an. Aber: Die Honorartöpfe wachsen seit Jahren nicht. Und Ressortleiter*innen bekommen nicht selten auch Tantiemen, wenn sie den Honorartopf einhalten oder sogar dort einsparen.
Eine junge Freie, die anonym bleiben möchte, schildert: „Einerseits brauchen Redaktionen Freie, anderseits werden sie oft nicht fair bezahlt.“ Sie beklagt auch, dass einige Redaktionen unzuverlässig sind. „Manchmal dauert es lange, bis eine Rückmeldung kommt.“ Ihrer Ansicht nach kalkulieren Redaktionen auch mit der Situation von Freien. „Ich denke, dass Redaktionen wissen, wie prekär die Lage für viele Freie ist. Einige müssen mit Redaktionen, die sich unprofessionell verhalten, zusammenarbeiten, weil sie sonst nicht über die Runden kommen.“
Selbstredend gibt es auch Verlage, Medienhäuser, Redaktionen und Auftraggeber, die fair sind. Aus eigener Erfahrung sind dies allen voran eher linksliberale Medien, der öffentlich-rechtliche Rundfunk oder auch Fachmagazine. Das bestätigt auch die Journalistin. „Es gibt auch Redaktionen, die fair und zuverlässig bezahlen, für Angebote offen und gut zu erreichen sind.“
Verlage müssten eigentlich einstellen
Eine, die die Branche und die oft prekäre Lage im Journalismus bestens kennt, ist Renate Gensch. Sie war fast 28 Jahre Redakteurin und Betriebsratsvorsitzende im Berliner Verlag (Berliner Zeitung, Berliner Kurier). Seit 2018 ist die kampferprobte Gewerkschafterin Freie. „Ich arbeite inzwischen für verschiedene Auftraggeber“, sagt sie im Gespräch. „Als Betriebsratsvorsitzende habe ich gerade die Situation von Freien bei uns im Verlag verbessert, ob nun durch Abwehr von Total-Buy-Out-Verträgen oder durch Hilfe bei Kündigungen, damit sie fehlende, ihnen zustehenden Sozialversicherungsbeiträge zu erhalten.“
Besonders stolz sei sie, dass in ihrer Zeit 100 Freie vom Verlag eingestellt werden mussten, weil sie scheinselbstständig gewesen seien. Fortan wurden sie laut Gensch nach Tarifvertrag bezahlt, womit sich deren ökonomische Situation verbessert hat.
Viele Freie tragen große Lasten
Dass es natürlich auch sehr gut verdienende Freie gibt, die sich spezialisiert haben und für große Medien im In- und Ausland arbeiten, verschweigt auch Renate Gensch nicht. „Aber bei einem Großteil sieht das anders aus. Den Freien wird die ganze Last auferlegt – sie müssen das technische Equipment wie Kamera, PC, Laptop, Mobiltelefon, Software wie Bildbearbeitungsprogramme stellen, ein Auto haben, ihre Sozialversicherungsbeiträge voll selbst tragen.“
Gensch kritisiert, dass viele Freie erst einmal „Total-Buy-Out-Verträge“ der Verlage unterschreiben sollen, bevor sie Aufträge bekommen. Damit treten sie alle Nutzungsrechte für kein oder ein minimales Zusatzhonorar ab. „Dort konnten wir aber als dju und ver.di zumindest oft gerichtlich diese Verträge für die Urheber*innen untersagen lassen.“
Nicht vergessen werden dürfe man ferner, dass viele Freie alleine in brenzlige Situationen – ohne Schutz durch den Auftraggeber – geschickt werden, etwa bei Demonstrationen oder wenn es um Recherchen im kriminellen Milieu geht.
„Auch deshalb haben wir als dju mit anderen Organisation den Schutzkodex entwickelt, bei dem feste und freie Journalisten gleichermaßen Schutz erhalten sollen“, so Gensch. Der Spiegel, Zeit, Zeit Online, Süddeutsche Zeitung, taz, FR, Funke oder auch die dpa, correctiv oder „Frag den Staat“ haben sich dem Kodex angeschlossen.
Die Funke Mediengruppe hat sich zur Frage, welchen Stellenwert Freie für sie haben, nicht geäußert. Anders Der Freitag. „Es gibt eine lange Tradition der Zusammenarbeit mit freien Autor*innen. Deshalb war es der Chefredaktion auch wichtig, den Code of Fairness der Freischreiber zu unterzeichnen“, erklärt Chefredakteur Philip Grassmann. So soll Der Freitag Wert auf einen offenen und transparenten Umgang mit Autor*innen legen. „Dazu gehört eine zeitnahe Kommunikation, das Abstimmen von redaktionellen Änderungen in den eingereichten Texten und Transparenz gegenüber den Autor*innen, was Defizite, aber auch was die besondere Qualität des eingereichten Textes angeht“, meint Grassmann. Der Autor teilt diese Erfahrung allerdings nicht unbedingt. Dazu kommt: Die Wochenzeitung hat laut Grassmann keinen festen Stundensatz, Honorare werden individuell verhandelt.
Gründe: Zusammenlegungen und Berufswechsel
Zur Arbeitsbelastung, zu Arbeitsbedingungen und zu immer starrer werdenden Hierarchien zwischen Freien und festen Redakteur*innen stellt Renate Gensch fest: „Die Zahl der festangestellten Redakteur*innen nimmt immer weiter ab. Große Teile sind dazu da, um die Produktion der Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk- oder Fernsehsendung oder des Online- oder Social Media-Auftritts abzusichern.“ Auf der Hand liegende Gründe dafür sind, dass Ressorts und Lokalredaktionen immer häufiger zusammengelegt werden.
Auch, dass für einen immer größer werdenden Teil an Festen der Journalismus nicht mehr attraktiv und zukunftsträchtig erscheint. Sie wechseln häufig die Schreibtischseite, werden Pressereferent*innen bei Verbänden, Konzernen oder Parteien.
Das bestätigt kürzlich auch der Bereichsleiter Medien und Publizistik bei ver.di, Matthias von Fintel, in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk. So würden viele Volontär*innen nach Abschluss ihrer redaktionell-betrieblichen Ausbildung den Verlagen den Rücken kehren und die Branche wechseln. Nicht nur deswegen findet er die Lage bei der Presse dramatisch, obwohl es den Zeitungen wirtschaftlich gar nicht so schlecht gehe. „Nah an der Politik im Lokalen dran zu sein, das können eigentlich nur Zeitungsredaktionen leisten und das fällt zunehmend weg – sowohl durch Einsparung von Stellen, aber auch durch immer weniger Personal, das in den Regionen noch unterwegs ist. Und das ist natürlich auch demokratiekritisch.“
KI verschärft schlechte Lage der Freien
Da kommen die Freien wieder ins Spiel. Denn viele wollen nicht die Branche wechseln, sondern lieber unabhängiger werden. Oder sie halten die Arbeitsverdichtung und den steigenden Druck in vielen Redaktionen nicht mehr aus. Zwischen 60 bis 70 Prozent der Mitglieder in der dju bei ver.di seien inzwischen Freie. Die Arbeitgeber sparen sich so auch die für sie lästigen Sozialversicherungsbeiträge. Aber: „Die Honorare steigen nicht und viele arbeiten nicht nur deshalb crossmedial, wie etwa als Fotograf und Videojournalist“, so Gensch weiter. Es sei sogar zu befürchten, dass KI die Situation noch verschärfen wird.
Kernaufgabe von Gewerkschaft ist es, die Arbeitsbedingungen und Gehälter von ihren Mitgliedern zu verbessern. Das geschieht natürlich, aber oft reicht es danach trotzdem nicht. Renate Gensch kennt das. „Viele Freie arbeiten wegen ihrer prekären Situation für jedes Honorar, weil sie die Miete bezahlen müssen oder durch Zusatzjobs, etwa in der Gastronomie, finanzieren.“ Ein kleines Verlagshaus zwischen Köln und Düsseldorf, das dem Redaktionsnetzwerk Deutschland einverleibt worden ist, bezahlt läppische 50 Euro für einen Aufmacher im Lokalteil. Das sei schon an der obersten Grenze des Machbaren, meint der Lokalchef kühn dazu. Wie soll man davon leben? Das kann nur Zubrot sein. Und ständig die Angst, keine neuen Aufträge zu bekommen, wenn man mal nach mehr Honorar fragt. So werden die Honorare nicht steigen, sondern eher noch weiter gedrückt. Eine Abwärtsspirale – ohne viel Hoffnung auf Verbesserung.
Soloselbstständige brauchen Regelung
Um einen differenzierten Blick zu erhalten, muss man auch das Wettbewerbsrecht bemühen. Soloselbstständige werden genauso behandelt wie Unternehmen wie Google oder Mercedes, sie dürfen keine Preisabsprachen machen. „Das hat die EU-Kommission auch durch unsere Aktivitäten von dju, ver.di, der EFJ und anderen erkannt und eine entsprechende Direktive erlassen, um die Situation der Soloselbstständigen zu verbessern“, ordnet Renate Gensch ein. Eine deutsche Regelung dazu steht jedoch weiterhin aus.
So lange bleibt die Möglichkeit, gemeinsame Vergütungsregelungen im Rahmen des Urhebervertragsrechts zwischen den Beteiligten zu vereinbaren. Das Problem ist, dass „die Zeitungsverleger mit dju und djv vor Jahren so etwas vereinbarten, sich dann aber weiteren Erhöhungen mit dem Verweis auf das Wettbewerbsrecht verweigerten“, sagt die Gewerkschafterin. Immerhin stellt der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Vergleich zu privaten Medienhäusern die Freien besser. Hier gibt es Honorarrahmen und Zahlungen in die Pensionskasse durch Tarifverträge.
In die dju bei ver.di einzutreten, ist daher ratsam, erklärt Gensch. „Dort hat man dann Rechtsberatung und -schutz bei der rechtlichen Durchsetzung des Honorars, der Nutzungsrechte, aber auch Honorarverhandlungs- oder Schutztrainings.“
Wie hoch die Einkommen der Soloselbstständigen im Kultur- und Kreativbereich – darunter auch die der freien Journalist*innen – tatsächlich sind, belegen drei neuere Studien: So hat das Prognos-Institut im Auftrag des Wirtschaftsministeriums und der Staatsministerin für Kultur und Medien festgestellt, dass jede vierte soloselbstständige Person 2022 weniger als 1.000 Euro netto im Monat verdiente. 40 Prozent der Befragten haben keinerlei Rücklagen für das Alter oder im Durchschnitt werden nur 148 Euro monatlich in die Rentenversicherung eingezahlt.
Eine Studie zum Gender Pay Gap 2024 vom Kölner Büro für Kulturwirtschaftsforschung aus dem vergangenen Jahr offenbart gar, dass der Gehaltsunterschied wegen des Geschlechts bei den Kreativen steigt, während er im Durchschnitt auf 16 Prozent gesunken ist. Aus ausgewerteten Daten der Künstlersozialkasse geht hervor, dass Journalist*innen zwischen 26.000 und 27.500 Euro Jahreseinkommen haben und Journalistinnen 21 bis 23 Prozent weniger verdienten. Freie Journalistinnen haben es demnach nochmals schwerer als ihre männlichen Kollegen auf dem Arbeitsmarkt.