Mit großen Bedenken und scharfer Kritik reagieren Gewerkschaften auf die Übernahme der Medienholding Süd durch die Neue Pressegesellschaft (NPG) mit Sitz in Ulm. Alle Stuttgarter Zeitungstitel, Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten sowie weitere traditionelle Regionalblätter aus Baden-Württemberg wie die Eßlinger Zeitung und der Schwarzwälder Bote werden künftig unter dem Dach der NPG, zu der auch die Südwest Presse, die Märkische Oderzeitung und die Lausitzer Rundschau gehören, weitergeführt.
Die Medienholding Süd gehörte zuvor der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH) mit Sitz in München mit dem Flaggschiff Süddeutsche Zeitung (SZ). Dadurch gibt der SWMH-Konzern seine Zeitungen in Baden-Württemberg auf.
„Durch die Übernahme wird sich die Konzentration in der baden-württembergischen Medienlandschaft dramatisch verschärfen“, sagt Martin Gross, ver.di Landesbezirksleiter Baden-Württemberg. Gab es bisher zwei große Player und noch wenige eigenständige kleinere Medienhäuser, wird nach der Übernahme ein Konzern dominieren, befürchtet Groß. „Die Demokratie im Südwesten braucht auch bei den Medien Vielfalt.“
Im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb erhält die NPG demnach durch die Übernahme praktisch ein Monopol, heißt es von dju in ver.di und djv. So oder so steht fest: Mit der Übernahme wird der Ulmer Verlag der mit Abstand größte Akteur im baden-württembergischen Zeitungsmarkt. Eine verkaufte Auflage von bis zu 500.000 Exemplaren könnte erreicht werden.
Ganz ähnlich äußert sich auch Uwe Kreft, bei ver.di Baden-Württemberg für den Bereich Medien zuständig. „Die Redaktionen der Zeitungen in der Medienholding Süd und der Südwest Presse wurden durch etliche Sparrunden ausgepresst wie eine Zitrone.“ Die Kolleg*innen seien es leid, ständig Spielball ihrer Medienkonzerne zu sein und gleichzeitig mit immer weniger Personal immer mehr Inhalte in Print und Digitalem liefern zu müssen. Weitere Einsparungen und vor allem Zusammenlegungen seien zu befürchtern. Dann richtet er einen deutlichen Appell an die Südwest Presse: „Die Kolleginnen und Kollegen in beiden Häusern stehen für Qualitätsjournalismus. Aber auch für Engagement und Streikbereitschaft in eigener Sache. Bezahlung nach Tarif ist ein Muss.“ Es dürfe keine nochmalige Verschärfung des Personalabbaus durch die Hintertür geben, mahnt Kreft.
Bundeskartellamt gab grünes Licht
Ermöglicht hatte den Übergang der Anteile an der Medienholding Süd von der SWMH auf die NPG vor wenigen Wochen das Bundeskartellamt. Zwar mit Sorgen, wie Andreas Mundt, der Präsident der Kartellbehörde, in einer Pressemitteilung darstellt. „Die Übernahme des Schwarzwälder Boten durch die Verlegerin der Südwest Presse ist wettbewerblich bedenklich, weil diese beiden Titel in Teilen von Baden-Württemberg die einzigen Wettbewerber im Bereich regionaler Tageszeitungen sind. Dennoch mussten wir den Zusammenschluss freigeben.“
Vor der Übernahme hat die NPG noch rechtzeitig einzelne Lokalausgaben des Schwarzwälder Boten, die ihr gehörten, veräußert. Erst dadurch blieb auch nach der Übernahme das Marktvolumen unter fünf Millionen Euro und damit auch unter der hier zentralen „wettberbsrechtlichen Bagatellgrenze im Zeitungsbereich“, erklärt ver.di-Mann Uwe Kreft.
Komplexe Konzernstruktur
(Medien-)Konzerne geben sich gerne einmal intransparente und komplizierte Strukturen. Die SWMH, 2008 gegründet, toppt das aber alles, hat man das Gefühl bei der Analyse des Unternehmensgeflechts. Die Medien Union Ludwigshafen („Rheinpfalz“) von Verleger Thomas Schaub und die Gruppe Württembergischer Verleger dominieren die Holding mit jeweils 47,5 Prozent der Anteile gemeinsam. Zu dem Zeitungskonzern gehören aber auch der Süddeutsche Verlag mit der SZ, einer Fachmediensparte und der Verlagsgruppe Hof, Coburg, Suhl, Bayreuth sowie bis vor Kurzem die Mehrheit (82 Prozent) an der Medienholding Süd mit der Stuttgarter Zeitung, den Stuttgarter Nachrichten, der Eßlinger Zeitung sowie dem Schwarzwälder Boten.
Die NPG soll Brancheninformationen zufolge wiederum mit einem Anteil von gut 12 Prozent an der SWMH tonangebend innerhalb der Gruppe Württembergischer Verleger sein. Die Medien Union Ludwigshafen plant laut Berichten, die SWMH-Fachmediensparte zu übernehmen. Letztlich bleibt wohl alles irgendwie in der (Konzern-)Familie. Um einzusparen und weiter Kosten zu drücken? Davon können die noch rund 320 verbleibenden Beschäftigten der Stuttgarter Medienhäuser – vormals Medienholding Süd – ein Lied singen. Allein seit 2015 ächzen sie unter Zusammenlegungen von Titeln (von Stuttgarter Zeitung und Nachrichten zu einer gemeinsamen Redaktion, dem Stuttgarter Pressehaus), Ressortsauflösungen und auch wurden jede Menge Stellen auslaufen lassen und somit gestrichen. Aktuell läuft die zweite große Einsparwelle innerhalb von nur drei Jahren. 2022 wurden 70 Stellen eingespart. Die dju setzt sich für einen neuen Tarifvertrag ein, bisher vergeblich, da die Geschäftsführung Gespräche mindestens hinauszögert oder gar verweigert, heißt es.
Sowohl die SWMH als auch die NPG noch die Medienholding Süd haben auf entsprechende Anfragen reagiert.

