Mitteldeutsche Medientage 2025

Gleich mit einigen Elefanten hatten es die Teilnehmenden der Mitteldeutschen Medientage 2025 zu tun. Bild: Wikipedia

Große Themen lagen bei den Mitteldeutschen Medientagen auf dem Tisch. Vor allem die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen brennt derzeit vielen Akteuren unter den Nägeln. In diesem Jahr müssen Weichen gestellt werden. Dennoch machte sich die Politik teilweise rar in der Leipziger Baumwollspinnerei. Kontrovers ging es um Social-Media-Regulierung und unabhängige Medienplattformen in Europa. Ein Bericht aus gewerkschaftlicher Perspektive.

Es gehe darum, sich als Dialogmedium zu verstehen, fasste ZDF-Intendant Dr. Norbert Himmler die Situation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei den Medientagen Mitteldeutschland in der Baumwollspinnerei Leipzig zusammen. Der erste Elefant stand nun gemütlich mitten im Raum.

Politik glänzt mit Abwesenheit

Der Austausch zum gegenwärtigen „Konflikt“ rund um den Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hätte, wie von allen Gästen erwartet, wirklich spannend und erkenntnisreich sein können. Doch gleich zu Beginn glänzte die Politik durch ihre Abwesenheit: nicht ein, sondern gleich zwei der zwei versprochenen Ministerpräsidenten für das erste Panel, Sachsens Minsterpräsident Michael Kretschmer und Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt, ließen sich kurzfristig entschuldigen. Es geht um alles für den ÖRR in diesem Jahr und trotzdem, von der „Verantwortungsgemeinschaft“, wie sie Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder für das Vorsitzland Rheinland-Pfalz, ansprach, war am ersten der zwei Tage nur eine Spur erkennbar.

Immerhin zwei Intendanten und viel Expertise fanden sich auf dem Panel wieder. Doch die Kernfragen – Warum drei von 16 Ministerpräsident*innen ihre Unterschrift immer noch verweigern, ob sie sich der Konsequenzen ihres Handelns überhaupt bewusst sind, ob der radikale Sparzwang durch die KEF überhaupt legitim ist und ob es wirklich eine Verfassungsbeschwerde gebraucht hätte – bleiben bis zum Schluss unbeantwortet.

Haseloff verspricht soziale Lösungen

Als Gewerkschafter*innen der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di versuchten wir daran zu erinnern, wie die Arbeitsbedingungen der betroffenen Beschäftigten – der zweite und älteste Elefant in der Medienlandschaft Deutschlands – unter der Auslegung der noch nicht mal rechtskräftigen Rundfunkreform noch prekärer werden. Das betrifft zum Beispiel in den Töchterunternehmen des Mitteldeutschen Rundfunks den technischen Dienstleister MCS TEAM GmbH. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff versicherte daraufhin im persönlichen Gespräch und auf dem Podium seine Solidarität mit den dortigen Beschäftigten, welche derzeit um eine angemessene Tariferhöhung kämpfen. Sein Versprechen, dass es auch dort sozial zugeht, will er ausdrücklich halten. Wir nehmen ihm beim Wort und bleiben dran.

Schlüsselthema: Berichterstattung über Ostdeutschland

Nach einer sehr umfangreichen Keynote von Dirk Oschmann, zuletzt Autor von „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ und seinem damit verbundenen – für viele Anwesende spürbar schwer zu ertragenden – Crashkurs und Exkurs in die deutsche Mediengeschichte der letzten 60 Jahren war die Stimmung zum Panel Im Osten nichts neues? Ostdeutschland in den Medien – genau richtig vorbereitet. Zugleich stand damit der dritte Elefant im Raum. Zwar sei die Berichterstattung über den Osten besser geworden, aber nach wie vor geprägt von etlichen Beispielen einer bad practice. Das Panel brachte die Zuhörende so weit, dass sie Herrn Dr. Oschmann u.a. fragten, ob er doch ein Buch über das Zusammenbringen der Deutschen schreiben möge. Immerhin sprach Reiner Haseloff das politische Versagen in West und Ost – der vierte Elefant im Raum – als eine sehr prägende Ursache für die Unausgewogenheit und auch die Ignoranz vieler Medienschaffender in Bezug auf Ostdeutschland an.

Einzige Chance: an Repräsentativität gewinnen

Einigkeit gab es darüber, dass eine echte Repräsentativität des Ostens nur durch eine realitätsnahe Berichterstattung möglich ist. Die Realität Ostdeutschlands ist sehr divers und sehr oft sehr solidarisch. Nur, als aus unseren Reihen die Frage gestellt wurde, wie denn die anwesenden Medienschaffenden in entscheidenden Positionen aus Ost- und West diese auch migrantisch geprägte Diversität in der Lebensrealität Ostdeutschlands – der fünfte Elefant im Raum – gerecht werden wollen, kamen keine Antworten.

Dabei ist echte Repräsentativität die einzige Chance, dem Erstarken rechtsextremer und faschistischer Entwicklungen in der Politk und der Gesellschaft – der sechste und größte Elefant im Raum – etwas entgegenzusetzen. Wir als Vorstand der ver.di-Landesfachgruppe Medien, Journalismus und Film in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden die Handlungen der anwesenden Entscheider*innen in den kommenden Monaten aufmerksam begleiten und setzen uns stark für eine solidarische, wirklich diverse Medienlandschaft ein.

Social-Media: Big Tech und Regulierung

Am zweiten Tag lag der Fokus auf der Frage der Stunde, dem siebenten Elefanten im Raum: (Wie) können wir Social-Media (managen)? Was wenn wir eigene Alternativen zu den Plattformen der Big-Tech-Konzerne hätten, die unseren Alltag und den unserer Kinder regelrecht formen? Die Organisator*innen der Medientage haben damit den Nerv unserer Zeit getroffen. Danke, mehr davon bitte! Denn wenn vor einigen Jahren (in einigen Redaktionen vielleicht sogar bis vor einigen Monaten) Redaktionsleitungen der Social-Media-Frage fast auswichen, können wir uns diesem Thema heute als Medienschaffende nicht mehr entziehen.

Fast jede Redaktion sucht „Allrounder“, die sich mit den Mechanismen der Algorithmen auskennen und die Clickzahlen bestenfalls explodieren lassen. Doch was macht beispielsweise das Geschäftsmodell der Instagramisierung von Nachrichten und weiteren journalistischen Formaten mit dem Journalismus? Kann da noch von Qualität die Rede sein? Ein ganz klares Ja – aber eben nicht immer. Der zweite Medientag brachte spannende und Neugier weckende Beiträge der Panel-Teilnehmer*innen. Eine aufregende Reise im Spannungsfeld zwischen der Frage nach Meinungsfreiheit, der ausbleibenden Refinanzierung von beitragsfinanzierten journalistischen Inhalten auf Social-Media, der mangelnden Transparenz in Bezug auf die Platzierung journalistischer Inhalte durch Algorithmen, bis hin zu den Rechtsprivilegien von Social-Media-Konzernen – der achte und frechste Elefant im Raum.

Martin Andree appellierte zurecht, viel öfter über das „Straftatenprivileg“ von Social-Media-Konzernen nachzudenken. Wieso dürfen die Eigentümer dieser Portale mit Hass, Rassismus und Gewalt – die sehr oft ungefiltert gezeigt wird – Geld verdienen? Die Frage nach der Regulierung spaltete zugleich Publikum und Diskutant*innen. Führen mehr Regulierungen zu einem Vertrauensverlust oder eher zu mehr Chancen, Monopole im Bereich Social-Media zu brechen? Eva Flecken, Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg ist sich sicher: Geld verdienen verpflichtet ebendiese Plattformen gegenüber ihren Nutzer*innen, Regulierungen seien nur angebracht.

Europäische Medienplattform aufbauen

Im Gespräch mit Helge Lindh, medienpolitischem Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion über die Finanzierung des Aufbaus einer europäischen Medienplattform unter Einbeziehung von arte stellte sich die Frage, ob dieses wichtige Medien-Infrastrukturprojekt eine Förderung aus dem kürzlich beschlossenen Sondervermögen erfährt. Lindh versprach die Möglichkeit, sich als Gewerkschaft mit ihm zusammen zu setzen und über diesen Themenkomplex zu sprechen. Ein grundlegendes Verständnis und Interesse für dieses Anliegens scheint vorhanden zu sein. Aber ein solch demokratieförderndes und möglicherweise EU-verbindendes Projekt muss in seiner Wichtigkeit deutlicher erkannt werden. Wir bleiben dran!

Zum Schluss ging es um die Beziehung zwischen Social-Media, Wahlkampf und Politik. Für uns das beste Panel der Medientage 2025. Eine sehr lebendige Debatte zwischen der Redaktionsleiterin vom ARTE-Journal Caroline Olivier, dem Polit-Tiktoker Leon Eberhardt, dem Experten für digitale Kommunikation, Bendix Hügelmann und dem kreativen Kopf des SPD-Wahlkampfs 2021, Raphael Brinkert. So viele Fragen und so wenig Zeit! ARTE-Journal Chefin Carolin Olivier erinnerte gleich zu Beginn daran, dass Social-Media nur zum Teil die Wahlentscheidung beeinflusse, ausschlaggebend seien immer noch die Umgebung, die Familie und der engste Kreis. Dem entgegnete Polit-Tiktoker Leon Eberhardt einen bemerkenswerten Gedanken: Auf TikTok finde jeden Tag einen Meinungskampf statt – unter anderem zwischen Menschen, die von sich behaupten würden, apolitisch zu sein.

Junge Menschen in der deregulierten Social-Media-Welt

Zugleich suchten Jugendliche Antworten auf Social-Media und die Realität sei, dass es dort keine Aufsicht für politischen Content gebe. Social-Media prägt also unsere Meinungsbildung und zwar oft nicht zum Guten. Aus diesem Punkt der Diskussion nehmen wir mit, dass Abwendung als Medienschaffende nicht die Lösung ist. Denn besonders Minderjährige verbringen eine gute Portion ihres Alltags auf Social-Media – der neunte Elefant im Raum. Wir müssen sie erreichen und gerade ihnen eine objektive Möglichkeit zur Einordnung der Geschehnisse und der Informationswucht anbieten. Sie im Internet allein zu lassen ist keine Option.

Social Media verlangt gutes Storytelling und vor allem Konsequenz, eine langfristige Strategie. Was oft sowohl Redaktionen und Politiker*innen nicht verstehen – der zehnte Elefant im Raum. Raphael Brinkert, der Social-Media Stratege von Olaf Scholz, betont: dass etwas gut auf Social-Media läuft, ist nicht automatisch mit Qualität oder einer Daseinsberechtigung gleichzusetzen – aber die Fähigkeit, als Medienschaffende, die eigene Zielgruppe klar zu erkennen und anzusprechen sei entscheidend für das Bestehen in einer Welt, in der jede*r seine/ihre eigene Sendung haben kann. Es gehe vor allem um einen immer wieder aufzustellenden „Bestätigungsantrag“ zwischen Contentersteller:in und Nutzer*in. Raphael Brinkert befürwortet in dem Zusammenhang ein Verbot von Social-Media für unter 16-Jährige als Schutzmaßnahme.

Persönlich bleibt für uns die Frage offen, wie man am besten ab sofort deutlich mehr Weiterbildungsmaßnahmen für Medienschaffende in Bezug auf Contenterstellung für Social-Media schaffen kann und zwar Bildung, die nicht vorwiegend auf Clickzahlen abzielt. Gefragt sind hier insbesondere alle Medienhäuser, die hier ihrer Verantwortung nachkommen müssen.

Inhaltlich wertvoll, aber für viele sehr teuer

Die Medientage Mitteldeutschland waren eine gute Gelegenheit, über die gegenwärtigen und langfristigen Herausforderungen für Medienschaffende in Ost und West nachzudenken und boten die Möglichkeit, mit Medienschaffenden und Entscheider*innen aus der Branche und der Politik aus verschiedenen Teilen Deutschlands in Austausch zu kommen und Kontakte zu knüpfen. Wir blicken auf zwei erfolgreiche, gewinnbringende und wichtige Kongresstage zurück und sind dankbar für die zahlreichen Gespräche mit Kolleg*innen der Branche. Es wurde jedoch ersichtlich, dass die einfachsten Tickets zwischen 300€ und 400€ (je nach Zeitpunkt des Kaufs) sehr teuer sind und eine sehr große Hürde für sehr viele Medienschaffende ohne finanzierenden Arbeitgeber im Rücken, insbesondere aus Ostdeutschland, darstellen.

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