Spitze Zielgruppen bei Wirtschaftspodcasts

Symbolfoto: 123rf

Wirtschaftspodcasts auf Spotify und in der ARD Audiothek sind thematisch breit gefächert. Aber nur in seltenen Fällen werden die Zuhörer*innen darin als Verbraucher*innen oder Arbeitnehmer*innen angesprochen. Überwiegend werden sie individuell in der Rolle als Unternehmer*in, Konsument*in oder Investor*in adressiert. Das ist einer der zentralen Befunde der Studie von Janine Greyer-Stock und Dr. Julia Lück-Benzim im aktuellen Arbeitsheft der Otto Brenner Stiftung (OBS).

Insgesamt wurden mittels einer quantitativen Inhaltsanalyse 656 Podcasts auf Spotify und 28 Podcasts in der ARD Audiothek ausgewertet. Für die Angebote auf Spotify stellt die Studie eine unternehmerische Schlagseite fest: Fast 60 Prozent der Podcasts werden von Unternehmen oder einzelnen Unternehmer*innen veröffentlicht. Private Medien produzieren 19 Prozent. Wirtschaftspodcasts öffentlich-rechtlicher Medien, zivilgesellschaftlicher Akteur*innen und Wissenschaftler*innen machen nur einen geringen Anteil des Angebots aus.

Viele Ratgeberformate

Fast zwei Drittel der unternehmerischen Angebote (61 Prozent) greifen in der Präsentation auf ein Ratgeber-Format zurück. Dabei präsentieren rund die Hälfte dieser Podcasts (46,1 Prozent) die gewählten Themen aus der Perspektive einzelner Unternehmen oder Branchen. Das Angebot in der ARD Audiothek ist dagegen ausgewogener, wobei hier Podcasts im Reportage-Format (32,1 Prozent) überwiegen. Insgesamt werden Wirtschaftsthemen auf dieser Plattform häufiger auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene thematisiert (49 Prozent). Auf Spotify ist das nur in jedem fünften Beitrag (19, 9 Prozent) der Fall.

Moderne Wirtschaftsberichterstattung?Wie Podcasts auf Spotify und in der ARD Audiothek über Wirtschaft sprechen. Foto: OBS

„Podcasts machen kann jeder, aus der WG-Küche, dem Office oder der journalistischen Redaktion. Es ist aber auffallend, dass das Thema Wirtschaft stark männlich besetzt ist: Ganze 84 Prozent der Podcasts werden von Männern moderiert“, sagt Autorin Janine Greyer-Stock. In der ARD Audiothek ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichener. Mitautorin Dr. Julia Lück-Benz ergänzt: „Zwar ist die reine Anzahl an Podcasts zum Thema Wirtschaft auf Spotify sehr viel höher als in der ARD Audiothek, sie droht damit aber auch unübersichtlich zu werden. Wer sich über das allgemeine Wirtschaftsgeschehen informieren oder zu wirtschaftspolitischen Themen weiterbilden möchte, wird in der Audiothek schneller fündig.“

Wirtschaft als Gesellschaftsthema

Doch auch wenn im öffentlich-rechtlichen Angebot Wirtschaft häufiger auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene thematisiert und journalistisch eingeordnet wird: Insgesamt ähneln sich die thematischen Schwerpunksetzungen kommerzieller und journalistischer Wirtschaftspodcasts derzeit noch stark. Die beliebtesten Themen sind dabei Fragen der individuellen Finanz- und Karriereplanung sowie Aktienanlagen.

Mitbestimmung kommt zu kurz

Jupp Legrand, Geschäftsführer der OBS, kritisiert, dass über Wirtschaft auf beiden Plattformen nur selten aus der Perspektive von Arbeitnehmer*innen gesprochen wird: „Mitbestimmung im Betrieb und Unternehmen, die Rechte von Arbeitnehmer*innen, der kollektive Einsatz für gute Arbeit und die Organisierung der Interessen von Arbeitnehmer*innen: All dies sind zentrale Wirtschaftsthemen, die gerade in den Angeboten der Öffentlich-Rechtlichen mit ihrem besonderen Bildungsauftrag behandelt werden müssen. Hier besteht noch großer Nachholbedarf.“

Bisher beruhten Beschreibungen des unübersichtlichen Felds der Wirtschaftspodcasts lediglich auf anekdotischer Evidenz. Mit ihrem umfangreichen empirischen Material wird die Studie für Profis und Laien des Wirtschaftspodcasting zu einer unverzichtbaren Informationsquelle.


Janine Greyer-Stock/Julia Lück-Benz: Moderne Wirtschaftsberichterstattung? Wie Podcasts auf Spotify und in der ARD Audiothek über Wirtschaft sprechen, OBS-Arbeitsheft 113, Frankfurt am Main, Februar 2024

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Der Rotstift beim Kinderfernsehen

ARD und ZDF halten es nicht für sinnvoll, wenn die Bundesländer im Reformstaatsvertrag einen fixen Abschalttermin für das lineare Programmangebot des Kinderkanals KiKa festlegen. Die lineare Verbreitung zu beenden, sei „erst dann sachgerecht, wenn die weit überwiegende Nutzung eines Angebots non-linear erfolgt“, erklärten ARD und ZDF gemeinsam auf Nachfrage. „KiKA bleibt gerade für Familien mit kleinen Kindern eine geschätzte Vertrauensmarke, die den Tag linear ritualisiert, strukturiert und medienpädagogisch begleitet.“
mehr »

Journalismus unter KI-Bedingungen

Digitalkonzerne und Künstliche Intelligenz stellen Medienschaffende vor neue Herausforderungen. „KI, Big Tech & Co. – was wird aus dem Journalismus?“ lautete folgerichtig der Titel der 11. Medienpolitischen Tagung von ver.di und DGB am 16. Oktober in Berlin. Über 80 Wissenschaftler*innen, Rundfunkräte und Journalist*innen informierten sich auch über den aktuellen Stand der Debatte über den neuen Medien“reform“staatsvertrag.
mehr »

NRW: Zusammenschluss im Zeitungsmarkt

Die Konzentration im NRW-Zeitungsmarkt, insbesondere in der Region Ostwestfalen-Lippe (OWL), setzt sich fort. Die Neue Westfälische und das Westfalen-Blatt streben eine Kooperation an. Auch die Lippische Landes-Zeitung und das Mindener Tageblatt planen, ihre Verlagsaktivitäten künftig in einer gemeinsamen Holding zu bündeln.
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »