Initiative für ein Informationsfreiheitsgesetz
Wenn das Informationsfreiheitsgesetz den Bundestag passiert, kommt ein transparenter deutscher Staat nicht zuletzt Journalisten zugute Fast sieht es so aus, als wolle die neue Bundesregierung ihr eigenes Vorhaben in den Tiefen des Koalitionsvertrages verstecken: Dort steht im neunten Kapitel – „Sicherheit für alle – Bürgerrechte stärken“ -, zwischen Justizreform und Sport, unter dem Punkt Beteiligungsrechte, geschrieben: „Durch ein Informationsfreiheitsgesetz wollen wir unter Berücksichtigung des Datenschutzes den Bürgerinnen und Bürgern Informationszugangsrechte verschaffen.“
Hinter dieser lapidaren Formulierung steckt eine kleine deutsche Revolution mit großen Auswirkungen, die für reichlich Aufruhr in den seit Jahrhunderten muffelnden Stuben des Amtsschimmels sorgen wird. Aber nur, falls dieses Gesetz tatsächlich, mit weitgehenden Freiheiten versehen, Bundestag und Bundesrat passiert. Dann nämlich gibt es ein unmittelbares Einsichtsrecht in die Unterlagen und Datenträger aller Behörden und sonstiger öffentlicher Stellen. Das fordern zumindest die Bündnisgrünen. Schon 1997 hatten sie einen Gesetzentwurf mit dieser Thematik in den Bundestag eingebracht. Er war im vergangenen Juni im Plenum der damals schwarzgelben Mehrheit ohne Beratung abgelehnt worden. Nun steht er wieder zur Debatte. Wie weit auch ihr großer roter Bruder vom Modell des gläsernen Staates überzeugt ist, wird sich zeigen. Fest steht: Bislang gilt – mit der Ausnahme von Brandenburg, in dem eine abgeschwächte Gesetzesversion von Informationsfreiheit in Kraft ist – für staatliche Telefonverzeichnisse bis hin zur Atomakte das Amtsgeheimnis.
Alle Informationen in der Hand des Staates werden erst einmal als vertraulich behandelt und gelangen nur in Ausnahmen in die Hände vom Normalbürger. Dieses Fundamentalprinzip würde mit dem von den Grünen vorgelegten Informationsfreiheitsgesetz (FG) in ein gegensätzliches Prinzip verwandelt: Alle Informationen, die im Besitz des Staates sind, wären dann erst einmal zugänglich. Das betrifft Strukturdaten wie den Aufbau einer Behörde genauso wie die Möglichkeit, Ergebnisse politischer Prozesse nachzuvollziehen. Die Ausnahmen: Daten von tätigen Gerichten, Disziplinar- und Strafverfolgungsbehörden werden nicht weitergegeben. Außerdem soll in bestimmten Fällen die Weitergabe oder Veröffentlichung der durch Akteneinsicht erlangten Informationen ausgeschlossen werden:
1. Bei schutzwürdigen personenbezogenen Daten, aber nicht bei dienstlichen Daten eines Amtsträgers (wie z.B. sein Titel, die Funktion und Nummer des Diensttelefons)
2. die Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, es sei denn, es entsteht kein wirtschaftlicher Schaden durch die Weitergabe
3. wenn Gemeinwohlinteresse vorliegt, die Daten nicht weiterzugeben.
Akteneinsicht
Diese neuen Möglichkeiten der Einsicht wären auch viel weitgehender als die Auskunftsrechte an die Medien, die in unterschiedlicher Ausformung in den Landespressegesetzen verankert sind. Anders ausgedrückt: „Die Recherchelage würde sich für Journalistinnen und Journalisten erheblich verbessern“, kündigt der bündnisgrüne Abgeordnete Hans-Christian Ströbele an. Denn auch diejenigen, die nicht persönlich vom Akteninhalt betroffen sind, sollen Akteneinsicht erhalten, so der Rechtsanwalt. Ströbele ist kein Unbekannter in Sachen Medien. 1979 war er Mitbegründer der „taz“, 1997 gehörte er der Initiative „Widerstand gegen den Großen Lauschangriff“ an. Im neuen Bundestag ist er nun für seine Partei der zuständige Abgeordnete für das Informationsgesetz.
Doch bevor es zu einer Verabschiedung kommen kann, werden noch eine Menge Informationen unter den Deckeln von staubigen Leitz-Ordnern bleiben. Zwar hat es schon ein Gespräch zwischen Ströbele, dem Innenpolitischen Sprecher, Cem Özdemir (B90/Grüne) und Dieter Wiefelspütz (SPD) mit dem Bundesinnenministerium gegeben, doch wollen die Sozialdemokraten noch unter sich in die Einzelheiten gehen. Ströbeles Berater, Christian Busold, geht aber davon aus, daß sich die Koalitionsfraktionen noch im Frühjahr über das Gesetz verständigen und dieses als Regierungsentwurf in Bundesrat und Bundestag einbringen.
Freedom of Information Act
Was da auf die deutschen Behörden zukommt, gibt es anderenorts schon lange, in Skandinavien zum Beispiel schon seit Ende des 18. Jahrhunderts. In den USA verpflichtet der „Freedom of Information Act“ von 1966 alle ausführenden Organe des Bundes auf Antrag des Bürgers hin, Unterlagen zugänglich zu machen. Geheimhaltungsgründe müssen von der Behörde bewiesen werden. Nach der Watergate-Affäre wurde das Gesetz nochmals im Sinne von Journalisten verbessert. Es ist der wichtigste Grundpfeiler für den so vielzitierten investigativen Journalismus in den Staaten (vgl. Manfred Redelfs: Investigative Reporting in den USA. Opladen 1996).
Mehr investigativer Journalismus aber kann der durch Infotainment und Anzeigenhörigkeit gebeutelten Medienlandschaft nur zugute kommen. Schon in den 70er Jahren hatten ein Bundesparteitag der FDP ein allgemeines Akteneinsichtsrecht und auch die Junge Union mehr Behördentransparenz gefordert. In die Jahre gekommen, stehen die Bundestagsabgeordneten der CDU in ihrer Mehrheit dem Gesetz eher ablehnend gegenüber. Das mag einerseits an einem anderen Verständnis vom Verhältnis Staat-Bürger liegen. Andererseits wird gegen ein IFG der erhöhte Verwaltungsaufwand angeführt. Akten müßten nachvollziehbar sortiert, Teile eventuell geschwärzt, kopiert und versendet werden. Und die Behördenwelt wäre um einen Witz ärmer. Denn der oft formulierte Satz: „Die Akte ist außer Kontrolle geraten“ zählt dann nicht mehr als Ausrede für nicht auffindbare Unterlagen. Wer suchet, der findet.
Transparenz wichtiger als Kosten
Weiterhin werden von Gegnern des Gesetzes gern die entstehenden Kosten als Argument genannt. Peter Schaar, Sprecher des grünen Landesvorstands in Hamburg, hat entscheidend am Gesetzentwurf von 1997 mitgearbeitet. Der hauptberufliche Datenschützer führt gegen den Kosteneinwand die Möglichkeit an, viele Auskünfte via Internet zu kommunizieren. Wichtiger als die Kosten und der Verwaltungsaufwand ist für ihn die Transparenz des Staates. Und sollte es tatsächlich wie bei der Gauck-Behörde zu einem regelrechten Run auf die Akten kommen, bewiese das nur eines: Den Nachholbedarf innerhalb unserer Gesellschaft.