Afrika verkauft sich immer – nur wie?

Seminar: Empfehlungen für die Auslandsberichterstattung

Das „Afrikabild in der deutschen Presse“ war Thema eines Seminars, zu dem die dju im Dezember gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Evangelischen Entwicklungsdienst nach Ammersbeck eingeladen hatte.

„Solange wir akzeptieren, dass die Afrika-Bilder, die uns geboten werden, vom Leiden, vom Sterben beherrscht sind, werden wir die Afrikaner nicht als ebenbürtig betrachten. Diese Art von Berichterstattung wird uns nie zu der Einsicht bringen, dass wir diesen Menschen zuhören müssen“, so Henning Mankell kürzlich in der Zeit. Allerdings fügt der schwedische Erfolgs­autor mit Wahlheimat Mosambik den allgemeinen Unzulänglichkeiten, unter denen die Auslandsberichterstattung leidet, auf exakt obzöne Weise die „afrikanische“ Spezifik hinzu. Mängel wie fehlende Kenntnisse, Oberflächlichkeit, Ortsferne, Sensationslust werden im Falle Afrikas – dieses Riesenkontinents mit über 50 Staaten, Hunderten von Völkern und Tausenden von Sprachen und Kulturen – regelmäßig begleitet von einem Menschenbild, das die Objekte des Berichts kaum als handelnde Subjekte, geschweige denn als zu befragende Quellen erkennt. Verstärkt von einer Erwartungshaltung in Redaktionen perpetuieren sich so Bilder, Wortwahl und Stereotypen in einer historischen Kontinuität, wie sie bei kaum einer anderen Weltregion feststellbar sein dürfte.
Drei Tage lang arbeiteten sich Fachjournalisten aus Print, Hörfunk und Fernsehen – und sieben Referenten an den streckenweise haarsträubenden Schwachpunkten und Rassismen in der Afrikaberichterstattung ab. Am Schluss entwarfen sie Forderungen, die auf den ersten Blick banal klingen. Den einfachen Grund dafür benennt der Referent und ivorische Journalist Charles Gnaleko: „Wenn es um Afrika geht, hört die Professionalität vieler Kollegen auf.“
Empfehlungen für die Afrikaberichterstattung: Woran sollte ich denken?

1. Berichte ich „auf Augenhöhe“ ?

  • Respektvoller Umgang und Ton!
  • Latente Selbstüberschätzung bewusst machen!
  • Infantilisierung ausschließen!
  • Generalisierungen vermeiden! („Kenia“ statt „Afrika“)
  • Handelnde Menschen in den Mittelpunkt stellen!
  • Journalistische Grundregeln beachten! (Gegenstandpunkt einholen! Ethik!)
  • Professionelle Distanz wahren!

2. Welche Sprache benutze ich?

  • Kolonialistenvokabular streichen! („Häuptling, Hütten, Hottentotten“, Stamm …)
  • Treffsicherheit und Genauigkeit erhöhen! (Hütte / Haus …)
  • Ängstigende Begrifflichkeit vermeiden! (Rotten, Welle, Ansturm, Überflutung, „übler Schlächter“, …)
  • Vorsicht vor Übertreibungen und Superlativen!

3. Welche Bildsprache wird verwendet?

  • Bildauswahl beeinflussen! (Fotovorschläge machen)
  • Würde der Menschen wahren! (Perspektive?)
  • Lieferanten vor Ort einbeziehen!
  • Bildunterschriften kontrollieren! (Fotonachweise?)

4. Welche Geschichte erzähle ich?

  • Wessen Perspektive verwende ich?
  • Stelle ich Normalität statt Phantasie dar?
  • Wecke ich Publikumsinteresse, auch für neue Akzente?
  • Reihe ich mich ein in eine Kampagnenberichterstattung? (Domino-Effekte vermeiden)
  • Greife ich afrikanische Initiativen, Erfolge, Ressourcen auf?

5. Welche Quellen nutze ich?

  • Afrikanerinnen und Afrikaner zu Wort kommen lassen!
  • Einheimische Experten suchen! (auch in Deutschland)
  • Örtliche Nähe nutzen! (örtliche Kontakte)
  • Primärquellen suchen, Redundanzen vermeiden!
  • Zahlen und Daten hinterfragen!
  • Korrektheit der Zitate überprüfen! (volle Namensnennung, Funktion usw.)
  • Qualifizierte Dolmetscher auswählen!

Krisen „verkaufen sich immer“, so die Referentin Bettina Rühl, über „das wirklich Gute zu berichten, dauert aber einfach länger“. Dass dies oft vor allem auch an den Mitteln scheitert, die den Kollegen vor Ort zu Verfügung stehen bzw. an den miserablen Honoraren, die eine Somalia-Reportage dem Vorortkino-Tip gleich­stellen, führte zu einer Reihe von For­de­rungen an Herausgeber, Redaktionen und Programmverantwortliche: Qualität hat ihren Preis!

  • Korrespondentennetze ausbauen! (Stringer!)
  • Austauschprogramme fördern! (Hospitanzen, Praktikanten)
  • Beteiligung an den Spesenkosten!
  • Auslandsbonus einführen! (Aufwand!)
  • Offenheit für neue Themen!
  • Bessere Sendezeiten!
  • Regionale Ausgewogenheit beachten! (anglo versus franko, lusophones Afrika)
  • Fortbildung ermöglichen!

Diese Empfehlungen und Forderungen sollen von der dju übernommen und bundesweit erhoben werden.

Wer sich am Aufbau eines Afrika-­spezifischen e-mail-Verteilers beteiligen möchte, wie er auf dem Seminar beschlossen wurde, wende sich an den Autor (fritzgleiss@yahoo.com).

 

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