Ausstellung feiert 40 Jahre laif

Hunderte Fotos aus dem Archiv der Agentur laif geben einen breiten Einblick in die Fotografie- und Zeitgeschichte.
Foto: Kai Löffelbein/laif

Deutschland war einst einer der wichtigsten Standorte für Foto- und Bildagenturen. Nach dem Strukturwandel auf dem Bildermarkt in Folge der Digitalisierung sind jedoch nur noch einige wenige geblieben. Eine davon ist die Kölner Agentur laif, die mit einer umfangreichen Ausstellung im Museum für angewandte Kunst in Köln ihr Jubiläum begeht. Zu sehen ist „40 Jahre laif“ noch bis Ende September.

Auf der einen Seite ein umgekipptes, brennendes Auto in Schwarz-Weiß, fotografiert bei den Protesten gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf, auf der anderen Seite die Farbfotografie der Räumung eines Baumhauses im Hambacher Forst. Zwischen den Serien der beiden Fotografen Manfred Linke und David Klammer liegen 35 Jahre. Und doch könnten sich Themen und Zugänge nicht ähnlicher sein, wäre da nicht die Weiterentwicklung der Fototechnik und Veränderungen in der Bildsprache. Die beiden Serien stehen paradigmatisch für das Konzept der von Peter Bialobrzeski kuratierten Ausstellung „40 Jahre laif – 40 Positionen dokumentarischer Fotografie“, die seit Anfang März im Museum für angewandte Kunst Köln zu sehen ist. Die dort gezeigten 300 Bilder von deutschen und internationalen Fotograf*innen aus dem laif-Archiv geben einen breiten Einblick in die Fotografie- und Zeitgeschichte.

Thematisch schlägt die Ausstellung den Bogen von den großen internationalen Themen der vergangenen Jahrzehnte wie Krieg (Christoph Bangert 2014), Flucht und Vertreibung (Maria Feck 2013), dem Leben in Marginalvierteln (Christian Als 2007) und der Umweltverschmutzung (Kai Löffelbein 2011) zu den kleinen, eher nationalen Themen wie Frauen in der Bundeswehr (Regina Bermes 1988), der Technikmesse CEBIT in Hannover (Andreas Teichmann 1998) oder dem Strukturwandel im Ruhrgebiet (Dirk Krüll 1984).

Rap in Dakar und Marseille

Ebenso breit sind die fotografischen Ansätze, die von klassischer dokumentarischer Fotografie in Schwarz-Weiß, über eher konzeptuell-dokumentarische Landschaftsfotografie in Farbe bis hin zu künstlerischen Ansätzen mit Polaroid, Dia-Film oder an Lochkamera erinnernde Praktiken reichen. In diesem Spektrum lassen sich dokumentarische Kleinode (wieder-) entdecken, etwa die Arbeit von laif-Gründungsmitglied Jürgen Bindrim über die West-Sahara und den vergessenen Konflikt der Sahraouis (1987) oder die Serie „Generation Boule Falé“ (2001) von Andre Lützen über Rap in Dakar und Marseille.

Denkt man zu Beginn der Ausstellung im 2. Obergeschosse des MAKK, die Hängung der 40 Serien wäre konsequent chronologisch, so löst sich diese Vorstellung schnell auf. Die Abfolge und Positionierung im Raum der einzelnen Arbeiten erscheint mal inhaltlich oder formal ergänzend, mal kontrastierend, oder auch mal eher willkürlich. Die große Überraschung ist die Art und Weise der Präsentation. So sind an der Wand vor allem mit kleinen Nägeln befestigte Zeitungsseiten zu sehen, die mit den Bildern der ausgewählten Fotograf*innen bedruckt sind. Oder umgedreht gesagt: Was an der Wand hängt, sind die Einzelseiten des auf Zeitungspapier gedruckten Katalogs.

Ergänzt wird dies durch in der Regel einen größeren, gerahmten Print pro Fotograf*in. Für jedes der 40 Jahre wurde eine Serie ausgewählt, zu der es jeweils einen Kurztext gibt. Die 40 Positionen, so laif-Geschäftsführerin Silke Frigge, „sind entweder in dem jeweiligen Jahr entstanden, prominent veröffentlicht, ausgestellt worden oder gewannen einen wichtigen Preis“.

Agenturgeschichte gerät in den Hintergrund

Getreu dem kuratorischen Zeitgeist wurde dabei komplett auf Bildunterschriften verzichtet. Damit haben die Menschen keine Namen, die gezeigten Szenen keine Orte und das Geschehene keine Kontextualisierung. Das mag funktionieren, wenn eine Serie zeitlich und örtlich begrenzt, wie bei Manfred Linke, den Widerstand in Wackersdorf dokumentiert, wird aber schwierig, wenn einige wenige Bilder, versehen mit einem Zitat des Fotografen Jan Grarup, die Geschehnisse rund um den Völkermord in Ruanda dokumentieren sollen. Ähnlich schwierig ist dies bei der Zeitleiste im Foyer, die Bilder aus dem laif-Archiv mit zeithistorischen Ereignissen kombiniert, wenn etwa über dem Jahr 2006, mit dem WM Sommermärchen als einzigem Jahreseintrag, eine unkontextualisierte Kriegsfotografie des Fotografen David Saveur platziert ist.

Indem die Ausstellung 40 qualitativ sehr hochwertige Arbeiten zeigt, gibt sie einen Einblick in die Dokumentarfotografie und – wie es die „Photonews“-Chefredakteurin Anna Gripp in der Einleitung formuliert – die Autor*innenfotografie. In den Hintergrund gerät dabei jedoch die Agenturgeschichte selbst. Sie etwas stärker zu thematisieren, wäre insbesondere angesichts der rasanten Veränderungen auf dem Bildermarkt erkenntnisreich gewesen. Gespannt sein darf man, wie das Publikum mit dem Katalog umgeht und ob daraus eigens kuratierte Do-It-Yourself-Ausstellungen im heimischen Wohnzimmer entstehen, oder es bei einer Verwendung als Zeitungspublikation bleibt.

Die Ausstellung ist noch bis 25. September 2022 im Museum für angewandte Kunst Köln (MAKK) zu sehen (Di-So 10-18 Uhr; 6 Euro Eintritt).

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