Bildkritik: Die falsche Fotografie

Screenshot: Zeit Online

Bei der Frage, ob journalistische Artikel adäquat bebildert sind, spielt neben der passenden Bildauswahl auch die Bildunterschrift eine entscheidende Rolle. Wie schnell inhaltlich falsche Bezüge entstehen können zeigt ein Beispiel von Zeit Online zum israelisch-palästinensischen Konflikt.

Am 16. Februar veröffentlichte Zeit Online einen Artikel unter dem Titel „Israel reagiert mit Gegenangriff auf Raketenbeschuss der Hamas“. Aufhänger des Textes waren Luftschläge der israelischen Armee in der Nacht vorher, bei denen Ziele der militanten Hamas getroffen wurden. Im weiteren Text, der vor allem aus Material der Agentur dpa besteht, geht es darüber hinaus vor allem um Hacker-Angriffe auf die Handys von Soldaten der israelischen Armee. Bebildert wurde der Artikel mit einer Aufnahme des Reuters-Fotografen Ibraheem Abu Mustafa. Sie zeigt einen in Mann in leichter Untersicht, der unter blauem Himmel an verbogenen Metallteilen vorbeiläuft.

Den Kontext, in dem die gezeigte Fotografie zu lesen ist, bilden die Überschrift, der Teaser sowie der erste Absatz des Textes. Dieser suggeriert, dass das Foto direkt nach den Luftschlägen aufgenommen wurde. Gestützt wird dies durch die Bildunterschrift, die wortgleich aus dem zweiten Satz des Textes besteht: „Unter anderem sei ein militärischer Stützpunkt der islamistischen Hamas im Zentrum des Streifens getroffen worden, teilte ein Armeesprecher mit“. Hier entsteht darüber hinaus der Eindruck, auf dem Bild seien eben diese Ziele der Hamas zu sehen. Die direkte Beziehung der Fotografie mit dem Artikelinhalt, die durch die Kontextualisierung für die Betrachtenden hergestellt wird, ist jedoch falsch. Eine Recherche des Bildes in der Datenbank der Nachrichtenagentur Reuters fördert zu Tage, dass das Bild nicht in Bezug zu den im Artikel genannten Luftschlägen steht, da es bereits zwei Wochen vorher aufgenommen wurde. Welchen Ort das Bild zeigt, wann die Luftschläge erfolgten und wer der Mann ist, lässt sich aus den spärlichen Informationen von Reuters nicht entnehmen. Als Bildinformation gibt es in der Datenbank nur einen Satz: „A Palestinian man walks as he inspects the site of an Israeli air strike in the southern Gaza Strip“. Drei weitere Bilder des Fotografen in der Datenbank vom gleichen Tag mit dem gleichen Thema geben diesbezüglich auch nicht mehr Informationen her.

Fazit: Hat die Redaktion das (häufig auftretende) Problem, kein Foto vom aktuellen Ereignis parat zu haben, kann natürlich auch ein Symbolfoto verwendet werden. Jedoch hätte das Bild klar als solches gekennzeichnet werden müssen – zumindest wenn man den Richtlinien des Deutschen Presserates folgt. In Richtlinie 2.2 des Pressekodex heißt es dazu: „Kann eine Illustration, insbesondere eine Fotografie, beim flüchtigen Lesen als dokumentarische Abbildung aufgefasst werden, obwohl es sich um ein Symbolfoto handelt, so ist eine entsprechende Klarstellung geboten.“ Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, in der Bildunterschrift eine klare Kontextualisierung des Bildes und eine Bezugnahme auf den Inhalt des Artikels vorzunehmen. Beides hat Zeit Online hier versäumt.

 

 

Weitere aktuelle Beiträge

Medien im Wahlkampf: AfD gepusht

Wie sollen die Medien mit der AfD umgehen? Keine ganz neue Frage – sie ist so alt wie die AfD selbst - aber eine, die sich vor der Bundestagswahl mit zugespitzter Dringlichkeit stellte. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Anstalten hatten sich viel vorgenommen. Schließlich liegen die Fakten seit Jahren auf dem Tisch: Die AfD ist eine im Kern rechtsextreme Partei mit national-völkischer Programmatik. Punkt. Demgegenüber sind ARD und ZDF laut Medienstaatsvertrag bei der Erfüllung ihres Auftrags der verfassungsmäßigen Ordnung verpflichtet, inklusive der Einhaltung elementarer journalistischer Standards.
mehr »

Frauen im Journalismus stärken

Anlässlich des Internationalen Frauentags fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di einen Aktionsplan zur Stärkung von Frauen im Journalismus. Als erste Berufsvertretung hat sie frauenpolitische Forderungen für die Medienbranche formuliert und diese an den Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) sowie den Medienverband der freien Presse (MVFP) adressiert. „Bei der Bezahlung, dem beruflichen Aufstieg und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben unsere Kolleginnen meist das Nachsehen. Es besteht dringender Handlungsbedarf“, fordert Renate Gensch, Mitglied im dju-Bundesvorstand.
mehr »

Europarat muss Pressefreiheit schützen

Anlässlich der Vorstellung des diesjährigen Europarats-Berichts zur Pressefreiheit in Europa fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di die Gremien der Europäischen Union zur dringenden Umsetzung verbindlicher Schutzmaßnahmen von Pressevertreter*innen auf. „Wir beobachten die drastische Zunahme von Angriffen auf unsere europäischen Kolleginnen und Kollegen mit großer Sorge, denn sie hängen unmittelbar mit dem Erstarken demokratiezersetzender politischer Bewegungen zusammen“, sagt der dju-Co-Vorsitzende Lars Hansen.
mehr »

Fahndungsfotos: Widerrechtlich im Einsatz?

Öffentlichkeitsfahndungen mit Hilfe der Medien sind eigentlich nur bei erheblichen Straftaten erlaubt. Trotzdem greifen Strafermittler auch bei Tankbetrug, Ladendiebstahl oder Rezeptfälschung zu diesem einschneidenden Mittel. Manchmal werden auch völlig Unschuldige an den Fotopranger gestellt. Die Medien veröffentlichen die Fahndungsfotos in aller Regel ungeprüft. Nach Ansicht der dju sollten die Redaktionen aber die Verhältnismäßigkeit hinterfragen. 
mehr »