Berlinale-Diskussion über erschwerte Produktionsbedingungen
Koproduktionen und der Blick über den eigenen Markt hinaus, die genaue Einschätzung des eigenen Projektes und dessen Zuschauerpotentials – das sind die Zauberworte, mit denen Deutschlands Filmschaffende sich ihren Weg in Zeiten erschwerter Produktionsbedingungen bahnen könnten. So das Fazit der Berlinale-Diskussionsrunde, zu der der BundesFilmVerband von ver.di Produzenten, Autoren, Regisseure und Vermarkter im Februar eingeladen hatte.
Der Kinomarkt boomt, der deutsche Film ist mit einem Marktanteil von 27,4% so beliebt wie noch nie. In diese stolze Bilanz mischt sich ein Wehrmutstropfen. Die Zuschauer lieben hoch budgetierte historische Stoffe, Bestsellerverfilmungen und leichte bis seichte Unterhaltung. Das anspruchsvolle Arthouse-Kino hat Zuspruch verloren.
Doch egal ob Michael „Bully“ Herbig oder Michael Haneke – ohne die Filmförderung von Bund und Ländern, das Branchensolidaritätsmodell Filmförderungsgesetz (FFG) sowie das Fernsehen läuft keine Kamera. Doch die öffentlichen Mittel des Bundes sind durch die egoistischen Klagen der großen Kinoketten gegen das FFG gefährdet. Sollten sie vor dem Bundesverfassungsgericht Recht bekommen und entschieden werden, dass der Bund das Kulturgut Film nicht fördern dürfe, zöge das ein Erdbeben nach sich. Rund 150 der 300 Mio. Euro jährlich zur Verfügung stehenden Fördermittel würden fehlen.
Das Fernsehen zieht ebenfalls die Bremse. ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut hatte am Rande der Berlinale angekündigt, dass das Zweite sein Budget für Auftragsproduktionen in Höhe von 553 Mio. Euro bestenfalls aufrechterhalten könne. Mit einer ähnlichen Hiobsbotschaft hatte der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust nach der Intendantenkonferenz Anfang Dezember überrascht. Bei sinkenden Etats der Anstalten auf Grund des Rückgangs der Gebühreneinnahmen und dem Anstieg der Kosten der einzelnen Produktionen müsste die Zahl der Aufträge sinken. Die privaten Sender werden unter dem Kostendruck durch schwindende Werbeeinnahmen nachziehen – die Synchronisation einer amerikanischen Serie kostet nur die Hälfte des Drehs eines deutschen Pendants. Die Konsequenz wird sein, dass auch sie weniger Aufträge vergeben werden.
Ein Blick über die Grenze in den Norden zeigt, wie es anders gehen könnte. Die Erfolgs-Story des dänischen Films im vergangenen Jahrzehnt sei auch den günstigen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verdanken, sagt Klaus Hansen, Chef der Dänischen Produzenten Vereinigung in der Diskussionsrunde des ver.di- Filmverbandes. 16 Mio. Euro staatlicher Förderung über das Dänische Filminstitut und 14 Mio. Euro von den zwei öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten stehen den Filmemachern zur Verfügung. Die Sender erhalten nur die Ausstrahlungsrechte für den heimischen Markt, der Rest verbleibt bei den Produzenten. Davon können deutsche Produzenten nur träumen. Im Sommer haben die Verhandlungen zwischen den Sendern und der Produzentenallianz über das Ende des völligen Rechte Buy Outs durch die Sender, durch das die Kreativen gar nicht oder nur unzureichend an Erlösen bei Verkäufen im Ausland oder auf Spartenkanälen beteiligt werden, begonnen. Ein Abschluss konnte bislang nur mit der ARD erzielt werden, doch der bleibt weit hinter dem dänischen Modell zurück. Die Sender seien aber kompetente und zuverlässige Partner, mit denen die Vorstellungen über einen Film abgestimmt werden können, gab Produzent Roman Paul, Golden-Globe-Gewinner mit „Paradise Now“ und „Waltz with Bashir“, zu bedenken. Arthouse-Filme seien ohne sie in Deutschland kaum zu realisieren. Seine Firma Razor Film hat alle Filme auch mit Partnern aus Europa, Israel und Palästina produziert und steht damit für einen wachsenden Trend im deutschen Film. Mehr als ein Drittel der Filme entstehen mit ausländischer Beteiligung, was die Abhängigkeit von deutschen Fernseh- und Fördertöpfen mindert.
Doris Kirch, die mit ihrer Firma Blue Angels von Berlin nach London gewechselt ist, steht für ein alternatives Finanzierungs-Modell, das vorrangig für kommerziell ausgerichtete Projekte interessant ist. Sie arbeitet mit dem Geld privater Investoren, die Renditen sehen wollen. Diese Alternative ist nach dem jahrelangen Missbrauch deutscher Steuergelder für Hollywood-B-Movies, deren Nutznießer nur vom „stupid german money“ sprachen, im Moment auf dem hiesigen Markt passe.
Als Produzentin fühlt sich Kirch für den gesamten Entwicklungsprozess eines Films verantwortlich. Autor Macus O. Rosenmüller warb dagegen für die Auslagerung des Drehbuchschreibens an externe Firmen wie seine Casascania. Sie bietet die Vorlagen erst an, wenn sie eine gewisse Drehreife erreicht haben. Dass die Qualität der Bücher das A und O bleibt, waren sich alle einig. An der Dramaturgie und den Dialogen hapere es zu oft, kritisierte Philipp Maenz, atlas International Film. Außerdem sei bei vielen Projekten, die ihm für den Vertrieb angeboten werden, nicht klar, welche Zielgruppe erreicht werden solle, benannte er einen Schwachpunkt in der Herangehensweise deutscher Filmemacher. Der Weltvertrieb könne aber nur verkaufen, wofür es einen Markt gibt. Wenn dieser ausgemacht sei, könne er jedes Budget zusammenstellen, egal ob für Arthouse-Filme oder hochbudgetiertes Event-Kino.