Corona verdrängte wichtige Nachrichten

Foto: Fotolia

Der Deutschlandfunk und die Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) veröffentlichen jährlich eine Top-Ten-Liste wichtiger Themen, über die deutsche Medien nicht oder kaum berichtet haben. Die INA ist eine Nicht-Regierungsorganisation, die vernachlässigte Themen und Geschichten in die Öffentlichkeit bringen möchte. Gerade im Corona-Jahr habe eine nahezu monothematische Berichterstattung viele andere Themen in den Nachrichten verdrängt, so das Fazit für 2020.

Die Medien seien zu sehr fokussiert auf einige wenige populäre Themen, auf denen das gesamte Schlaglicht der Öffentlichkeit liege, kritisierte der INA-Geschäftsführer Prof. Hektor Haarkötter. Die INA wolle mit ihrer Top-Ten-Liste aufzeigen, dass es noch viele Themen links und rechts des Nachrichtenmainstreams gebe, die für die Gesellschaft relevant sind.

Das vergessene Thema Nummer 1 ist nach Ansicht einer Jury aus Wissenschaftler*innen und Journalist*innen in diesem Jahr die Neufassung des sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG). Damit will die Bundesregierung gegen Hass und Beleidigungen im Netz vorgehen. Umsetzung und Wirksamkeit sind allerdings strittig.

Auch über die geplante NATO-Großübung „Defender 2020“, das größte militärische Manöver seit einem Vierteljahrhundert wurde kaum berichtet. Wegen der Corona-Pandemie wurde das Manöver abgebrochen, es blieb aber auch trotz seiner Ausmaße in der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt.

Gewalt gegen Frauen in der Schwangerschaft ist laut WHO ein gravierendes Problem, über das nicht nur bei Ärzt*innen große Unkenntnis herrscht, sondern auch in der Öffentlichkeit, die von den Medien darüber unzureichend informiert werde.

Weitere vergessene Nachrichten sind das Armutsrisiko junger Menschen über 18 Jahren. Ein Viertel aller Armutsgefährdeten in Deutschland sind heute zwischen 18 und 25 Jahren. Etwa 80.000 von ihnen haben den Anschluss an die Arbeitswelt und auch an das soziale Sicherungssystem bereits verloren. Die komplette Liste der vergessenen Nachrichten, beinhaltet jedes Jahr zehn Themen. Das Thema Armut kehre in der INA-Liste häufig wieder, sagte Haarkötter.

Auch den Umgang mit Rassismus und Kolonialismus im Schulunterricht hält die INA für medial stark vernachlässigt. „Schulbücher verschiedener Fächer enthalten auch heute noch rassistische Ausdrücke und klischeehafte Darstellungen, die unterschwellig Rassismus reproduzieren“, begründet die INA.

Vorschläge für vernachlässigte Themen kann übrigens jede*r bei der INA einreichen. Sie werden dann von studentischen Rechercheteams an verschiedenen Hochschulen im ganzen Bundesgebiet recherchiert und der Jury übergeben.

Weitere aktuelle Beiträge

Gleichstellungsbeauftragte im ÖRR stärken

Das Bekenntnis zur Gleichstellung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt sich unter anderem im Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten. Grundlage ist die jeweils entsprechende gesetzliche Regelung der Bundesländer, in denen die Sender angesiedelt sind. Gleichstellungsbeauftragte sollen nach dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen.
mehr »

Safer reporting: Schutzkodex auf der re:publica

Das gesellschaftliche Klima ist eines der ganz großen Themen auf der diesjährigen Digitalmesse re:publica in Berlin. Auch Journalist*innen sind zunehmend Hass und Bedrohungen ausgesetzt – bei der Recherche, auf Demos oder in sozialen Medien. Das gefährdet nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Pressefreiheit insgesamt.  Dagegen hilft der Schutzkodex.
mehr »

Die ganz große Verweigerung

Der  öffentlich-rechtliche Rundfunk war schon immer Hassobjekt der Rechten. Auf politischer Ebene wollen sie ihn abschaffen, am Stammtisch wird gegen ARD und ZDF gehetzt. In Sozialen Medien oder in Chatgruppen geht es richtig zur Sache. Dort treffen sich sogenannte Rundfunkverweigerer. Ralf Hohlfeld und Vivian Stamer beschäftigen sich an der Uni Passau mit den Bereichen Journalistik und Strategische Kommunikation. Für ihre Studie haben sich die beiden auf die Suche nach sogenannten Rundfunkverweigerern gemacht.
mehr »

Eine Medienplattform für Europa

Für ARD und ZDF war es eine richtungsweisende Entscheidung, als sie vor einem Jahr mitteilten, ihre Mediathek-Software gemeinsam entwickeln zu wollen. Mit im Boot ist inzwischen auch das Deutschlandradio. Unter dem Projektnamen „Streaming OS“ laufen die Arbeiten. OS steht für „Operating System“, aber auch für „Open Source“. Die öffentlich-rechtlichen Sender wollen wichtige technische Bausteine für ihre Streaming-Aktivitäten auch anderen Anbietern und Organisationen frei zugänglich machen. Eine europäische Ausrichtung haben sie ebenso im Blick.
mehr »