Corona wirkt als Test für Menschenrechte

Infografik aus dem aktuellen AI-Jahresbericht 2020/21 Quelle: Amnesty International

Die Menschenrechtslage hat sich in der Covid-19-Krise für Millionen von Menschen unmittelbar oder mittelbar verschlechtert, stellt Amnesty International im weltweiten Menschenrechts-Report 2020/21 fest. In vielen Teilen der Welt hätten die Pandemie und ihre Folgen im letzten Jahr die Auswirkungen von Ungleichheit, Diskriminierung und Unterdrückung verstärkt. Auch für Deutschland wird Handlungsbedarf ausgemacht.

Besonders vulnerable Gruppen wie vorerkrankte Menschen, Geflüchtete und Beschäftigte im Gesundheitswesen, Minderheiten sowie Frauen und Mädchen litten am stärksten unter der Pandemie. Während autoritäre Regierungen oft mit exzessiver Gewalt gegen die Zivilgesellschaft vorgingen, versagte die internationale Zusammenarbeit in vielen Bereichen, wie auch beim gerechten Zugang zu Impfstoffen. Kritische Stimmen, die auf Missstände aufmerksam machten, wurden vielerorts gezielt verfolgt und unterdrückt. Zu diesen Ergebnissen kommt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem neuen internationalen Jahresbericht.

Pandemiefolgen und exzessive Gewalt

„Millionen von Menschen waren im letzten Jahr massiv der Pandemie und ihren Folgen ausgesetzt, ohne dass Regierungen weltweit ihrer menschenrechtlichen Schutzpflicht ausreichend nachgekommen wären. Zahlreiche Staaten missbrauchten die Gesundheitskrise um weiter rechtsstaatliche Prinzipien aufzulösen und Rechte einzuschränken oder nahmen billigend den Tod von Menschen aus Risikogruppen oder dem Gesundheitssektor in Kauf“, sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. Die globale Pandemie habe auch schonungslos die Schwächen der internationalen Zusammenarbeit und der globalen Systeme und Institutionen offenbart. „Die Covid-19-Pandemie ist ein Lackmustest, inwieweit die Staatengemeinschaft in der Lage ist, verantwortlich und aktiv mit globalen Herausforderungen umzugehen – ob Pandemie, Klimakrise oder menschenrechtskonforme Digitalisierung.“

Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger seien auch im letzten Jahr in vielen Teilen der Welt verfolgt, schikaniert und getötet worden. Der neue AI-Report dokumentiert an zahlreichen Beispielen, wie Staaten im vergangenen Jahr bei gesellschaftlichen Konflikten zunehmend gewaltsam vorgingen. In vielen Ländern wurden Sicherheitsgesetze verschärft, Minderheiten diskriminiert, teilweise wurden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen.

Deutschland: Grundrechtsstärkung, aber auch weiter Mängel

Deutschland habe im vergangenen Jahr mit Gerichtsprozessen nach dem Weltrechtsprinzip einen wichtigen Beitrag im internationalen Kampf gegen die Straflosigkeit geleistet: Im weltweit ersten Strafprozess wegen mutmaßlicher Staatsfolter in Syrien hatte das Oberlandesgericht Koblenz im Februar 2021 einen früheren Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes zu viereinhalb Jahren Haft wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu Massenüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst im letzten Jahr stelle aus Sicht von Amnesty International eine wichtige Stärkung des Grund- und Menschenrechtsschutzes dar.

In Bezug auf die Menschenrechte in Deutschland sieht Amnesty aber auch weiter Nachholbedarf: So bleibe im Bereich der inneren Sicherheit die Bekämpfung rassistischer Gewalt vorrangig, wie auch die Stärkung von Kontrollmechanismen bei Polizei und Sicherheitsbehörden. „Der deutsche Rechtsstaat weist ausgerechnet dort Lücken auf, wo es um Transparenz und Kontrolle der Polizei geht – wichtige internationale Menschenrechtsstandards werden hier nicht eingehalten“, erklärt Maria Scharlau, Expertin für Polizei und Menschenrechte sowie für Antirassismus bei Amnesty International in Deutschland. Darauf habe Amnesty International bereits wiederholt und erneut im aktuellen Jahresbericht hingewiesen.

Insgesamt gibt der „Amnesty International Report“ Auskunft über die Situation der Menschenrechte in 149 Staaten. Zugleich fordert er von Regierungen entsprechendes Handeln ein. Nach einem mehrteiligen digitalen Report im Vorjahr gibt es mit dem „Amnesty International Report 2020/2021“ wieder einen zentralen weltweiten Jahresbericht.

Weitere aktuelle Beiträge

Digitalabgabe könnte Schieflage ausgleichen

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt die vom Staatsminister Wolfram Weimer geäußerten Pläne für eine Digitalabgabe, die Big-Tech-Unternehmen mit digitalen Plattformdiensten in Deutschland zu entrichten hätten. Wie unter anderem der Spiegel berichtet, überlegt die Bundesregierung, eine Digitalabgabe einzuführen. Diese könnte Unternehmen wie Google und Meta dazu verpflichten, einen festen Prozentsatz ihrer Werbeeinnahmen abzuführen.
mehr »

Gleichstellungsbeauftragte im ÖRR stärken

Das Bekenntnis zur Gleichstellung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt sich unter anderem im Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten. Grundlage ist die jeweils entsprechende gesetzliche Regelung der Bundesländer, in denen die Sender angesiedelt sind. Gleichstellungsbeauftragte sollen nach dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen.
mehr »

Safer reporting: Schutzkodex auf der re:publica

Das gesellschaftliche Klima ist eines der ganz großen Themen auf der diesjährigen Digitalmesse re:publica in Berlin. Auch Journalist*innen sind zunehmend Hass und Bedrohungen ausgesetzt – bei der Recherche, auf Demos oder in sozialen Medien. Das gefährdet nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Pressefreiheit insgesamt.  Dagegen hilft der Schutzkodex.
mehr »

Die ganz große Verweigerung

Der  öffentlich-rechtliche Rundfunk war schon immer Hassobjekt der Rechten. Auf politischer Ebene wollen sie ihn abschaffen, am Stammtisch wird gegen ARD und ZDF gehetzt. In Sozialen Medien oder in Chatgruppen geht es richtig zur Sache. Dort treffen sich sogenannte Rundfunkverweigerer. Ralf Hohlfeld und Vivian Stamer beschäftigen sich an der Uni Passau mit den Bereichen Journalistik und Strategische Kommunikation. Für ihre Studie haben sich die beiden auf die Suche nach sogenannten Rundfunkverweigerern gemacht.
mehr »