„Democracy – Im Rausch der Daten“ – ein spannender Dokumentarfilm

Will man das wirklich wissen? Wie ein Gesetz durch die EU-Maschine gedreht wird, in zahllosen Sitzungen zerrieben zwischen Lobbyisten und Parteiinteressen. Will man so etwas ausgerechnet im Film sehen? Man sollte. Es kann nämlich sehr spannend sein.

„Democracy – Im Rausch der Daten“ ist ein Dokumentarfilm des Schweizer Regisseurs David Bernet und er schafft es, politische Prozesse in Brüssel und Strassburg so sehr aus der Nähe zu beobachten, dass daraus ein Lehrstück in angewandter Demokratie wird.

Es geht dabei um die Neufassung des überalterten EU-Datenschutzgesetzes, das bisher einen Wettbewerb um die schwächsten Standards erlaubte. Es geht um den Schutz personenbezogener Daten vor dem Zugriff der großen IT-Firmen. Daten sind das Öl des digitalen Zeitalters, heißt es, und wer sie hat, hat die Macht.

Lange war das kein großes Thema in der EU, kein großes Thema für die Öffentlichkeit, ein Nischenthema für Spezialisten, zerredet in unzähligen Ausschüssen, unterminiert von den Lobbyisten der IT-Industrie. Dann kam der Juni 2013 und Edward Snowdon – und die Stimmung schwenkte um. „Der Fall Prism hat uns die Augen geöffnet“, sagt EU-Kommissarin Viviane Reding, die in diesem Gesetzgebungsverfahren zwischen Parlament und Rat zu vermitteln hat.

Anschaulich wird das abstrakte Thema durch den Protagonisten des Films, Jan Philipp Albrecht, einen jungen EU-Abgeordneten der Grünen, der unter die Fittiche von Viviane Reding geraten ist. Er läuft in Jeans und T-Shirt durch die heiligen EU-Hallen, ist ungeheuer fleißig, sehr lernfähig und offensichtlich politisch sehr klug. Als Berichterstatter der Kommission besetzt er eine Position mit Macht. Er muss dafür sorgen, dass abstimmungsreife Gesetzestexte zustande kommen. 4000 Änderungsvorschläge treffen nach dem ersten Entwurf ein, die Lobbyismus-Maschine läuft auf Hochtouren und Albrecht sagt: „Ich habe gehört, wie die Wölfe die Zähne fletschen, um mich zu zerreißen.“ Sein politischer Berater, Ralf Bendrath ist optimistisch: „Das wird das beste Datenschutzgesetz, das die Welt in den nächsten zwanzig Jahren sehen wird“. Tatsächlich gelingt Albrecht der Durchbruch. Es werden tragfähige Kompromisse gefunden. Das Gesetz könnte bis Jahresende vom Ministerrat verabschiedet werden.

David Bernet lässt die Zuschauer in das Innere des politischen Getriebes der EU schauen. Die Kamera ist bei Verhandlungen dabei, bei Gesprächen in den Schatten-Meetings, bei diesem oder jenem „privacy breakfast“. Voraussetzung für diese Nähe war, dass wichtige politische Protagonisten bereit waren, ihre Arbeit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu gehört auch die resolute EU-Kommissarin Viviane Reding. Manchmal merkt man Skepsis in den Blicken, manchmal wird sie auch schmallippig. Gleichwohl: so unmittelbar hat man lange nicht Einblick nehmen können in politische Mechanismen und das bei einem Thema, von dem Regisseur David Bernet sagt: „Der Datenschutz ist eine der größten und wichtigsten Fragen unseres Jahrhunderts“.

 

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