Um die KI als nützliche Dienerin im Journalismus – oder im journalistischen Vortrag, wie hier bei der #krassmedial-Sommerakademie – vorzuführen, hat Sarah Luisa Thiele schnell mal „Katja“ erfunden, oder besser gesagt, generiert. Katja erklärt dem Publikum am Wannsee mit nüchterner, aber nicht kalter Stimme, welche tollen Möglichkeiten KI im Journalismus biete.
Assistentin Katja hebt die gesteigerte Effizienz und die verbesserten Inhalte durch KI hervor. Sie hat das mehrminütige Referat von Thiele mit nur wenigen Vorgaben, einem sogenannten Prompt, zusammengestellt. Verlangt wurde eine Einführung für einen Workshop für Journalist*innen über KI im Journalismus. Um es kurz zu machen: Katja hat nichts Falsches erzählt, aber das Gesagte zu überprüfen, das nimmt der Auftraggeberin niemand ab.
KI könne eine wertvolle Hilfe sein bei der Recherche, meinte Thiele, weil sie Informationen schneller finden und Relevantes analysieren kann. Eine Bewältigung riesiger Datenmengen wie bei den „Panama Papers“ mit 11,5 Millionen Dokumenten über Steuerhinterziehung und Steueroasen wäre ohne KI wohl nicht möglich gewesen und wenn, dann nur in sehr viel längerer Zeit. KI kann aber nicht nur trockene Daten analysieren, sondern auch Sätze auf ihr „Sentiment“, die Meinung oder Stimmung im Text, untersuchen. Weitere Vorteile: Überprüfung von Fakten in Echtzeit und Visualisierung der Daten. Die Aufgabe der Menschen: Die Daten für Maschinen lesbar und durchsuchbar zu machen und die Suchvorgaben zu formulieren.
Für die Textproduktion wird künstliche Intelligenz bei Wetter- und Sportberichten, Börsen und Verkehrsmeldungen schon seit Jahren genutzt, eben da, wo die Struktur gleichbleibt, nur die Daten wechseln. Ein Softwareprogramm dafür ist „Retresco“. Ob solche KI-Texte gekennzeichnet werden, ist jedem Verlagshaus selbst überlassen. In Deutschland nutzen die „Rheinische Post“, der „Spiegel“, der Bayerische Rundfunk, die „FAZ“, dpa oder die Zeitungen von Ippen Media KI zur Erstellung von Berichten. Dann „Retresco“ unter den Bericht zu schreiben, dürften für viele Leser*innen kein deutlicher Hinweis auf KI sein. Neben dem bekannten ChatGPT gibt es für diese Funktion auch Quillbot, Writesonic oder Wordtune.
Eine künftige Kernkompetenz in einer KI-unterstützten Redaktion dürfte das richtige „Prompten“ werden, eine Tätigkeit, die an diesem Wochenende öfter angesprochen wurde. Nur wer der KI die richtigen Anweisungen oder Impulse gibt, kann damit rechnen, dass das Ergebnis den Vorstellungen entspricht. Dabei kann man dem Bot erklären, welche Rolle er einnehmen und welches Publikum er bedienen soll, ob er belehrend oder unterhaltend sein soll und ob als Ergebnis ein Artikel, eine Tabelle, eine Rede oder eine Infografik erwartet wird.
KI kann auch bei der technischen Verbesserung von Bildern, ihrer Beschreibung, Suche, Analyse oder Verifikation eingesetzt werden, sie kann Ausschnitte generieren und das Ganze für verschiedene Formate zusammenstellen. Tools sind Canva AI, Runway ML, Artbreeder, Designify oder Deep Dream Generator. Auch die Bearbeitung von Video- und Audiodateien ist längst automatisiert möglich (Lumen5, Magisto, Rocketium, Offeo, Wave.video oder Text-to-Speech, Voice Cloning, aiconix, Voiceflow und ähnliches). In „bigGPT“ existiert bereits ein öffentliches Lernlabor für KI mit den Moderator*innen bigLaila und bigBen.
Benutzt werden solche Tools von BBC, Reuters, „Washington Post“ und „New York Times“, von Vox Media, Al Jazeera oder der japanischen Rundfunkgesellschaft NHK. Im chinesischen Fernsehen sind Avatar-Bots als Sprecher bereits im Einsatz. Wegdenken lasse sich KI im journalistischen Alltag nicht mehr, meinte Thiele, man müsse sie vielmehr „mitdenken“. In Deutschland arbeiten bereits einige journalistische Häuser mit Leitlinien zum Einsatz von KI. Als Beispiel nannte sie dpa, „Spiegel“ und Ippen Media. Interessant ist, was auch vom wachsamen Auditorium bemerkt wurde: Nicht bei allen ist eine Kennzeichnungspflicht bei mit KI erstellten Beiträgen fixiert.
Thiele sieht wegen der großen Verantwortung, die der Einsatz von KI im Journalismus bedeutet, rechtlichen Regelungsbedarf, denn „KI-basierte Softwaresysteme im Journalismus greifen unter Umständen in die DNA der gesellschaftlichen Kommunikationsbedingungen ein und bedürfen eines menschlichen Supervisors“.
Hier ein „Werkzeugkasten“ mit allen in diesem Fokus genannten Tools und deren Links.