Streit um das Redaktionsstatut im „Mannheimer Morgen“ nicht vom Tisch
Natürlich kann es sich auch eine Regionalzeitung wie der nordbadische „Mannheimer Morgen“ nicht erlauben, die Zeichen der Zeit zu ignorieren und die Chancen auf Personalabbau ungenutzt verstreichen zu lassen. Kürzungen im Honoraretat der Redaktion, die Streichung ohnehin nicht besetzter Planstellen und eine erheblich verzögerte Wiederbesetzung frei werdender Stellen – diese Maßnahmen schienen bislang auszureichen, um dem branchenüblichen Anzeigenrückgang und den ebenso gesunkenen Druckaufträgen entgegenzutreten.
War es die Vorgabe einer angeblich zweistelligen Renditeerwartung des Aufsichtsrats oder doch ein weitaus dramatischerer Umsatzrückgang als befürchtet – jedenfalls lud die Geschäftsführung des „Mannheimer Morgen“ die Belegschaft des Hauses nach einer Sondersitzung des Aufsichtsrats zu einer Betriebsversammlung. Fazit: Die bisherigen Sparmaßnahmen reichen bei weitem nicht aus, stattdessen werden unwiderruflich zusätzliche 55 Stellen gestrichen – vor allem in den Bereichen Technik, Bildbearbeitung, EDV und Redaktionssekretariat. Wenngleich der Stellenabbau möglichst durch günstige Altersteilzeitangebote bereits ab 55 Jahren umgesetzt werden soll – diverse Abfindungsangebote dürfte es dennoch geben. Damit aber nicht genug: Nicht nur geriet der Honoraretat der Redaktion erneut ins Visier der Geschäftsführung, sondern weitere Sparmaßen waren auch Gegenstand einer neuerlichen Sondersitzung des Aufsichtsrats Mitte Januar. Ob die Redaktion ungeschoren davonkommt, ist noch in der Schwebe, betroffen ist sie indessen bereits durch die Mehrarbeit, wenn Aufgaben der personell gekürzten Bildbearbeitung oder der Sekretariate übernommen werden müssen. Merkwürdig ist allerdings, dass diese Sparpläne just in eine Phase fallen, in der der „Mannheimer Morgen“ sein Stammhaus im Stadtzentrum verkaufte, um am Stadtrand ein neues Redaktionsgebäude zu errichten – der Umzug an die Peripherie soll im April erfolgen -, und in der sich zudem Gerüchte über einen möglichen Verkauf von Eigentümeranteilen verdichten.
Michael Grabner, der stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsführung der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck GmbH & Co. KG mit Sitz in Stuttgart, antwortete schon in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 14. Dezember 2002 auf die Frage „Beim Mannheimer Morgen beispielsweise soll der Anteilseigner BWK verkaufsbereit sein?“ wie folgt: „Das haben wir auch gehört, aber das ist noch nicht an uns herangetragen worden.“ Bisher soll sich Geschäftsführer Dr. Björn Jansen gegenüber der Redaktion seines Hauses zu Grabners Äußerung und den kursierenden Verkaufsgerüchten nicht geäußert haben. Die 1990 gegründete Baden-Württembergische Unternehmensbeteiligungs GmbH (BWK) mit Sitz in Stuttgart hält 34,9 Prozent der Anteile am „Mannheimer Morgen“.
Urteil ignoriert
Vermutungen, dass der „Mannheimer Morgen“ mit dem Ziel des Verkaufs personell verschlankt werden soll, erhalten dadurch weitere Nahrung, dass sich die Geschäftsführung unverändert ziert, dem am 19. Juni 2002 vom Bundesarbeitsgericht in Erfurt höchstrichterlich gesprochenen Urteil über die Rechtmäßigkeit des Redaktionsstatuts im Hause „Mannheimer Morgen“ Rechnung zu tragen (Az.: 1 AZR 463/00 – siehe „M“ 7.2001). So wurden jüngere Arbeitsverträge, in denen der Bezug auf das Redaktionsstatut fehlt, keineswegs entsprechend dem Erfurter Urteil aktualisiert. Angesichts der augenblicklichen Situation auf dem Arbeitsmarkt dürfte kaum jemand einen erneuten Gang vors Gericht wagen, und womöglich setzt die Geschäftsführung einfach darauf, dass die älteren Redaktionsmitglieder mit einem Statutvermerk in ihrem Arbeitsvertrag ohnehin nach und nach das Haus verlassen. Auf diese Weise könnte man auch ohne Änderungskündigungen zum Erfolg kommen. Schließlich hatte Jansen schon unmittelbar nach dem Erfurter Urteil signalisiert, dass man „auch ohne Statut erfolgreich zusammengearbeitet und eine gute Zeitung gemacht“ hätte, und der Anwalt des Verlags, Dr. Georg Jaeger, sekundierte: „Es kann sich nicht darin erschöpfen, dass das Redaktionsstatut einfach wieder in Kraft gesetzt wird.“ Langsam zeichnet sich ab, warum der Verlag diesen langwierigen Weg der juristischen Auseinandersetzung gesucht haben könnte.