Zwei der freien Fotografen, die am 30. April bei ihrer Berichterstattung über Protestaktionen gegen den AfD-Parteitag in Stuttgart fast zwölf Stunden in Polizeigewahrsam genommen worden waren, werden jetzt mit ver.di-Rechtsschutz dagegen vorgehen. Siegfried Heim, der baden-württembergische ver.di-Landesfachbereichsleiter Medien, Kunst und Industrie, kündigte eine Klage beim Verwaltungsgericht an, mit der geklärt werden soll, „dass diese Festsetzung absolut unverhältnismäßig war“.
Heim kritisiert die stundenlange Inhaftierung der Fotografen als „hochproblematisch“ und sieht darin „de facto eine Aushebelung der Pressefreiheit“. Das werde nicht hingenommen. Da die Festsetzung bereits passiert sei, könne das Gericht im Nachhinein aber nur noch urteilen, ob das Vorgehen verhältnismäßig gewesen sei. Die dju in ver.di hatte bereits am 1. Mai scharf gegen die Polizeiaktion protestiert. Als „skandalös“ wertete dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß nicht nur das stundenlange Festsetzen, sondern auch die Tatsache, dass die Kollegen mit Kabelbindern gefesselt wurden.
Bei der Berichterstattung über Gegendemonstrationen zum AfD-Parteitag waren an der Autobahnzufahrt zum Veranstaltungsgelände in Stuttgart am Morgen des 30. April insgesamt vier freie Fotografen inhaftiert und über den Tag festgehalten worden, obwohl sie sich immer wieder als Medienvertreter ausgewiesen hatten. Sich an einer Autobahnblockade beteiligt zu haben, Nötigung und Eingriff in den Straßenverkehr lauteten die Vorwürfe.
Nach Überqueren der bereits blockierten Autobahn habe eine erste Polizeikontrolle ihn dank des Presseausweise problemlos passieren lassen, bei einer zweiten Kontrolle sei er dann festgesetzt worden, so einer der jetzt Klagenden, der freie Fotojournalist Jens Volle. Insgesamt hätten die Ordnungskräfte – koordiniert vom verantwortlichen Polizeipräsidium Reutlingen – bei diesen Aktionen 600 Personen in Gewahrsam genommen, berichtet die Kontext:Wochenzeitung in ihrer aktuellen Ausgabe. Die Beurteilung der Fälle, so zitiert sie eine Stellungnahme der Polizei-Pressestelle, habe „eine entsprechende Zeitdauer in Anspruch“ genommen.
Jens Volle geht davon aus, dass die Polizei – Einsatzkräfte kamen aus ganz Baden-Württemberg und Bayern – schlichtweg überfordert gewesen sei. Die Zustände in der Gefangenensammelstelle schildert er als chaotisch. Es habe „nicht danach ausgesehen“, dass man speziell kritische Fotografen habe festsetzen oder an Fotomaterial gelangen wollen. Doch habe er in den letzten fünf Jahren, in denen er auch bei brisanten Demos Bilder gemacht habe, nie erlebt, dass Journalisten für so lange Zeit an ihrer Arbeit gehindert und komplett aus dem Verkehr gezogen wurden.
Wann mit der gerichtlichen Klärung zu rechnen sein werde, wagt ver.di-Landesfachbereichsleiter Siegfrid Heim nicht abzuschätzen, geht aber davon aus, dass Verwaltungsgerichtsverfahren langwierig seien.
Schnell publik wurde der Fall auch, weil die Fotografenkollegen getwittert und über „DemoWatch“ von ihrer Festsetzung berichtet hatten. Dieser Service der dju in ver.di dient der Dokumentation und Vernetzung bei Zwischenfällen in der Demonstrationsberichterstattung.
Der komplette Bericht der Kontext:Wochenzeitung findet sich hier.